Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite
Odüßee.

Also sprach er. Da lief mit ausgebreiteten Armen
Dolios grad' auf ihn zu, und küßte die Hände des Königs,
Redete freundlich ihn an, und sprach die geflügelten Worte:

Lieber, kommst du nun endlich, nach unserem herzlichen Wunsche,
Aber ohn alles Vermuten, und führten dich Götter zur Heimat; 400
Nun so wünsch' ich dir Freude, Gesundheit und Segen der Götter!
Aber sage mir doch aufrichtig, damit ich es wiße:
Weiß es deine Gemahlin, die kluge Pänelopeia,
Daß du zu Hause bist? oder sollen wirs eilig verkünden?

Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Odüßeus: 405
Alter, sie weiß es schon; du brauchst dich nicht zu bemühen.

Also sprach er, und sezte sich hin auf den zierlichen Seßel.
Dolios Söhne traten nun auch zum berühmten Odüßeus,
Hießen ihn froh willkommen, und drückten ihm alle die Hände,
Sezten sich dann nach der Reihe bei Dolios, ihrem Vater. 410
Also waren sie hier mit dem fröhlichen Schmause beschäftigt.

Aber Oßa, die schnelle Verkünderin, eilete ringsum
Durch die Stadt mit der Botschaft vom traurigen Tode der Freier.
Und nun erhuben sich alle, und sammleten hieher und dorther,
Lautwehklagend und lärmend, sich vor dem Palaste des Königs, 415
Trugen die Todten hinaus, und bestateten jeder den Seinen;
Aber die andern, die rings von den Inseln waren gekommen,
Legten sie heimzufahren in schnelle Kähne der Fischer.
Und nun eilten sie alle zum Markte, mit großer Betrübniß.
Als die Versammleten jezt in geschloßener Reihe sich drängten; 420
Da erhub sich der Held Eupeithäs vor den Achaiern,
Der mit unendlichem Schmerz um den todten Antinoos traurte,
Seinen Sohn, den zuerst der edle Odüßeus getödtet;

Oduͤßee.

Alſo ſprach er. Da lief mit ausgebreiteten Armen
Dolios grad' auf ihn zu, und kuͤßte die Haͤnde des Koͤnigs,
Redete freundlich ihn an, und ſprach die gefluͤgelten Worte:

Lieber, kommſt du nun endlich, nach unſerem herzlichen Wunſche,
Aber ohn alles Vermuten, und fuͤhrten dich Goͤtter zur Heimat; 400
Nun ſo wuͤnſch' ich dir Freude, Geſundheit und Segen der Goͤtter!
Aber ſage mir doch aufrichtig, damit ich es wiße:
Weiß es deine Gemahlin, die kluge Paͤnelopeia,
Daß du zu Hauſe biſt? oder ſollen wirs eilig verkuͤnden?

Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Oduͤßeus: 405
Alter, ſie weiß es ſchon; du brauchſt dich nicht zu bemuͤhen.

Alſo ſprach er, und ſezte ſich hin auf den zierlichen Seßel.
Dolios Soͤhne traten nun auch zum beruͤhmten Oduͤßeus,
Hießen ihn froh willkommen, und druͤckten ihm alle die Haͤnde,
Sezten ſich dann nach der Reihe bei Dolios, ihrem Vater. 410
Alſo waren ſie hier mit dem froͤhlichen Schmauſe beſchaͤftigt.

Aber Oßa, die ſchnelle Verkuͤnderin, eilete ringsum
Durch die Stadt mit der Botſchaft vom traurigen Tode der Freier.
Und nun erhuben ſich alle, und ſammleten hieher und dorther,
Lautwehklagend und laͤrmend, ſich vor dem Palaſte des Koͤnigs, 415
Trugen die Todten hinaus, und beſtateten jeder den Seinen;
Aber die andern, die rings von den Inſeln waren gekommen,
Legten ſie heimzufahren in ſchnelle Kaͤhne der Fiſcher.
Und nun eilten ſie alle zum Markte, mit großer Betruͤbniß.
Als die Verſammleten jezt in geſchloßener Reihe ſich draͤngten; 420
Da erhub ſich der Held Eupeithaͤs vor den Achaiern,
Der mit unendlichem Schmerz um den todten Antinoos traurte,
Seinen Sohn, den zuerſt der edle Oduͤßeus getoͤdtet;

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0470" n="464"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#g">Odu&#x0364;ßee.</hi> </fw><lb/>
        <p>Al&#x017F;o &#x017F;prach er. Da lief mit ausgebreiteten Armen<lb/>
Dolios grad' auf ihn zu, und ku&#x0364;ßte die Ha&#x0364;nde des Ko&#x0364;nigs,<lb/>
Redete freundlich ihn an, und &#x017F;prach die geflu&#x0364;gelten Worte:</p><lb/>
        <p>Lieber, komm&#x017F;t du nun endlich, nach un&#x017F;erem herzlichen Wun&#x017F;che,<lb/>
Aber ohn alles Vermuten, und fu&#x0364;hrten dich Go&#x0364;tter zur Heimat; <note place="right">400</note><lb/>
Nun &#x017F;o wu&#x0364;n&#x017F;ch' ich dir Freude, Ge&#x017F;undheit und Segen der Go&#x0364;tter!<lb/>
Aber &#x017F;age mir doch aufrichtig, damit ich es wiße:<lb/>
Weiß es deine Gemahlin, die kluge Pa&#x0364;nelopeia,<lb/>
Daß du zu Hau&#x017F;e bi&#x017F;t? oder &#x017F;ollen wirs eilig verku&#x0364;nden?</p><lb/>
        <p>Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Odu&#x0364;ßeus: <note place="right">405</note><lb/>
Alter, &#x017F;ie weiß es &#x017F;chon; du brauch&#x017F;t dich nicht zu bemu&#x0364;hen.</p><lb/>
        <p>Al&#x017F;o &#x017F;prach er, und &#x017F;ezte &#x017F;ich hin auf den zierlichen Seßel.<lb/>
Dolios So&#x0364;hne traten nun auch zum beru&#x0364;hmten Odu&#x0364;ßeus,<lb/>
Hießen ihn froh willkommen, und dru&#x0364;ckten ihm alle die Ha&#x0364;nde,<lb/>
Sezten &#x017F;ich dann nach der Reihe bei Dolios, ihrem Vater. <note place="right">410</note><lb/>
Al&#x017F;o waren &#x017F;ie hier mit dem fro&#x0364;hlichen Schmau&#x017F;e be&#x017F;cha&#x0364;ftigt.</p><lb/>
        <p>Aber Oßa, die &#x017F;chnelle Verku&#x0364;nderin, eilete ringsum<lb/>
Durch die Stadt mit der Bot&#x017F;chaft vom traurigen Tode der Freier.<lb/>
Und nun erhuben &#x017F;ich alle, und &#x017F;ammleten hieher und dorther,<lb/>
Lautwehklagend und la&#x0364;rmend, &#x017F;ich vor dem Pala&#x017F;te des Ko&#x0364;nigs, <note place="right">415</note><lb/>
Trugen die Todten hinaus, und be&#x017F;tateten jeder den Seinen;<lb/>
Aber die andern, die rings von den In&#x017F;eln waren gekommen,<lb/>
Legten &#x017F;ie heimzufahren in &#x017F;chnelle Ka&#x0364;hne der Fi&#x017F;cher.<lb/>
Und nun eilten &#x017F;ie alle zum Markte, mit großer Betru&#x0364;bniß.<lb/>
Als die Ver&#x017F;ammleten jezt in ge&#x017F;chloßener Reihe &#x017F;ich dra&#x0364;ngten; <note place="right">420</note><lb/>
Da erhub &#x017F;ich der Held Eupeitha&#x0364;s vor den Achaiern,<lb/>
Der mit unendlichem Schmerz um den todten Antinoos traurte,<lb/>
Seinen Sohn, den zuer&#x017F;t der edle Odu&#x0364;ßeus geto&#x0364;dtet;<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[464/0470] Oduͤßee. Alſo ſprach er. Da lief mit ausgebreiteten Armen Dolios grad' auf ihn zu, und kuͤßte die Haͤnde des Koͤnigs, Redete freundlich ihn an, und ſprach die gefluͤgelten Worte: Lieber, kommſt du nun endlich, nach unſerem herzlichen Wunſche, Aber ohn alles Vermuten, und fuͤhrten dich Goͤtter zur Heimat; Nun ſo wuͤnſch' ich dir Freude, Geſundheit und Segen der Goͤtter! Aber ſage mir doch aufrichtig, damit ich es wiße: Weiß es deine Gemahlin, die kluge Paͤnelopeia, Daß du zu Hauſe biſt? oder ſollen wirs eilig verkuͤnden? 400 Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Oduͤßeus: Alter, ſie weiß es ſchon; du brauchſt dich nicht zu bemuͤhen. 405 Alſo ſprach er, und ſezte ſich hin auf den zierlichen Seßel. Dolios Soͤhne traten nun auch zum beruͤhmten Oduͤßeus, Hießen ihn froh willkommen, und druͤckten ihm alle die Haͤnde, Sezten ſich dann nach der Reihe bei Dolios, ihrem Vater. Alſo waren ſie hier mit dem froͤhlichen Schmauſe beſchaͤftigt. 410 Aber Oßa, die ſchnelle Verkuͤnderin, eilete ringsum Durch die Stadt mit der Botſchaft vom traurigen Tode der Freier. Und nun erhuben ſich alle, und ſammleten hieher und dorther, Lautwehklagend und laͤrmend, ſich vor dem Palaſte des Koͤnigs, Trugen die Todten hinaus, und beſtateten jeder den Seinen; Aber die andern, die rings von den Inſeln waren gekommen, Legten ſie heimzufahren in ſchnelle Kaͤhne der Fiſcher. Und nun eilten ſie alle zum Markte, mit großer Betruͤbniß. Als die Verſammleten jezt in geſchloßener Reihe ſich draͤngten; Da erhub ſich der Held Eupeithaͤs vor den Achaiern, Der mit unendlichem Schmerz um den todten Antinoos traurte, Seinen Sohn, den zuerſt der edle Oduͤßeus getoͤdtet; 415 420

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/470
Zitationshilfe: Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 464. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/470>, abgerufen am 24.11.2024.