Aber ich scheue mich, sie mit harten Worten gewaltsam Aus dem Hause zu treiben; das wolle Gott nicht gefallen!
Also sprach er; Und siehe, ein großes Gelächter erregte 345 Palas Athänä im Saal, und verwirrte der Freier Gedanken: Und schon lachten sie alle mit gräßlichverzuckten Gesichtern. Blutbesudeltes Fleisch verschlangen sie jezo; die Augen Waren mit Thränen erfüllt, und Jammer umschwebte die Seele. Und der göttliche Mann Theoklümenos sprach zur Versammlung: 350
Ach unglückliche Männer, welch Elend ist euch begegnet! Finstere Nacht umhüllt euch Haupt und Antliz und Glieder! Und Wehklagen ertönt, und Thränen nezen die Wangen! Und von Blute triefen die Wänd' und das schöne Getäfel! Flatternde Geister füllen die Flur, und füllen den Vorhof, 355 Zu desErebos Schatten hinuntereilend! Die Sonne Ist am Himmel erloschen, und rings herscht schreckliches Dunkel!
Also sprach er; und alle begannen herzlich zu lachen. Aber Polübos Sohn Eurümachos sprach zu den Freiern:
Hört, wie der Fremdling rast, der neulich von ferne hieherkam! 360 Hurtig, ihr Jünglinge, eilt, und leitet ihn aus dem Palaste Nach dem Versammlungsplaz! Hier kommt ihm alles wie Nacht vor!
Und der göttliche Mann Theoklümenos gab ihm zur Antwort: Keinesweges bedarf ich, Eurümachos, deiner Geleiter; Denn du siehst, ich habe noch Augen und Ohren und Füße, 365 Und mein guter Verstand ist auch nicht irre geworden. Hiermit will ich allein hinausgehn: denn ich erkenne Schon das kommende Graun des Todes, dem keiner entfliehn wird, Keiner von euch, ihr Freier im Hause des edlen Odüßeus, Wo ihr die Fremdlinge höhnt, und schändliche Gräuel verübet! 370
Zwanzigſter Geſang.
Aber ich ſcheue mich, ſie mit harten Worten gewaltſam Aus dem Hauſe zu treiben; das wolle Gott nicht gefallen!
Alſo ſprach er; Und ſiehe, ein großes Gelaͤchter erregte 345 Palas Athaͤnaͤ im Saal, und verwirrte der Freier Gedanken: Und ſchon lachten ſie alle mit graͤßlichverzuckten Geſichtern. Blutbeſudeltes Fleiſch verſchlangen ſie jezo; die Augen Waren mit Thraͤnen erfuͤllt, und Jammer umſchwebte die Seele. Und der goͤttliche Mann Theokluͤmenos ſprach zur Verſammlung: 350
Ach ungluͤckliche Maͤnner, welch Elend iſt euch begegnet! Finſtere Nacht umhuͤllt euch Haupt und Antliz und Glieder! Und Wehklagen ertoͤnt, und Thraͤnen nezen die Wangen! Und von Blute triefen die Waͤnd' und das ſchoͤne Getaͤfel! Flatternde Geiſter fuͤllen die Flur, und fuͤllen den Vorhof, 355 Zu desErebos Schatten hinuntereilend! Die Sonne Iſt am Himmel erloſchen, und rings herſcht ſchreckliches Dunkel!
Alſo ſprach er; und alle begannen herzlich zu lachen. Aber Poluͤbos Sohn Euruͤmachos ſprach zu den Freiern:
Hoͤrt, wie der Fremdling raſt, der neulich von ferne hieherkam! 360 Hurtig, ihr Juͤnglinge, eilt, und leitet ihn aus dem Palaſte Nach dem Verſammlungsplaz! Hier kommt ihm alles wie Nacht vor!
Und der goͤttliche Mann Theokluͤmenos gab ihm zur Antwort: Keinesweges bedarf ich, Euruͤmachos, deiner Geleiter; Denn du ſiehſt, ich habe noch Augen und Ohren und Fuͤße, 365 Und mein guter Verſtand iſt auch nicht irre geworden. Hiermit will ich allein hinausgehn: denn ich erkenne Schon das kommende Graun des Todes, dem keiner entfliehn wird, Keiner von euch, ihr Freier im Hauſe des edlen Oduͤßeus, Wo ihr die Fremdlinge hoͤhnt, und ſchaͤndliche Graͤuel veruͤbet! 370
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0403"n="397"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Zwanzigſter Geſang.</hi></fw><lb/>
Aber ich ſcheue mich, ſie mit harten Worten gewaltſam<lb/>
Aus dem Hauſe zu treiben; das wolle Gott nicht gefallen!</p><lb/><p>Alſo ſprach er; Und ſiehe, ein großes Gelaͤchter erregte <noteplace="right">345</note><lb/>
Palas Athaͤnaͤ im Saal, und verwirrte der Freier Gedanken:<lb/>
Und ſchon lachten ſie alle mit graͤßlichverzuckten Geſichtern.<lb/>
Blutbeſudeltes Fleiſch verſchlangen ſie jezo; die Augen<lb/>
Waren mit Thraͤnen erfuͤllt, und Jammer umſchwebte die Seele.<lb/>
Und der goͤttliche Mann Theokluͤmenos ſprach zur Verſammlung: <noteplace="right">350</note></p><lb/><p>Ach ungluͤckliche Maͤnner, welch Elend iſt euch begegnet!<lb/>
Finſtere Nacht umhuͤllt euch Haupt und Antliz und Glieder!<lb/>
Und Wehklagen ertoͤnt, und Thraͤnen nezen die Wangen!<lb/>
Und von Blute triefen die Waͤnd' und das ſchoͤne Getaͤfel!<lb/>
Flatternde Geiſter fuͤllen die Flur, und fuͤllen den Vorhof, <noteplace="right">355</note><lb/>
Zu desErebos Schatten hinuntereilend! Die Sonne<lb/>
Iſt am Himmel erloſchen, und rings herſcht ſchreckliches Dunkel!</p><lb/><p>Alſo ſprach er; und alle begannen herzlich zu lachen.<lb/>
Aber Poluͤbos Sohn Euruͤmachos ſprach zu den Freiern:</p><lb/><p>Hoͤrt, wie der Fremdling raſt, der neulich von ferne hieherkam! <noteplace="right">360</note><lb/>
Hurtig, ihr Juͤnglinge, eilt, und leitet ihn aus dem Palaſte<lb/>
Nach dem Verſammlungsplaz! Hier kommt ihm alles wie Nacht vor!</p><lb/><p>Und der goͤttliche Mann Theokluͤmenos gab ihm zur Antwort:<lb/>
Keinesweges bedarf ich, Euruͤmachos, deiner Geleiter;<lb/>
Denn du ſiehſt, ich habe noch Augen und Ohren und Fuͤße, <noteplace="right">365</note><lb/>
Und mein guter Verſtand iſt auch nicht irre geworden.<lb/>
Hiermit will ich allein hinausgehn: denn ich erkenne<lb/>
Schon das kommende Graun des Todes, dem keiner entfliehn wird,<lb/>
Keiner von euch, ihr Freier im Hauſe des edlen Oduͤßeus,<lb/>
Wo ihr die Fremdlinge hoͤhnt, und ſchaͤndliche Graͤuel veruͤbet! <noteplace="right">370</note></p><lb/></div></body></text></TEI>
[397/0403]
Zwanzigſter Geſang.
Aber ich ſcheue mich, ſie mit harten Worten gewaltſam
Aus dem Hauſe zu treiben; das wolle Gott nicht gefallen!
Alſo ſprach er; Und ſiehe, ein großes Gelaͤchter erregte
Palas Athaͤnaͤ im Saal, und verwirrte der Freier Gedanken:
Und ſchon lachten ſie alle mit graͤßlichverzuckten Geſichtern.
Blutbeſudeltes Fleiſch verſchlangen ſie jezo; die Augen
Waren mit Thraͤnen erfuͤllt, und Jammer umſchwebte die Seele.
Und der goͤttliche Mann Theokluͤmenos ſprach zur Verſammlung:
345
350
Ach ungluͤckliche Maͤnner, welch Elend iſt euch begegnet!
Finſtere Nacht umhuͤllt euch Haupt und Antliz und Glieder!
Und Wehklagen ertoͤnt, und Thraͤnen nezen die Wangen!
Und von Blute triefen die Waͤnd' und das ſchoͤne Getaͤfel!
Flatternde Geiſter fuͤllen die Flur, und fuͤllen den Vorhof,
Zu desErebos Schatten hinuntereilend! Die Sonne
Iſt am Himmel erloſchen, und rings herſcht ſchreckliches Dunkel!
355
Alſo ſprach er; und alle begannen herzlich zu lachen.
Aber Poluͤbos Sohn Euruͤmachos ſprach zu den Freiern:
Hoͤrt, wie der Fremdling raſt, der neulich von ferne hieherkam!
Hurtig, ihr Juͤnglinge, eilt, und leitet ihn aus dem Palaſte
Nach dem Verſammlungsplaz! Hier kommt ihm alles wie Nacht vor!
360
Und der goͤttliche Mann Theokluͤmenos gab ihm zur Antwort:
Keinesweges bedarf ich, Euruͤmachos, deiner Geleiter;
Denn du ſiehſt, ich habe noch Augen und Ohren und Fuͤße,
Und mein guter Verſtand iſt auch nicht irre geworden.
Hiermit will ich allein hinausgehn: denn ich erkenne
Schon das kommende Graun des Todes, dem keiner entfliehn wird,
Keiner von euch, ihr Freier im Hauſe des edlen Oduͤßeus,
Wo ihr die Fremdlinge hoͤhnt, und ſchaͤndliche Graͤuel veruͤbet!
365
370
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 397. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/403>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.