Auch der göttliche Jüngling Tälemachos sprang von dem Lager, Legte die Kleider an, und hängte sein Schwert um die Schulter, 125 Band die schönen Solen sich unter die rüstigen Füße, Faßte den mächtigen Speer, mit scharfer eherner Spize, Ging, und stand an der Schwelle, und sagte zu Eurükleia:
Mütterchen, habt ihr auch für die Ruh und Pflege des Fremdlings Hier im Saale gesorgt? oder liegt er gänzlich versäumet? 130 Meine Mutter die ist nun so, (wie gut sie auch denket,) Daß sie den schlechteren Mann in ihres Herzens Verwirrung Oftmals ehrt, und den beßeren ungeehret hinwegschickt.
Ihm erwiederte drauf die verständige Eurükleia: Sohn, beschuldige nicht die ganz unschuldige Mutter! 135 Denn er saß da und trank, so lang' er wollte, des Weines; Speise, sagte er selbst, verlangt' er nicht mehr; denn sie fragt' ihn. Und als endlich die Stunde des süßen Schlafes herankam, Da befahl sie den Mägden, ein Lager ihm zu bereiten; Aber Er, als ein ganz unglücklicher leidengeübter, 140 Weigerte sich im Bette auf weichen Polstern zu schlafen: Auf Schafsfellen allein und der unbereiteten Stierhaut Wollt' er im Vorsaal ruhn; wir deckten ihn noch mit dem Mantel.
Also sprach sie. Da ging, den Speer in der Rechten, der Jüngling Aus dem Palast; es begleiteten ihn schnellfüßige Hunde; 145 Und er ging zur Versammlung der schöngeharnischten Griechen.
Aber den Mägden befahl die Edelste unter den Weibern, Eurükleia, die Tochter Ops, des Sohnes Peisänors.
Hurtig, ihr Mägde! kehrt mir den Saal geschwinde mit Besen, Aber sprengt ihn zuvor; die purpurnen Teppiche legt dann 150 Auf die zierlichen Seßel! Ihr andern scheuret die Tische
Zwanzigſter Geſang.
Auch der goͤttliche Juͤngling Taͤlemachos ſprang von dem Lager, Legte die Kleider an, und haͤngte ſein Schwert um die Schulter, 125 Band die ſchoͤnen Solen ſich unter die ruͤſtigen Fuͤße, Faßte den maͤchtigen Speer, mit ſcharfer eherner Spize, Ging, und ſtand an der Schwelle, und ſagte zu Euruͤkleia:
Muͤtterchen, habt ihr auch fuͤr die Ruh und Pflege des Fremdlings Hier im Saale geſorgt? oder liegt er gaͤnzlich verſaͤumet? 130 Meine Mutter die iſt nun ſo, (wie gut ſie auch denket,) Daß ſie den ſchlechteren Mann in ihres Herzens Verwirrung Oftmals ehrt, und den beßeren ungeehret hinwegſchickt.
Ihm erwiederte drauf die verſtaͤndige Euruͤkleia: Sohn, beſchuldige nicht die ganz unſchuldige Mutter! 135 Denn er ſaß da und trank, ſo lang' er wollte, des Weines; Speiſe, ſagte er ſelbſt, verlangt' er nicht mehr; denn ſie fragt' ihn. Und als endlich die Stunde des ſuͤßen Schlafes herankam, Da befahl ſie den Maͤgden, ein Lager ihm zu bereiten; Aber Er, als ein ganz ungluͤcklicher leidengeuͤbter, 140 Weigerte ſich im Bette auf weichen Polſtern zu ſchlafen: Auf Schafsfellen allein und der unbereiteten Stierhaut Wollt' er im Vorſaal ruhn; wir deckten ihn noch mit dem Mantel.
Alſo ſprach ſie. Da ging, den Speer in der Rechten, der Juͤngling Aus dem Palaſt; es begleiteten ihn ſchnellfuͤßige Hunde; 145 Und er ging zur Verſammlung der ſchoͤngeharniſchten Griechen.
Aber den Maͤgden befahl die Edelſte unter den Weibern, Euruͤkleia, die Tochter Ops, des Sohnes Peiſaͤnors.
Hurtig, ihr Maͤgde! kehrt mir den Saal geſchwinde mit Beſen, Aber ſprengt ihn zuvor; die purpurnen Teppiche legt dann 150 Auf die zierlichen Seßel! Ihr andern ſcheuret die Tiſche
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Zwanzigſter Geſang.
Auch der goͤttliche Juͤngling Taͤlemachos ſprang von dem Lager,
Legte die Kleider an, und haͤngte ſein Schwert um die Schulter,
Band die ſchoͤnen Solen ſich unter die ruͤſtigen Fuͤße,
Faßte den maͤchtigen Speer, mit ſcharfer eherner Spize,
Ging, und ſtand an der Schwelle, und ſagte zu Euruͤkleia:
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Muͤtterchen, habt ihr auch fuͤr die Ruh und Pflege des Fremdlings
Hier im Saale geſorgt? oder liegt er gaͤnzlich verſaͤumet?
Meine Mutter die iſt nun ſo, (wie gut ſie auch denket,)
Daß ſie den ſchlechteren Mann in ihres Herzens Verwirrung
Oftmals ehrt, und den beßeren ungeehret hinwegſchickt.
130
Ihm erwiederte drauf die verſtaͤndige Euruͤkleia:
Sohn, beſchuldige nicht die ganz unſchuldige Mutter!
Denn er ſaß da und trank, ſo lang' er wollte, des Weines;
Speiſe, ſagte er ſelbſt, verlangt' er nicht mehr; denn ſie fragt' ihn.
Und als endlich die Stunde des ſuͤßen Schlafes herankam,
Da befahl ſie den Maͤgden, ein Lager ihm zu bereiten;
Aber Er, als ein ganz ungluͤcklicher leidengeuͤbter,
Weigerte ſich im Bette auf weichen Polſtern zu ſchlafen:
Auf Schafsfellen allein und der unbereiteten Stierhaut
Wollt' er im Vorſaal ruhn; wir deckten ihn noch mit dem Mantel.
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Alſo ſprach ſie. Da ging, den Speer in der Rechten, der Juͤngling
Aus dem Palaſt; es begleiteten ihn ſchnellfuͤßige Hunde;
Und er ging zur Verſammlung der ſchoͤngeharniſchten Griechen.
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Aber den Maͤgden befahl die Edelſte unter den Weibern,
Euruͤkleia, die Tochter Ops, des Sohnes Peiſaͤnors.
Hurtig, ihr Maͤgde! kehrt mir den Saal geſchwinde mit Beſen,
Aber ſprengt ihn zuvor; die purpurnen Teppiche legt dann
Auf die zierlichen Seßel! Ihr andern ſcheuret die Tiſche
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Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/395>, abgerufen am 22.07.2024.
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