Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

Odüßee.
Auf, und fing ihn behend', eh sein Fuß den Boden berührte.
Und nachdem sie den Ball gradauf zu schleudern versuchet,
Tanzten sie schwebend dahin auf der allernährenden Erde,
Mit oft wechselnder Stellung; die andern Jünglinge klappten
Rings im Kreise dazu; es stieg ein lautes Getös' auf. 380
Und zu Alkinoos sprach der göttergleiche Odüßeus:

Weitgepriesener Held, Alkinoos, mächtigster König!
Siehe du rühmtest dich der treflichsten Tänzer auf Erden,
Und du behauptest den Ruhm! Mit Staunen erfüllt mich der Anblick.

Aber die heilige Macht Alkinoos freute sich innig. 385
Und er redete schnell zu den ruderliebenden Männern:

Merket auf, der Faiaken erhabene Fürsten und Pfleger!
Dieser Fremdling scheint mir ein Mann von großem Verstande.
Laßt uns ihm ein Geschenk, wie das Gastrecht fodert, verehren.
Denn in unserm Volke sind zwölf ehrwürdige Fürsten, 390
Welche Gerechtigkeit üben; und mir gehorchen die Zwölfe.
Jeder von diesen hole nun einen Mantel und Leibrock,
Sauber und fein, samt einem Talente des köstlichen Goldes.
Dieses wollen wir alle zugleich dem Fremdlinge bringen,
Daß er fröhliches Mutes zum Abendschmause sich seze. 395
Aber Eurüalos soll mit Worten und mit Geschenken
Ihn versöhnen; denn nicht anständig hat er geredet.

Also sprach der König, und alle riefen ihm Beifall.
Schnell, die Geschenke zu holen, entsandte jeder den Herold.
Aber Eurüalos gab dem Könige dieses zur Antwort: 400

Weitgepriesener Held, Alkinoos, mächtigster König!
Gerne will ich den Gast versöhnen, wie du befiehlest,
Und dies Schwert ihm verehren. Die Kling' ist von Erze geschmiedet,

Oduͤßee.
Auf, und fing ihn behend', eh ſein Fuß den Boden beruͤhrte.
Und nachdem ſie den Ball gradauf zu ſchleudern verſuchet,
Tanzten ſie ſchwebend dahin auf der allernaͤhrenden Erde,
Mit oft wechſelnder Stellung; die andern Juͤnglinge klappten
Rings im Kreiſe dazu; es ſtieg ein lautes Getoͤſ' auf. 380
Und zu Alkinoos ſprach der goͤttergleiche Oduͤßeus:

Weitgeprieſener Held, Alkinoos, maͤchtigſter Koͤnig!
Siehe du ruͤhmteſt dich der treflichſten Taͤnzer auf Erden,
Und du behaupteſt den Ruhm! Mit Staunen erfuͤllt mich der Anblick.

Aber die heilige Macht Alkinoos freute ſich innig. 385
Und er redete ſchnell zu den ruderliebenden Maͤnnern:

Merket auf, der Faiaken erhabene Fuͤrſten und Pfleger!
Dieſer Fremdling ſcheint mir ein Mann von großem Verſtande.
Laßt uns ihm ein Geſchenk, wie das Gaſtrecht fodert, verehren.
Denn in unſerm Volke ſind zwoͤlf ehrwuͤrdige Fuͤrſten, 390
Welche Gerechtigkeit uͤben; und mir gehorchen die Zwoͤlfe.
Jeder von dieſen hole nun einen Mantel und Leibrock,
Sauber und fein, ſamt einem Talente des koͤſtlichen Goldes.
Dieſes wollen wir alle zugleich dem Fremdlinge bringen,
Daß er froͤhliches Mutes zum Abendſchmauſe ſich ſeze. 395
Aber Euruͤalos ſoll mit Worten und mit Geſchenken
Ihn verſoͤhnen; denn nicht anſtaͤndig hat er geredet.

Alſo ſprach der Koͤnig, und alle riefen ihm Beifall.
Schnell, die Geſchenke zu holen, entſandte jeder den Herold.
Aber Euruͤalos gab dem Koͤnige dieſes zur Antwort: 400

Weitgeprieſener Held, Alkinoos, maͤchtigſter Koͤnig!
Gerne will ich den Gaſt verſoͤhnen, wie du befiehleſt,
Und dies Schwert ihm verehren. Die Kling' iſt von Erze geſchmiedet,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0160" n="154"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Odu&#x0364;ßee.</hi></fw><lb/>
Auf, und fing ihn behend', eh &#x017F;ein Fuß den Boden beru&#x0364;hrte.<lb/>
Und nachdem &#x017F;ie den Ball gradauf zu &#x017F;chleudern ver&#x017F;uchet,<lb/>
Tanzten &#x017F;ie &#x017F;chwebend dahin auf der allerna&#x0364;hrenden Erde,<lb/>
Mit oft wech&#x017F;elnder Stellung; die andern Ju&#x0364;nglinge klappten<lb/>
Rings im Krei&#x017F;e dazu; es &#x017F;tieg ein lautes Geto&#x0364;&#x017F;' auf. <note place="right">380</note><lb/>
Und zu Alkinoos &#x017F;prach der go&#x0364;ttergleiche Odu&#x0364;ßeus:</p><lb/>
        <p>Weitgeprie&#x017F;ener Held, Alkinoos, ma&#x0364;chtig&#x017F;ter Ko&#x0364;nig!<lb/>
Siehe du ru&#x0364;hmte&#x017F;t dich der treflich&#x017F;ten Ta&#x0364;nzer auf Erden,<lb/>
Und du behaupte&#x017F;t den Ruhm! Mit Staunen erfu&#x0364;llt mich der Anblick.</p><lb/>
        <p>Aber die heilige Macht Alkinoos freute &#x017F;ich innig. <note place="right">385</note><lb/>
Und er redete &#x017F;chnell zu den ruderliebenden Ma&#x0364;nnern:</p><lb/>
        <p>Merket auf, der Faiaken erhabene Fu&#x0364;r&#x017F;ten und Pfleger!<lb/>
Die&#x017F;er Fremdling &#x017F;cheint mir ein Mann von großem Ver&#x017F;tande.<lb/>
Laßt uns ihm ein Ge&#x017F;chenk, wie das Ga&#x017F;trecht fodert, verehren.<lb/>
Denn in un&#x017F;erm Volke &#x017F;ind zwo&#x0364;lf ehrwu&#x0364;rdige Fu&#x0364;r&#x017F;ten, <note place="right">390</note><lb/>
Welche Gerechtigkeit u&#x0364;ben; und mir gehorchen die Zwo&#x0364;lfe.<lb/>
Jeder von die&#x017F;en hole nun einen Mantel und Leibrock,<lb/>
Sauber und fein, &#x017F;amt einem Talente des ko&#x0364;&#x017F;tlichen Goldes.<lb/>
Die&#x017F;es wollen wir alle zugleich dem Fremdlinge bringen,<lb/>
Daß er fro&#x0364;hliches Mutes zum Abend&#x017F;chmau&#x017F;e &#x017F;ich &#x017F;eze. <note place="right">395</note><lb/>
Aber Euru&#x0364;alos &#x017F;oll mit Worten und mit Ge&#x017F;chenken<lb/>
Ihn ver&#x017F;o&#x0364;hnen; denn nicht an&#x017F;ta&#x0364;ndig hat er geredet.</p><lb/>
        <p>Al&#x017F;o &#x017F;prach der Ko&#x0364;nig, und alle riefen ihm Beifall.<lb/>
Schnell, die Ge&#x017F;chenke zu holen, ent&#x017F;andte jeder den Herold.<lb/>
Aber Euru&#x0364;alos gab dem Ko&#x0364;nige die&#x017F;es zur Antwort: <note place="right">400</note></p><lb/>
        <p>Weitgeprie&#x017F;ener Held, Alkinoos, ma&#x0364;chtig&#x017F;ter Ko&#x0364;nig!<lb/>
Gerne will ich den Ga&#x017F;t ver&#x017F;o&#x0364;hnen, wie du befiehle&#x017F;t,<lb/>
Und dies Schwert ihm verehren. Die Kling' i&#x017F;t von Erze ge&#x017F;chmiedet,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[154/0160] Oduͤßee. Auf, und fing ihn behend', eh ſein Fuß den Boden beruͤhrte. Und nachdem ſie den Ball gradauf zu ſchleudern verſuchet, Tanzten ſie ſchwebend dahin auf der allernaͤhrenden Erde, Mit oft wechſelnder Stellung; die andern Juͤnglinge klappten Rings im Kreiſe dazu; es ſtieg ein lautes Getoͤſ' auf. Und zu Alkinoos ſprach der goͤttergleiche Oduͤßeus: 380 Weitgeprieſener Held, Alkinoos, maͤchtigſter Koͤnig! Siehe du ruͤhmteſt dich der treflichſten Taͤnzer auf Erden, Und du behaupteſt den Ruhm! Mit Staunen erfuͤllt mich der Anblick. Aber die heilige Macht Alkinoos freute ſich innig. Und er redete ſchnell zu den ruderliebenden Maͤnnern: 385 Merket auf, der Faiaken erhabene Fuͤrſten und Pfleger! Dieſer Fremdling ſcheint mir ein Mann von großem Verſtande. Laßt uns ihm ein Geſchenk, wie das Gaſtrecht fodert, verehren. Denn in unſerm Volke ſind zwoͤlf ehrwuͤrdige Fuͤrſten, Welche Gerechtigkeit uͤben; und mir gehorchen die Zwoͤlfe. Jeder von dieſen hole nun einen Mantel und Leibrock, Sauber und fein, ſamt einem Talente des koͤſtlichen Goldes. Dieſes wollen wir alle zugleich dem Fremdlinge bringen, Daß er froͤhliches Mutes zum Abendſchmauſe ſich ſeze. Aber Euruͤalos ſoll mit Worten und mit Geſchenken Ihn verſoͤhnen; denn nicht anſtaͤndig hat er geredet. 390 395 Alſo ſprach der Koͤnig, und alle riefen ihm Beifall. Schnell, die Geſchenke zu holen, entſandte jeder den Herold. Aber Euruͤalos gab dem Koͤnige dieſes zur Antwort: 400 Weitgeprieſener Held, Alkinoos, maͤchtigſter Koͤnig! Gerne will ich den Gaſt verſoͤhnen, wie du befiehleſt, Und dies Schwert ihm verehren. Die Kling' iſt von Erze geſchmiedet,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/160
Zitationshilfe: Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/160>, abgerufen am 07.05.2024.