Sei getrost, und entreiße dein Herz der bangen Verzweiflung! 825 Eine solche Gefährtin begleitet ihn, deren Gesellschaft Andere Männer gewiß gern wünschten, die mächtige Göttin Pallas Athänä, die sich, o Traurende, deiner erbarmet! Diese sendet mich jezo, damit ich dir solches verkünde.
Ihr antwortete drauf die kluge Pänelopeia: 830 Bist du der Göttinnen eine, und hörtest die Stimme der Göttin; O so erzähle mir auch das Schicksal jenes Verfolgten! Lebt er noch irgendwo, das Licht der Sonne noch schauend? Oder ist er schon todt, und in der Schatten Behausung?
Und die dunkle Gestalt der Schwester gab ihr zur Antwort: 835 Dieses kann ich dir nicht genau verkünden, ob jener Todt sei, oder noch lebe; und Eitles schwazen ist unrecht.
Also sprach die Gestalt, und verschwand beim Schloße der Pforte In sanftwehende Luft. Da fuhr Ikarios Tochter Schnell aus dem Schlummer empor, und freute sich tief in der Seele, 840 Daß ihr ein deutender Traum in der Morgendämmrung erschienen.
Aber die Freier im Schiffe befuhren die flüßigen Pfade, Um den grausamen Mord Tälemachos auszuführen. Mitten im Meere liegt ein kleines felsichtes Eiland, In dem Sunde, der Ithaka trennt und die bergichte Samos, 845 Asteris wird es genannt, wo ein sicherer Hafen die Schiffe Mit zween Armen empfängt. Hier laurten auf ihn die Achaier.
Oduͤßee. Vierter Geſang.
Sei getroſt, und entreiße dein Herz der bangen Verzweiflung! 825 Eine ſolche Gefaͤhrtin begleitet ihn, deren Geſellſchaft Andere Maͤnner gewiß gern wuͤnſchten, die maͤchtige Goͤttin Pallas Athaͤnaͤ, die ſich, o Traurende, deiner erbarmet! Dieſe ſendet mich jezo, damit ich dir ſolches verkuͤnde.
Ihr antwortete drauf die kluge Paͤnelopeia: 830 Biſt du der Goͤttinnen eine, und hoͤrteſt die Stimme der Goͤttin; O ſo erzaͤhle mir auch das Schickſal jenes Verfolgten! Lebt er noch irgendwo, das Licht der Sonne noch ſchauend? Oder iſt er ſchon todt, und in der Schatten Behauſung?
Und die dunkle Geſtalt der Schweſter gab ihr zur Antwort: 835 Dieſes kann ich dir nicht genau verkuͤnden, ob jener Todt ſei, oder noch lebe; und Eitles ſchwazen iſt unrecht.
Alſo ſprach die Geſtalt, und verſchwand beim Schloße der Pforte In ſanftwehende Luft. Da fuhr Ikarios Tochter Schnell aus dem Schlummer empor, und freute ſich tief in der Seele, 840 Daß ihr ein deutender Traum in der Morgendaͤmmrung erſchienen.
Aber die Freier im Schiffe befuhren die fluͤßigen Pfade, Um den grauſamen Mord Taͤlemachos auszufuͤhren. Mitten im Meere liegt ein kleines felſichtes Eiland, In dem Sunde, der Ithaka trennt und die bergichte Samos, 845 Aſteris wird es genannt, wo ein ſicherer Hafen die Schiffe Mit zween Armen empfaͤngt. Hier laurten auf ihn die Achaier.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0100"n="94"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Oduͤßee. Vierter Geſang.</hi></fw><lb/>
Sei getroſt, und entreiße dein Herz der bangen Verzweiflung! <noteplace="right">825</note><lb/>
Eine ſolche Gefaͤhrtin begleitet ihn, deren Geſellſchaft<lb/>
Andere Maͤnner gewiß gern wuͤnſchten, die maͤchtige Goͤttin<lb/>
Pallas Athaͤnaͤ, die ſich, o Traurende, deiner erbarmet!<lb/>
Dieſe ſendet mich jezo, damit ich dir ſolches verkuͤnde.</p><lb/><p>Ihr antwortete drauf die kluge Paͤnelopeia: <noteplace="right">830</note><lb/>
Biſt du der Goͤttinnen eine, und hoͤrteſt die Stimme der Goͤttin;<lb/>
O ſo erzaͤhle mir auch das Schickſal jenes Verfolgten!<lb/>
Lebt er noch irgendwo, das Licht der Sonne noch ſchauend?<lb/>
Oder iſt er ſchon todt, und in der Schatten Behauſung?</p><lb/><p>Und die dunkle Geſtalt der Schweſter gab ihr zur Antwort: <noteplace="right">835</note><lb/>
Dieſes kann ich dir nicht genau verkuͤnden, ob jener<lb/>
Todt ſei, oder noch lebe; und Eitles ſchwazen iſt unrecht.</p><lb/><p>Alſo ſprach die Geſtalt, und verſchwand beim Schloße der Pforte<lb/>
In ſanftwehende Luft. Da fuhr Ikarios Tochter<lb/>
Schnell aus dem Schlummer empor, und freute ſich tief in der Seele, <noteplace="right">840</note><lb/>
Daß ihr ein deutender Traum in der Morgendaͤmmrung erſchienen.</p><lb/><p>Aber die Freier im Schiffe befuhren die fluͤßigen Pfade,<lb/>
Um den grauſamen Mord Taͤlemachos auszufuͤhren.<lb/>
Mitten im Meere liegt ein kleines felſichtes Eiland,<lb/>
In dem Sunde, der Ithaka trennt und die bergichte Samos, <noteplace="right">845</note><lb/>
Aſteris wird es genannt, wo ein ſicherer Hafen die Schiffe<lb/>
Mit zween Armen empfaͤngt. Hier laurten auf ihn die Achaier.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/></body></text></TEI>
[94/0100]
Oduͤßee. Vierter Geſang.
Sei getroſt, und entreiße dein Herz der bangen Verzweiflung!
Eine ſolche Gefaͤhrtin begleitet ihn, deren Geſellſchaft
Andere Maͤnner gewiß gern wuͤnſchten, die maͤchtige Goͤttin
Pallas Athaͤnaͤ, die ſich, o Traurende, deiner erbarmet!
Dieſe ſendet mich jezo, damit ich dir ſolches verkuͤnde.
825
Ihr antwortete drauf die kluge Paͤnelopeia:
Biſt du der Goͤttinnen eine, und hoͤrteſt die Stimme der Goͤttin;
O ſo erzaͤhle mir auch das Schickſal jenes Verfolgten!
Lebt er noch irgendwo, das Licht der Sonne noch ſchauend?
Oder iſt er ſchon todt, und in der Schatten Behauſung?
830
Und die dunkle Geſtalt der Schweſter gab ihr zur Antwort:
Dieſes kann ich dir nicht genau verkuͤnden, ob jener
Todt ſei, oder noch lebe; und Eitles ſchwazen iſt unrecht.
835
Alſo ſprach die Geſtalt, und verſchwand beim Schloße der Pforte
In ſanftwehende Luft. Da fuhr Ikarios Tochter
Schnell aus dem Schlummer empor, und freute ſich tief in der Seele,
Daß ihr ein deutender Traum in der Morgendaͤmmrung erſchienen.
840
Aber die Freier im Schiffe befuhren die fluͤßigen Pfade,
Um den grauſamen Mord Taͤlemachos auszufuͤhren.
Mitten im Meere liegt ein kleines felſichtes Eiland,
In dem Sunde, der Ithaka trennt und die bergichte Samos,
Aſteris wird es genannt, wo ein ſicherer Hafen die Schiffe
Mit zween Armen empfaͤngt. Hier laurten auf ihn die Achaier.
845
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/100>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.