Voß, Johann Heinrich: Luise. Ein ländliches Gedicht in 3 Idyllen. Königsberg, 1795.ERSTE IDYLLE Bürger und Hagedorn, von Claudius,Gleim und Jacobi; Sangen: "O wunderschön ist Gottes Er- de!" mit Hölty, 445 Welcher den Tod anlacht', und beklagten dich, redlicher Jüngling! Unter den wandelnden sprach die alte verständige Hausfrau: Kinderchen, merkt, wie die Sonne hin- absinkt, fast zu den Wipfeln Jenes Walds, und vom Dorfe die Betglock' über den See summt! Thau weissagt das Gewölk, das duftige: welcher den Kräutern 450 Wachsthum bringt, doch leicht den gela- gerten Menschen Erkältung! Unser Papa ist alt, und das Jüngferchen kleidet sich immer ERSTE IDYLLE Bürger und Hagedorn, von Claudius,Gleim und Jacobi; Sangen: „O wunderſchön iſt Gottes Er- de!“ mit Hölty, 445 Welcher den Tod anlacht’, und beklagten dich, redlicher Jüngling! Unter den wandelnden ſprach die alte verſtändige Hausfrau: Kinderchen, merkt, wie die Sonne hin- abſinkt, faſt zu den Wipfeln Jenes Walds, und vom Dorfe die Betglock’ über den See ſummt! Thau weiſſagt das Gewölk, das duftige: welcher den Kräutern 450 Wachsthum bringt, doch leicht den gela- gerten Menſchen Erkältung! Unſer Papa iſt alt, und das Jüngferchen kleidet ſich immer <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0065" n="55"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">ERSTE IDYLLE</hi></fw><lb/> Bürger und Hagedorn, von Claudius,<lb/> Gleim und Jacobi;<lb/> Sangen: „O wunderſchön iſt Gottes Er-<lb/> de!“ mit Hölty, <lb n="445"/> Welcher den Tod anlacht’, und beklagten<lb/> dich, redlicher Jüngling!<lb/> Unter den wandelnden ſprach die alte<lb/> verſtändige Hausfrau:<lb/> Kinderchen, merkt, wie die Sonne hin-<lb/> abſinkt, faſt zu den Wipfeln<lb/> Jenes Walds, und vom Dorfe die Betglock’<lb/> über den See ſummt!<lb/> Thau weiſſagt das Gewölk, das duftige:<lb/> welcher den Kräutern <lb n="450"/> Wachsthum bringt, doch leicht den gela-<lb/> gerten Menſchen Erkältung!<lb/> Unſer Papa iſt alt, und das Jüngferchen<lb/> kleidet ſich immer<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [55/0065]
ERSTE IDYLLE
Bürger und Hagedorn, von Claudius,
Gleim und Jacobi;
Sangen: „O wunderſchön iſt Gottes Er-
de!“ mit Hölty, 445
Welcher den Tod anlacht’, und beklagten
dich, redlicher Jüngling!
Unter den wandelnden ſprach die alte
verſtändige Hausfrau:
Kinderchen, merkt, wie die Sonne hin-
abſinkt, faſt zu den Wipfeln
Jenes Walds, und vom Dorfe die Betglock’
über den See ſummt!
Thau weiſſagt das Gewölk, das duftige:
welcher den Kräutern 450
Wachsthum bringt, doch leicht den gela-
gerten Menſchen Erkältung!
Unſer Papa iſt alt, und das Jüngferchen
kleidet ſich immer
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