Voß, Johann Heinrich: Luise. Ein ländliches Gedicht in 3 Idyllen. Königsberg, 1795.LUISE Nicht weinsauer die Kirsche Dernat, nichtsüss die Morelle? Nicht die Butter wie Kern, nicht zart die rothen Radieschen? Was? und das kräftige Brot, so locker und weiss! Es ist schändlich 80 Wenn man Gottes Gaben aus Höflichkeit also verachtet! Lieber Sohn, da nehm' er die Dirn' am Arm, und dann hurtig Fort in den Wald! Komm her, mein Müt- terchen, dass ich dich küsse! Ihm antwortete drauf die alte verstän- dige Hausfrau: Schilt nicht, lieber Papa! man sagt ja wohl so ein Wörtchen. 85 Schlummre nun kühl und ruhig im Käm- merlein. Jungfer Susanna LUISE Nicht weinſauer die Kirſche Dernat, nichtſüſs die Morelle? Nicht die Butter wie Kern, nicht zart die rothen Radieschen? Was? und das kräftige Brot, ſo locker und weiſs! Es iſt ſchändlich 80 Wenn man Gottes Gaben aus Höflichkeit alſo verachtet! Lieber Sohn, da nehm’ er die Dirn’ am Arm, und dann hurtig Fort in den Wald! Komm her, mein Müt- terchen, daſs ich dich küſſe! Ihm antwortete drauf die alte verſtän- dige Hausfrau: Schilt nicht, lieber Papa! man ſagt ja wohl ſo ein Wörtchen. 85 Schlummre nun kühl und ruhig im Käm- merlein. Jungfer Suſanna <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0026" n="16"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">LUISE</hi></fw><lb/> Nicht weinſauer die Kirſche Dernat, nicht<lb/> ſüſs die Morelle?<lb/> Nicht die Butter wie Kern, nicht zart<lb/> die rothen Radieschen?<lb/> Was? und das kräftige Brot, ſo locker<lb/> und weiſs! Es iſt ſchändlich <lb n="80"/> Wenn man Gottes Gaben aus Höflichkeit<lb/> alſo verachtet!<lb/> Lieber Sohn, da nehm’ er die Dirn’ am<lb/> Arm, und dann hurtig<lb/> Fort in den Wald! Komm her, mein Müt-<lb/> terchen, daſs ich dich küſſe!<lb/> Ihm antwortete drauf die alte verſtän-<lb/> dige Hausfrau:<lb/> Schilt nicht, lieber Papa! man ſagt ja<lb/> wohl ſo ein Wörtchen. <lb n="85"/> Schlummre nun kühl und ruhig im Käm-<lb/> merlein. Jungfer Suſanna<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [16/0026]
LUISE
Nicht weinſauer die Kirſche Dernat, nicht
ſüſs die Morelle?
Nicht die Butter wie Kern, nicht zart
die rothen Radieschen?
Was? und das kräftige Brot, ſo locker
und weiſs! Es iſt ſchändlich 80
Wenn man Gottes Gaben aus Höflichkeit
alſo verachtet!
Lieber Sohn, da nehm’ er die Dirn’ am
Arm, und dann hurtig
Fort in den Wald! Komm her, mein Müt-
terchen, daſs ich dich küſſe!
Ihm antwortete drauf die alte verſtän-
dige Hausfrau:
Schilt nicht, lieber Papa! man ſagt ja
wohl ſo ein Wörtchen. 85
Schlummre nun kühl und ruhig im Käm-
merlein. Jungfer Suſanna
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Zitationshilfe: | Voß, Johann Heinrich: Luise. Ein ländliches Gedicht in 3 Idyllen. Königsberg, 1795, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_luise_1795/26>, abgerufen am 16.07.2024. |