Voß, Johann Heinrich: Luise. Ein ländliches Gedicht in 3 Idyllen. Königsberg, 1795.ERSTE IDYLLE Also der Greis; da nahten sie all', undküssten den Mund ihm Dankend; es küsst' ihn umarmend die rosenwangige Tochter; Dann an die Wang' ihm geschmiegt, lieb- koste sie. Aber mit Inbrunst Herzte der Greis sein freundliches Kind, auf dem Schoosse sie wiegend. Beid' an der Hand nun fassend die Fremd- linge, sagte die Mutter: 55 Seid ihr auch satt, ihr Lieben? Nur Baurenkost war es freilich, Und kein gräflicher Schmaus; doch hoffen wir, Freunde des Hauses Werden die That mit dem Willen ent- schuldigen. Trinken wir jetzt noch Kaffe hier? Vornehme geniessen ihn gleich nach der Mahlzeit. ERSTE IDYLLE Alſo der Greis; da nahten ſie all’, undküſsten den Mund ihm Dankend; es küſst’ ihn umarmend die roſenwangige Tochter; Dann an die Wang’ ihm geſchmiegt, lieb- koſte ſie. Aber mit Inbrunſt Herzte der Greis ſein freundliches Kind, auf dem Schooſse ſie wiegend. Beid’ an der Hand nun faſſend die Fremd- linge, ſagte die Mutter: 55 Seid ihr auch ſatt, ihr Lieben? Nur Baurenkoſt war es freilich, Und kein gräflicher Schmaus; doch hoffen wir, Freunde des Hauſes Werden die That mit dem Willen ent- ſchuldigen. Trinken wir jetzt noch Kaffe hier? Vornehme genieſsen ihn gleich nach der Mahlzeit. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0023" n="13"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">ERSTE IDYLLE</hi></fw><lb/> Alſo der Greis; da nahten ſie all’, und<lb/> küſsten den Mund ihm<lb/> Dankend; es küſst’ ihn umarmend die<lb/> roſenwangige Tochter;<lb/> Dann an die Wang’ ihm geſchmiegt, lieb-<lb/> koſte ſie. Aber mit Inbrunſt<lb/> Herzte der Greis ſein freundliches Kind,<lb/> auf dem Schooſse ſie wiegend.<lb/> Beid’ an der Hand nun faſſend die Fremd-<lb/> linge, ſagte die Mutter: <lb n="55"/> Seid ihr auch ſatt, ihr Lieben? Nur<lb/> Baurenkoſt war es freilich,<lb/> Und kein gräflicher Schmaus; doch hoffen<lb/> wir, Freunde des Hauſes<lb/> Werden die That mit dem Willen ent-<lb/> ſchuldigen. Trinken wir jetzt noch<lb/> Kaffe hier? Vornehme genieſsen ihn gleich<lb/> nach der Mahlzeit.<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [13/0023]
ERSTE IDYLLE
Alſo der Greis; da nahten ſie all’, und
küſsten den Mund ihm
Dankend; es küſst’ ihn umarmend die
roſenwangige Tochter;
Dann an die Wang’ ihm geſchmiegt, lieb-
koſte ſie. Aber mit Inbrunſt
Herzte der Greis ſein freundliches Kind,
auf dem Schooſse ſie wiegend.
Beid’ an der Hand nun faſſend die Fremd-
linge, ſagte die Mutter: 55
Seid ihr auch ſatt, ihr Lieben? Nur
Baurenkoſt war es freilich,
Und kein gräflicher Schmaus; doch hoffen
wir, Freunde des Hauſes
Werden die That mit dem Willen ent-
ſchuldigen. Trinken wir jetzt noch
Kaffe hier? Vornehme genieſsen ihn gleich
nach der Mahlzeit.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/voss_luise_1795 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/voss_luise_1795/23 |
Zitationshilfe: | Voß, Johann Heinrich: Luise. Ein ländliches Gedicht in 3 Idyllen. Königsberg, 1795, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_luise_1795/23>, abgerufen am 16.07.2024. |