Voß, Johann Heinrich: Luise. Ein ländliches Gedicht in 3 Idyllen. Königsberg, 1795.ZWEITE IDYLLE Welche sich über der Deck' in völligemSchmucke gelagert, Weiss, wie den gestrigen Tag, im röthen- den Glanz der Gardine. Jezo, wie sanft ihr Kind aufathmete, stand sie betrachtend, Neigte sich, küsste die Wang', und begann mit leisem Geflister: 270 Was? unartiges Kind, Langschläserin! träumst du noch jezo, Dass die Wangen dir glühn? und sogar in völligem Anzug? Wahrlich allzu bequem! Hoch steht an dem Himmel die Sonne; Längst auch zirpte die Schwalb', und der Sauhirt tutet im Dorf um; Kinderchen, glaub' ich sogar, mit dem Frühstück gehn in die Schule. 275 ZWEITE IDYLLE Welche ſich über der Deck’ in völligemSchmucke gelagert, Weiſs, wie den geſtrigen Tag, im röthen- den Glanz der Gardine. Jezo, wie ſanft ihr Kind aufathmete, ſtand ſie betrachtend, Neigte ſich, küſste die Wang’, und begann mit leiſem Gefliſter: 270 Was? unartiges Kind, Langſchläſerin! träumſt du noch jezo, Daſs die Wangen dir glühn? und ſogar in völligem Anzug? Wahrlich allzu bequem! Hoch ſteht an dem Himmel die Sonne; Längſt auch zirpte die Schwalb’, und der Sauhirt tutet im Dorf um; Kinderchen, glaub’ ich ſogar, mit dem Frühſtück gehn in die Schule. 275 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0119" n="107"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">ZWEITE IDYLLE</hi></fw><lb/> Welche ſich über der Deck’ in völligem<lb/> Schmucke gelagert,<lb/> Weiſs, wie den geſtrigen Tag, im röthen-<lb/> den Glanz der Gardine.<lb/> Jezo, wie ſanft ihr Kind aufathmete,<lb/> ſtand ſie betrachtend,<lb/> Neigte ſich, küſste die Wang’, und begann<lb/> mit leiſem Gefliſter: <lb n="270"/> Was? unartiges Kind, Langſchläſerin!<lb/> träumſt du noch jezo,<lb/> Daſs die Wangen dir glühn? und ſogar<lb/> in völligem Anzug?<lb/> Wahrlich allzu bequem! Hoch ſteht an<lb/> dem Himmel die Sonne;<lb/> Längſt auch zirpte die Schwalb’, und der<lb/> Sauhirt tutet im Dorf um;<lb/> Kinderchen, glaub’ ich ſogar, mit dem<lb/> Frühſtück gehn in die Schule. <lb n="275"/> </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [107/0119]
ZWEITE IDYLLE
Welche ſich über der Deck’ in völligem
Schmucke gelagert,
Weiſs, wie den geſtrigen Tag, im röthen-
den Glanz der Gardine.
Jezo, wie ſanft ihr Kind aufathmete,
ſtand ſie betrachtend,
Neigte ſich, küſste die Wang’, und begann
mit leiſem Gefliſter: 270
Was? unartiges Kind, Langſchläſerin!
träumſt du noch jezo,
Daſs die Wangen dir glühn? und ſogar
in völligem Anzug?
Wahrlich allzu bequem! Hoch ſteht an
dem Himmel die Sonne;
Längſt auch zirpte die Schwalb’, und der
Sauhirt tutet im Dorf um;
Kinderchen, glaub’ ich ſogar, mit dem
Frühſtück gehn in die Schule. 275
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/voss_luise_1795 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/voss_luise_1795/119 |
Zitationshilfe: | Voß, Johann Heinrich: Luise. Ein ländliches Gedicht in 3 Idyllen. Königsberg, 1795, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_luise_1795/119>, abgerufen am 16.02.2025. |