den des Guten und Edlen, die Kraft zu Ent¬ sagungen; die dem inneren Menschen entweder mangelten, oder ihn adelten, am äußeren erkenn¬ bar wären. Dann folgte eine Theorie der Moral. Sie wollte, daß jedem Jüngling, jedem Mäd¬ chen in der Republik, gegen die Zeit der blü¬ henden Entwicklung höherer Kräfte, ein Ideal nach seiner Anlage gefertigt würde. Ein Vor¬ bild der Schönheit, vom Maler, die möglichst hohe innere Schönheit des Individuums berech¬ nend, nach den klaren Grundsätzen der Lehre, sichtbar gefertigt. Dies müßte herrlicher wirken, als Gesetz, Beispiel und Religion, wenn die Achtung, die Liebe, die Freundschaft, die Auf¬ nahme in den Bürgerkreis, die Bekleidung mit einem Amt, immer an einen Vergleich des Ideals mit der Wirklichkeit hingen, behauptete Guidos Denkschrift. Denn nun könne die in¬ nere Unvollkommenheit sich nicht mehr bergen, die Abwesenheit des Strebens zum Ziel der Schönheit, würde sich in mißgestalteten Zügen strafend verkündigen, und in gelungener Annä¬ herung die Lohnwürdigkeit sich offenbaren. Je bekannter, je verbreiteter das Sistem wäre, je weniger müsse die Gesellschaft, ohnehin schon
den des Guten und Edlen, die Kraft zu Ent¬ ſagungen; die dem inneren Menſchen entweder mangelten, oder ihn adelten, am aͤußeren erkenn¬ bar waͤren. Dann folgte eine Theorie der Moral. Sie wollte, daß jedem Juͤngling, jedem Maͤd¬ chen in der Republik, gegen die Zeit der bluͤ¬ henden Entwicklung hoͤherer Kraͤfte, ein Ideal nach ſeiner Anlage gefertigt wuͤrde. Ein Vor¬ bild der Schoͤnheit, vom Maler, die moͤglichſt hohe innere Schoͤnheit des Individuums berech¬ nend, nach den klaren Grundſaͤtzen der Lehre, ſichtbar gefertigt. Dies muͤßte herrlicher wirken, als Geſetz, Beiſpiel und Religion, wenn die Achtung, die Liebe, die Freundſchaft, die Auf¬ nahme in den Buͤrgerkreis, die Bekleidung mit einem Amt, immer an einen Vergleich des Ideals mit der Wirklichkeit hingen, behauptete Guidos Denkſchrift. Denn nun koͤnne die in¬ nere Unvollkommenheit ſich nicht mehr bergen, die Abweſenheit des Strebens zum Ziel der Schoͤnheit, wuͤrde ſich in mißgeſtalteten Zuͤgen ſtrafend verkuͤndigen, und in gelungener Annaͤ¬ herung die Lohnwuͤrdigkeit ſich offenbaren. Je bekannter, je verbreiteter das Siſtem waͤre, je weniger muͤſſe die Geſellſchaft, ohnehin ſchon
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den des Guten und Edlen, die Kraft zu Ent¬
ſagungen; die dem inneren Menſchen entweder
mangelten, oder ihn adelten, am aͤußeren erkenn¬
bar waͤren. Dann folgte eine Theorie der Moral.
Sie wollte, daß jedem Juͤngling, jedem Maͤd¬
chen in der Republik, gegen die Zeit der bluͤ¬
henden Entwicklung hoͤherer Kraͤfte, ein Ideal
nach ſeiner Anlage gefertigt wuͤrde. Ein Vor¬
bild der Schoͤnheit, vom Maler, die moͤglichſt
hohe innere Schoͤnheit des Individuums berech¬
nend, nach den klaren Grundſaͤtzen der Lehre,
ſichtbar gefertigt. Dies muͤßte herrlicher wirken,
als Geſetz, Beiſpiel und Religion, wenn die
Achtung, die Liebe, die Freundſchaft, die Auf¬
nahme in den Buͤrgerkreis, die Bekleidung mit
einem Amt, immer an einen Vergleich des
Ideals mit der Wirklichkeit hingen, behauptete
Guidos Denkſchrift. Denn nun koͤnne die in¬
nere Unvollkommenheit ſich nicht mehr bergen,
die Abweſenheit des Strebens zum Ziel der
Schoͤnheit, wuͤrde ſich in mißgeſtalteten Zuͤgen
ſtrafend verkuͤndigen, und in gelungener Annaͤ¬
herung die Lohnwuͤrdigkeit ſich offenbaren. Je
bekannter, je verbreiteter das Siſtem waͤre, je
weniger muͤſſe die Geſellſchaft, ohnehin ſchon
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Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/371>, abgerufen am 24.11.2024.
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