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Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810.

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einen Zügel im Mund, sie wollten ihre Bande
zerreißen, schossen gegen den Grund, was den
Nachen in Gefahr brachte. Doch fortgesetzte
Liebkosung, Fütterung, wie sie sie gern empfin¬
gen, und nach Jahr und Tag, gab mein Vater
seinen Haien ein Zeichen mit einer im Wasser
bewegten Glocke, sie kamen, ließen sich Zaum
und Geschirr anlegen, und lenken, wohin man
wollte. Gegen das Ende seines Lebens fuhr der
Alte aus seinem Teich nach dem hohen Meere,
holte von einem Küstenorte zum andern allerhand
Waaren.

Ich, noch ein Knabe, sann dem Dinge weiter
nach. Wie, wenn man Seeschiffe so fortbringen
könnte? Man dürfte des entgegenwehenden Windes
oft spotten, hätte nicht nöthig zu kreutzen, würde
mehr Herr der Zeit, bedürfte der kostspieligen
Ruder nicht, und käme vielleicht schneller als mit
ihnen davon. Aber da bedürfte es größerer Thiere.
Wenn indessen der Hai zum Gehorsam zu brin¬
gen ist, warum sollte es nicht auch der Wallfisch
sein?

Der Vater starb bald, ich nahm mein Erbe,
und begab mich nach Kanada, mir dort einen

einen Zuͤgel im Mund, ſie wollten ihre Bande
zerreißen, ſchoſſen gegen den Grund, was den
Nachen in Gefahr brachte. Doch fortgeſetzte
Liebkoſung, Fuͤtterung, wie ſie ſie gern empfin¬
gen, und nach Jahr und Tag, gab mein Vater
ſeinen Haien ein Zeichen mit einer im Waſſer
bewegten Glocke, ſie kamen, ließen ſich Zaum
und Geſchirr anlegen, und lenken, wohin man
wollte. Gegen das Ende ſeines Lebens fuhr der
Alte aus ſeinem Teich nach dem hohen Meere,
holte von einem Kuͤſtenorte zum andern allerhand
Waaren.

Ich, noch ein Knabe, ſann dem Dinge weiter
nach. Wie, wenn man Seeſchiffe ſo fortbringen
koͤnnte? Man duͤrfte des entgegenwehenden Windes
oft ſpotten, haͤtte nicht noͤthig zu kreutzen, wuͤrde
mehr Herr der Zeit, beduͤrfte der koſtſpieligen
Ruder nicht, und kaͤme vielleicht ſchneller als mit
ihnen davon. Aber da beduͤrfte es groͤßerer Thiere.
Wenn indeſſen der Hai zum Gehorſam zu brin¬
gen iſt, warum ſollte es nicht auch der Wallfiſch
ſein?

Der Vater ſtarb bald, ich nahm mein Erbe,
und begab mich nach Kanada, mir dort einen

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[298/0310] einen Zuͤgel im Mund, ſie wollten ihre Bande zerreißen, ſchoſſen gegen den Grund, was den Nachen in Gefahr brachte. Doch fortgeſetzte Liebkoſung, Fuͤtterung, wie ſie ſie gern empfin¬ gen, und nach Jahr und Tag, gab mein Vater ſeinen Haien ein Zeichen mit einer im Waſſer bewegten Glocke, ſie kamen, ließen ſich Zaum und Geſchirr anlegen, und lenken, wohin man wollte. Gegen das Ende ſeines Lebens fuhr der Alte aus ſeinem Teich nach dem hohen Meere, holte von einem Kuͤſtenorte zum andern allerhand Waaren. Ich, noch ein Knabe, ſann dem Dinge weiter nach. Wie, wenn man Seeſchiffe ſo fortbringen koͤnnte? Man duͤrfte des entgegenwehenden Windes oft ſpotten, haͤtte nicht noͤthig zu kreutzen, wuͤrde mehr Herr der Zeit, beduͤrfte der koſtſpieligen Ruder nicht, und kaͤme vielleicht ſchneller als mit ihnen davon. Aber da beduͤrfte es groͤßerer Thiere. Wenn indeſſen der Hai zum Gehorſam zu brin¬ gen iſt, warum ſollte es nicht auch der Wallfiſch ſein? Der Vater ſtarb bald, ich nahm mein Erbe, und begab mich nach Kanada, mir dort einen

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Zitationshilfe: Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/310>, abgerufen am 22.11.2024.