gegeben. Die feinsinnige Versammlung, sonst gewohnt, sich über alles Schöne oder Unedle ganz bestimmt zu äußern, die der Kunstwerke Vorzüge, nach dem richtigsten Takt mit Beifall lohnte, und ihre Mängel eben so durch Tadel strafte, wußte -- unerhört in den Annalen die¬ ser Bühne -- heute sich nicht zu entscheiden. Kein Lob, kein Mißfallen, allgemeine Stille. So blieb es auch bei den folgenden, immer ge¬ drängt besuchten Vorstellungen.
Gelino wollte aber auch auf dem kleinen Theater des Pallastes etwas sehn. Er sprach mit dem Vorsteher der Gesellschaft, die am liebsten bunte, regellose Sachen aufführte. Dieser trug ihm eine kurzweilige Posse an, genannt:
Die Narrheiten vor Dreihundert Jahren.
Gelino war es zufrieden, und lud so viele Fremde, als der Raum nur fassen konnte.
Als der Vorhang weggenommen war, woll¬ ten die Zuschauer fast vor Lachen sticken, über die närrischen Kleidertrachten, der dargestellten Zeit. Wie war es möglich, riefen viele, daß sich die Menschen jemals so unbequem, geschmack¬ widrig und lächerlich umhüllen konnten! Eine Hauptbedeckung, grade aufstehend, oben platt,
gegeben. Die feinſinnige Verſammlung, ſonſt gewohnt, ſich uͤber alles Schoͤne oder Unedle ganz beſtimmt zu aͤußern, die der Kunſtwerke Vorzuͤge, nach dem richtigſten Takt mit Beifall lohnte, und ihre Maͤngel eben ſo durch Tadel ſtrafte, wußte — unerhoͤrt in den Annalen die¬ ſer Buͤhne — heute ſich nicht zu entſcheiden. Kein Lob, kein Mißfallen, allgemeine Stille. So blieb es auch bei den folgenden, immer ge¬ draͤngt beſuchten Vorſtellungen.
Gelino wollte aber auch auf dem kleinen Theater des Pallaſtes etwas ſehn. Er ſprach mit dem Vorſteher der Geſellſchaft, die am liebſten bunte, regelloſe Sachen auffuͤhrte. Dieſer trug ihm eine kurzweilige Poſſe an, genannt:
Die Narrheiten vor Dreihundert Jahren.
Gelino war es zufrieden, und lud ſo viele Fremde, als der Raum nur faſſen konnte.
Als der Vorhang weggenommen war, woll¬ ten die Zuſchauer faſt vor Lachen ſticken, uͤber die naͤrriſchen Kleidertrachten, der dargeſtellten Zeit. Wie war es moͤglich, riefen viele, daß ſich die Menſchen jemals ſo unbequem, geſchmack¬ widrig und laͤcherlich umhuͤllen konnten! Eine Hauptbedeckung, grade aufſtehend, oben platt,
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gegeben. Die feinſinnige Verſammlung, ſonſt
gewohnt, ſich uͤber alles Schoͤne oder Unedle
ganz beſtimmt zu aͤußern, die der Kunſtwerke
Vorzuͤge, nach dem richtigſten Takt mit Beifall
lohnte, und ihre Maͤngel eben ſo durch Tadel
ſtrafte, wußte — unerhoͤrt in den Annalen die¬
ſer Buͤhne — heute ſich nicht zu entſcheiden.
Kein Lob, kein Mißfallen, allgemeine Stille.
So blieb es auch bei den folgenden, immer ge¬
draͤngt beſuchten Vorſtellungen.
Gelino wollte aber auch auf dem kleinen
Theater des Pallaſtes etwas ſehn. Er ſprach mit
dem Vorſteher der Geſellſchaft, die am liebſten
bunte, regelloſe Sachen auffuͤhrte. Dieſer trug
ihm eine kurzweilige Poſſe an, genannt:
Die Narrheiten vor Dreihundert Jahren.
Gelino war es zufrieden, und lud ſo viele
Fremde, als der Raum nur faſſen konnte.
Als der Vorhang weggenommen war, woll¬
ten die Zuſchauer faſt vor Lachen ſticken, uͤber
die naͤrriſchen Kleidertrachten, der dargeſtellten
Zeit. Wie war es moͤglich, riefen viele, daß
ſich die Menſchen jemals ſo unbequem, geſchmack¬
widrig und laͤcherlich umhuͤllen konnten! Eine
Hauptbedeckung, grade aufſtehend, oben platt,
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Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/273>, abgerufen am 22.11.2024.
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