Kriegräubereien, unmäßige Auflagen, falsche Geldoperazionen der Regierungen, Handelsver¬ bindungen, in welchen ein Volk mit betrügeri¬ scher Schlauheit, das andere mit Unkunde sei¬ ner eigenen Kräfte auftritt, gehässige Immora¬ lität des Einzelnen, die zu Verschwendungen lei¬ tet, ehrlose Trägheit und Unempfindlichkeit ge¬ gen Achtung, die nicht erwerben mögen, auch Almosen spendende Klöster, den Müßiggang un¬ terstützend; erwägt man noch, daß das furcht¬ bare Heer der Krankheiten sich unendlich vermin¬ dert hatte, so geht ganz von selbst hervor, wie ein Reisender Europa durchwandeln konnte, ohne jemal das widrige unedle Schauspiel der Bette¬ lei wahrzunehmen. Guidos Befremdung erklärt sich demnach so gut, als das mitleidige Zudrän¬ gen der Pariser.
Es währte aber nicht lange, so erschien ein Polizeibeamter und fragte den Armen zürnend: warum er nicht zur Stadtobrigkeit gekommen sei? Die Antwort hieß: Weil ich kein Euro¬ päer bin, folglich nicht zu euren Wohlthätig¬ keitsanstalten beigetragen habe, durfte ich auch nicht mit Recht auf ihre Milde bauen. Der Diener des Gesetzes entgegnete streng: Es rei¬
sen
Kriegraͤubereien, unmaͤßige Auflagen, falſche Geldoperazionen der Regierungen, Handelsver¬ bindungen, in welchen ein Volk mit betruͤgeri¬ ſcher Schlauheit, das andere mit Unkunde ſei¬ ner eigenen Kraͤfte auftritt, gehaͤſſige Immora¬ litaͤt des Einzelnen, die zu Verſchwendungen lei¬ tet, ehrloſe Traͤgheit und Unempfindlichkeit ge¬ gen Achtung, die nicht erwerben moͤgen, auch Almoſen ſpendende Kloͤſter, den Muͤßiggang un¬ terſtuͤtzend; erwaͤgt man noch, daß das furcht¬ bare Heer der Krankheiten ſich unendlich vermin¬ dert hatte, ſo geht ganz von ſelbſt hervor, wie ein Reiſender Europa durchwandeln konnte, ohne jemal das widrige unedle Schauſpiel der Bette¬ lei wahrzunehmen. Guidos Befremdung erklaͤrt ſich demnach ſo gut, als das mitleidige Zudraͤn¬ gen der Pariſer.
Es waͤhrte aber nicht lange, ſo erſchien ein Polizeibeamter und fragte den Armen zuͤrnend: warum er nicht zur Stadtobrigkeit gekommen ſei? Die Antwort hieß: Weil ich kein Euro¬ paͤer bin, folglich nicht zu euren Wohlthaͤtig¬ keitsanſtalten beigetragen habe, durfte ich auch nicht mit Recht auf ihre Milde bauen. Der Diener des Geſetzes entgegnete ſtreng: Es rei¬
ſen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0252"n="240"/>
Kriegraͤubereien, unmaͤßige Auflagen, falſche<lb/>
Geldoperazionen der Regierungen, Handelsver¬<lb/>
bindungen, in welchen ein Volk mit betruͤgeri¬<lb/>ſcher Schlauheit, das andere mit Unkunde ſei¬<lb/>
ner eigenen Kraͤfte auftritt, gehaͤſſige Immora¬<lb/>
litaͤt des Einzelnen, die zu Verſchwendungen lei¬<lb/>
tet, ehrloſe Traͤgheit und Unempfindlichkeit ge¬<lb/>
gen Achtung, die nicht erwerben moͤgen, auch<lb/>
Almoſen ſpendende Kloͤſter, den Muͤßiggang un¬<lb/>
terſtuͤtzend; erwaͤgt man noch, daß das furcht¬<lb/>
bare Heer der Krankheiten ſich unendlich vermin¬<lb/>
dert hatte, ſo geht ganz von ſelbſt hervor, wie<lb/>
ein Reiſender Europa durchwandeln konnte, ohne<lb/>
jemal das widrige unedle Schauſpiel der Bette¬<lb/>
lei wahrzunehmen. Guidos Befremdung erklaͤrt<lb/>ſich demnach ſo gut, als das mitleidige Zudraͤn¬<lb/>
gen der Pariſer.</p><lb/><p>Es waͤhrte aber nicht lange, ſo erſchien ein<lb/>
Polizeibeamter und fragte den Armen zuͤrnend:<lb/>
warum er nicht zur Stadtobrigkeit gekommen<lb/>ſei? Die Antwort hieß: Weil ich kein Euro¬<lb/>
paͤer bin, folglich nicht zu euren Wohlthaͤtig¬<lb/>
keitsanſtalten beigetragen habe, durfte ich auch<lb/>
nicht mit Recht auf ihre Milde bauen. Der<lb/>
Diener des Geſetzes entgegnete ſtreng: Es rei¬<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſen<lb/></fw></p></div></div></body></text></TEI>
[240/0252]
Kriegraͤubereien, unmaͤßige Auflagen, falſche
Geldoperazionen der Regierungen, Handelsver¬
bindungen, in welchen ein Volk mit betruͤgeri¬
ſcher Schlauheit, das andere mit Unkunde ſei¬
ner eigenen Kraͤfte auftritt, gehaͤſſige Immora¬
litaͤt des Einzelnen, die zu Verſchwendungen lei¬
tet, ehrloſe Traͤgheit und Unempfindlichkeit ge¬
gen Achtung, die nicht erwerben moͤgen, auch
Almoſen ſpendende Kloͤſter, den Muͤßiggang un¬
terſtuͤtzend; erwaͤgt man noch, daß das furcht¬
bare Heer der Krankheiten ſich unendlich vermin¬
dert hatte, ſo geht ganz von ſelbſt hervor, wie
ein Reiſender Europa durchwandeln konnte, ohne
jemal das widrige unedle Schauſpiel der Bette¬
lei wahrzunehmen. Guidos Befremdung erklaͤrt
ſich demnach ſo gut, als das mitleidige Zudraͤn¬
gen der Pariſer.
Es waͤhrte aber nicht lange, ſo erſchien ein
Polizeibeamter und fragte den Armen zuͤrnend:
warum er nicht zur Stadtobrigkeit gekommen
ſei? Die Antwort hieß: Weil ich kein Euro¬
paͤer bin, folglich nicht zu euren Wohlthaͤtig¬
keitsanſtalten beigetragen habe, durfte ich auch
nicht mit Recht auf ihre Milde bauen. Der
Diener des Geſetzes entgegnete ſtreng: Es rei¬
ſen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/252>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.