auch unter den Rasenhügeln empörte er die Ge¬ fühle einer zartsinnigeren Menschheit. Hatte der Verstorbene, nach einigen Tagen, die untrüg¬ lichen Kennzeichen des Todes, schafften ihn die Verwandten in ein Leichenhaus, wo durch einen chemischen Prozeß alle Flüssigkeiten verflüchtigt, und die festen Theile in Erde aufgelöset wurden. Diese kam in die mitgebrachte Urne, und die Leidtragenden brachten sie nach dem Todtengar¬ ten, den die Städte mit Baumpflanzungen und Blumen zu schmücken, wetteiferten, um sie dort einzusenken. Ein Denkmal aber durfte auch dann nur die Stelle bezeichnen, wenn die Mitbürger des Ortes, durch Stimmenmehrheit, den Verstor¬ benen dieser Ehre würdig achteten. Den Wohn¬ platz der Ruhe sollten nicht Lügen entheiligen. Personen, welche dem Gesetz widerstrebend gelebt hatten, kamen auf ein gesondertes entferntes Grä¬ berfeld, öde, ohne Strauch und Blumen, und die Städte fanden einen Stolz darin, kein sol¬ ches Feld auf ihrem Gebiete zu wissen.
Das Bundesgericht meldete noch am Mor¬ gen, durch den Telegraphen, seinen Ausspruch nach Rom. Am Abend langte die Antwort an. Der Kaiser ließ durch die akkustischen Röhre zu¬
auch unter den Raſenhuͤgeln empoͤrte er die Ge¬ fuͤhle einer zartſinnigeren Menſchheit. Hatte der Verſtorbene, nach einigen Tagen, die untruͤg¬ lichen Kennzeichen des Todes, ſchafften ihn die Verwandten in ein Leichenhaus, wo durch einen chemiſchen Prozeß alle Fluͤſſigkeiten verfluͤchtigt, und die feſten Theile in Erde aufgeloͤſet wurden. Dieſe kam in die mitgebrachte Urne, und die Leidtragenden brachten ſie nach dem Todtengar¬ ten, den die Staͤdte mit Baumpflanzungen und Blumen zu ſchmuͤcken, wetteiferten, um ſie dort einzuſenken. Ein Denkmal aber durfte auch dann nur die Stelle bezeichnen, wenn die Mitbuͤrger des Ortes, durch Stimmenmehrheit, den Verſtor¬ benen dieſer Ehre wuͤrdig achteten. Den Wohn¬ platz der Ruhe ſollten nicht Luͤgen entheiligen. Perſonen, welche dem Geſetz widerſtrebend gelebt hatten, kamen auf ein geſondertes entferntes Graͤ¬ berfeld, oͤde, ohne Strauch und Blumen, und die Staͤdte fanden einen Stolz darin, kein ſol¬ ches Feld auf ihrem Gebiete zu wiſſen.
Das Bundesgericht meldete noch am Mor¬ gen, durch den Telegraphen, ſeinen Ausſpruch nach Rom. Am Abend langte die Antwort an. Der Kaiſer ließ durch die akkuſtiſchen Roͤhre zu¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0211"n="199"/>
auch unter den Raſenhuͤgeln empoͤrte er die Ge¬<lb/>
fuͤhle einer zartſinnigeren Menſchheit. Hatte der<lb/>
Verſtorbene, nach einigen Tagen, die untruͤg¬<lb/>
lichen Kennzeichen des Todes, ſchafften ihn die<lb/>
Verwandten in ein Leichenhaus, wo durch einen<lb/>
chemiſchen Prozeß alle Fluͤſſigkeiten verfluͤchtigt,<lb/>
und die feſten Theile in Erde aufgeloͤſet wurden.<lb/>
Dieſe kam in die mitgebrachte Urne, und die<lb/>
Leidtragenden brachten ſie nach dem Todtengar¬<lb/>
ten, den die Staͤdte mit Baumpflanzungen und<lb/>
Blumen zu ſchmuͤcken, wetteiferten, um ſie dort<lb/>
einzuſenken. Ein Denkmal aber durfte auch dann<lb/>
nur die Stelle bezeichnen, wenn die Mitbuͤrger<lb/>
des Ortes, durch Stimmenmehrheit, den Verſtor¬<lb/>
benen dieſer Ehre wuͤrdig achteten. Den Wohn¬<lb/>
platz der Ruhe ſollten nicht Luͤgen entheiligen.<lb/>
Perſonen, welche dem Geſetz widerſtrebend gelebt<lb/>
hatten, kamen auf ein geſondertes entferntes Graͤ¬<lb/>
berfeld, oͤde, ohne Strauch und Blumen, und<lb/>
die Staͤdte fanden einen Stolz darin, kein ſol¬<lb/>
ches Feld auf ihrem Gebiete zu wiſſen.</p><lb/><p>Das Bundesgericht meldete noch am Mor¬<lb/>
gen, durch den Telegraphen, ſeinen Ausſpruch<lb/>
nach Rom. Am Abend langte die Antwort an.<lb/>
Der Kaiſer ließ durch die akkuſtiſchen Roͤhre zu¬<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[199/0211]
auch unter den Raſenhuͤgeln empoͤrte er die Ge¬
fuͤhle einer zartſinnigeren Menſchheit. Hatte der
Verſtorbene, nach einigen Tagen, die untruͤg¬
lichen Kennzeichen des Todes, ſchafften ihn die
Verwandten in ein Leichenhaus, wo durch einen
chemiſchen Prozeß alle Fluͤſſigkeiten verfluͤchtigt,
und die feſten Theile in Erde aufgeloͤſet wurden.
Dieſe kam in die mitgebrachte Urne, und die
Leidtragenden brachten ſie nach dem Todtengar¬
ten, den die Staͤdte mit Baumpflanzungen und
Blumen zu ſchmuͤcken, wetteiferten, um ſie dort
einzuſenken. Ein Denkmal aber durfte auch dann
nur die Stelle bezeichnen, wenn die Mitbuͤrger
des Ortes, durch Stimmenmehrheit, den Verſtor¬
benen dieſer Ehre wuͤrdig achteten. Den Wohn¬
platz der Ruhe ſollten nicht Luͤgen entheiligen.
Perſonen, welche dem Geſetz widerſtrebend gelebt
hatten, kamen auf ein geſondertes entferntes Graͤ¬
berfeld, oͤde, ohne Strauch und Blumen, und
die Staͤdte fanden einen Stolz darin, kein ſol¬
ches Feld auf ihrem Gebiete zu wiſſen.
Das Bundesgericht meldete noch am Mor¬
gen, durch den Telegraphen, ſeinen Ausſpruch
nach Rom. Am Abend langte die Antwort an.
Der Kaiſer ließ durch die akkuſtiſchen Roͤhre zu¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/211>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.