Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810.

Bild:
<< vorherige Seite

leuchtender Kugeln über den Häusern schwebend
erschienen. Nun erklärte sich das. Man erleuch¬
tete nehmlich die langen graden Straßen mit
doppelten Hohlspiegeln von beträchtlichem Um¬
fang, auf hohe Säulen gestellt. Vor ihnen
brannte eine kunstreiche, durch Luftzüge ver¬
stärkte Flamme, deren Licht aber, mittelst einer an¬
gelaufenen Kristallscheibe, sanfter erschien, so daß
das Ganze den Vollmond um so täuschender
nachahmte, als seine Karte auf die Scheibe ge¬
zeichnet war. Die Wirkung glich eben so, und ein
traulich Silberlicht goß seine Schimmer in die
Straßen und Plätze nieder. In der Mitte der
Länge einer jeden Straße, brannte ein solcher
Hohlspiegel, für die Erleuchtung nach beiden
Seiten genug, doch so, daß man sich mit seiner
Größ enach der der Straße richtete. Am Abend
gab dies Heer von Monden der Stadt von Außen
ein sonderbar liebliches Ansehn.

Sie stiegen in einem bedeutenden Gasthofe
ab. Nachdem jedem von ihnen ein Badezimmer
angewiesen worden, erfrischten sie sich in silber¬
nen mit Rosenwasser gefüllten Wannen. Hier¬
auf trugen wohlgekleidete Diener das Mahl zur
Nacht auf. Es bestand unter andern aus Kalb¬

leuchtender Kugeln uͤber den Haͤuſern ſchwebend
erſchienen. Nun erklaͤrte ſich das. Man erleuch¬
tete nehmlich die langen graden Straßen mit
doppelten Hohlſpiegeln von betraͤchtlichem Um¬
fang, auf hohe Saͤulen geſtellt. Vor ihnen
brannte eine kunſtreiche, durch Luftzuͤge ver¬
ſtaͤrkte Flamme, deren Licht aber, mittelſt einer an¬
gelaufenen Kriſtallſcheibe, ſanfter erſchien, ſo daß
das Ganze den Vollmond um ſo taͤuſchender
nachahmte, als ſeine Karte auf die Scheibe ge¬
zeichnet war. Die Wirkung glich eben ſo, und ein
traulich Silberlicht goß ſeine Schimmer in die
Straßen und Plaͤtze nieder. In der Mitte der
Laͤnge einer jeden Straße, brannte ein ſolcher
Hohlſpiegel, fuͤr die Erleuchtung nach beiden
Seiten genug, doch ſo, daß man ſich mit ſeiner
Groͤß enach der der Straße richtete. Am Abend
gab dies Heer von Monden der Stadt von Außen
ein ſonderbar liebliches Anſehn.

Sie ſtiegen in einem bedeutenden Gaſthofe
ab. Nachdem jedem von ihnen ein Badezimmer
angewieſen worden, erfriſchten ſie ſich in ſilber¬
nen mit Roſenwaſſer gefuͤllten Wannen. Hier¬
auf trugen wohlgekleidete Diener das Mahl zur
Nacht auf. Es beſtand unter andern aus Kalb¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0190" n="178"/>
leuchtender Kugeln u&#x0364;ber den Ha&#x0364;u&#x017F;ern &#x017F;chwebend<lb/>
er&#x017F;chienen. Nun erkla&#x0364;rte &#x017F;ich das. Man erleuch¬<lb/>
tete nehmlich die langen graden Straßen mit<lb/>
doppelten Hohl&#x017F;piegeln von betra&#x0364;chtlichem Um¬<lb/>
fang, auf hohe Sa&#x0364;ulen ge&#x017F;tellt. Vor ihnen<lb/>
brannte eine kun&#x017F;treiche, durch Luftzu&#x0364;ge ver¬<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;rkte Flamme, deren Licht aber, mittel&#x017F;t einer an¬<lb/>
gelaufenen Kri&#x017F;tall&#x017F;cheibe, &#x017F;anfter er&#x017F;chien, &#x017F;o daß<lb/>
das Ganze den Vollmond um &#x017F;o ta&#x0364;u&#x017F;chender<lb/>
nachahmte, als &#x017F;eine Karte auf die Scheibe ge¬<lb/>
zeichnet war. Die Wirkung glich eben &#x017F;o, und ein<lb/>
traulich Silberlicht goß &#x017F;eine Schimmer in die<lb/>
Straßen und Pla&#x0364;tze nieder. In der Mitte der<lb/>
La&#x0364;nge einer jeden Straße, brannte ein &#x017F;olcher<lb/>
Hohl&#x017F;piegel, fu&#x0364;r die Erleuchtung nach beiden<lb/>
Seiten genug, doch &#x017F;o, daß man &#x017F;ich mit &#x017F;einer<lb/>
Gro&#x0364;ß enach der der Straße richtete. Am Abend<lb/>
gab dies Heer von Monden der Stadt von Außen<lb/>
ein &#x017F;onderbar liebliches An&#x017F;ehn.</p><lb/>
          <p>Sie &#x017F;tiegen in einem bedeutenden Ga&#x017F;thofe<lb/>
ab. Nachdem jedem von ihnen ein Badezimmer<lb/>
angewie&#x017F;en worden, erfri&#x017F;chten &#x017F;ie &#x017F;ich in &#x017F;ilber¬<lb/>
nen mit Ro&#x017F;enwa&#x017F;&#x017F;er gefu&#x0364;llten Wannen. Hier¬<lb/>
auf trugen wohlgekleidete Diener das Mahl zur<lb/>
Nacht auf. Es be&#x017F;tand unter andern aus Kalb¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[178/0190] leuchtender Kugeln uͤber den Haͤuſern ſchwebend erſchienen. Nun erklaͤrte ſich das. Man erleuch¬ tete nehmlich die langen graden Straßen mit doppelten Hohlſpiegeln von betraͤchtlichem Um¬ fang, auf hohe Saͤulen geſtellt. Vor ihnen brannte eine kunſtreiche, durch Luftzuͤge ver¬ ſtaͤrkte Flamme, deren Licht aber, mittelſt einer an¬ gelaufenen Kriſtallſcheibe, ſanfter erſchien, ſo daß das Ganze den Vollmond um ſo taͤuſchender nachahmte, als ſeine Karte auf die Scheibe ge¬ zeichnet war. Die Wirkung glich eben ſo, und ein traulich Silberlicht goß ſeine Schimmer in die Straßen und Plaͤtze nieder. In der Mitte der Laͤnge einer jeden Straße, brannte ein ſolcher Hohlſpiegel, fuͤr die Erleuchtung nach beiden Seiten genug, doch ſo, daß man ſich mit ſeiner Groͤß enach der der Straße richtete. Am Abend gab dies Heer von Monden der Stadt von Außen ein ſonderbar liebliches Anſehn. Sie ſtiegen in einem bedeutenden Gaſthofe ab. Nachdem jedem von ihnen ein Badezimmer angewieſen worden, erfriſchten ſie ſich in ſilber¬ nen mit Roſenwaſſer gefuͤllten Wannen. Hier¬ auf trugen wohlgekleidete Diener das Mahl zur Nacht auf. Es beſtand unter andern aus Kalb¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/190
Zitationshilfe: Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/190>, abgerufen am 23.11.2024.