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Vogt, Carl: Untersuchungen über Thierstaaten. Frankfurt (Main), 1851.

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sämmtlicher regierenden Majestäten von den Gerichten geahndet werden, und wo jeder Zweifel an der hohen geistigen Vollkommenheit eines Herrschenden oder der Herrschenden überhaupt als solche Kollektivbeleidigung gelten könnte, eine unthunliche Sache sein - auch gehört dieß nicht in den Bereich unserer Forschung. Was gehen uns die Menschen und ihre herrschenden Majestäten an? Sie haben lange genug zum Gegenstand unserer zoologischen Forschungen in Frankfurt gedient - heute haben wir es nur mit den Bienen zu thun.

Die Erklärung dieser Eigenthümlichkeit, daß die Dummheit regiert, findet sich vielleicht in dem konstitutionellen Systeme der Bienen, dessen Schablonen so ausgebildet, dessen Paragraphenzellen so stabil sind, daß die ganze Staatsmaschine sich gleichsam von selbst regiert. Die Bienenkönigin kann keine Regierungshandlungen ausüben - sie ist auch bornirt genug in ihrem Gehirne, eine solche Ausübung gar nicht zu wollen. Sie will nicht regieren - sie will nur Herrscherin sein. Darauf richtet sie ihr alleiniges Streben, und gerade deßhalb wird sie geachtet und verehrt. Die Biene ist frei, sie gehorcht nur dem Gesetze, nicht ihrer Königin. Sie verehrt diese als Inbegriff, als verkörperte Spitze des Staates - aber sie nimmt durchaus keine Befehle von ihr an und ihre Person ist ihr vollkommen gleichgültig. Die Bienen, erzogen im konstitutionellen Prinzip, erwachsen in seiner Anwendung, haben die Abstraktion zwischen der Person der Königin und dem Prinzip der Herrscherin zur Vollendung und höchsten Ausbildung gebracht. Ohne Königin zerfällt ihr Staat, sie zerstreuen sich in Anarchie und individueller Wühlerei - im Uebrigen aber ist es ihnen vollkommen gleichgültig, ob ein Ei, ein Wurm,

sämmtlicher regierenden Majestäten von den Gerichten geahndet werden, und wo jeder Zweifel an der hohen geistigen Vollkommenheit eines Herrschenden oder der Herrschenden überhaupt als solche Kollektivbeleidigung gelten könnte, eine unthunliche Sache sein – auch gehört dieß nicht in den Bereich unserer Forschung. Was gehen uns die Menschen und ihre herrschenden Majestäten an? Sie haben lange genug zum Gegenstand unserer zoologischen Forschungen in Frankfurt gedient – heute haben wir es nur mit den Bienen zu thun.

Die Erklärung dieser Eigenthümlichkeit, daß die Dummheit regiert, findet sich vielleicht in dem konstitutionellen Systeme der Bienen, dessen Schablonen so ausgebildet, dessen Paragraphenzellen so stabil sind, daß die ganze Staatsmaschine sich gleichsam von selbst regiert. Die Bienenkönigin kann keine Regierungshandlungen ausüben – sie ist auch bornirt genug in ihrem Gehirne, eine solche Ausübung gar nicht zu wollen. Sie will nicht regieren – sie will nur Herrscherin sein. Darauf richtet sie ihr alleiniges Streben, und gerade deßhalb wird sie geachtet und verehrt. Die Biene ist frei, sie gehorcht nur dem Gesetze, nicht ihrer Königin. Sie verehrt diese als Inbegriff, als verkörperte Spitze des Staates – aber sie nimmt durchaus keine Befehle von ihr an und ihre Person ist ihr vollkommen gleichgültig. Die Bienen, erzogen im konstitutionellen Prinzip, erwachsen in seiner Anwendung, haben die Abstraktion zwischen der Person der Königin und dem Prinzip der Herrscherin zur Vollendung und höchsten Ausbildung gebracht. Ohne Königin zerfällt ihr Staat, sie zerstreuen sich in Anarchie und individueller Wühlerei – im Uebrigen aber ist es ihnen vollkommen gleichgültig, ob ein Ei, ein Wurm,

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[73/0099] sämmtlicher regierenden Majestäten von den Gerichten geahndet werden, und wo jeder Zweifel an der hohen geistigen Vollkommenheit eines Herrschenden oder der Herrschenden überhaupt als solche Kollektivbeleidigung gelten könnte, eine unthunliche Sache sein – auch gehört dieß nicht in den Bereich unserer Forschung. Was gehen uns die Menschen und ihre herrschenden Majestäten an? Sie haben lange genug zum Gegenstand unserer zoologischen Forschungen in Frankfurt gedient – heute haben wir es nur mit den Bienen zu thun. Die Erklärung dieser Eigenthümlichkeit, daß die Dummheit regiert, findet sich vielleicht in dem konstitutionellen Systeme der Bienen, dessen Schablonen so ausgebildet, dessen Paragraphenzellen so stabil sind, daß die ganze Staatsmaschine sich gleichsam von selbst regiert. Die Bienenkönigin kann keine Regierungshandlungen ausüben – sie ist auch bornirt genug in ihrem Gehirne, eine solche Ausübung gar nicht zu wollen. Sie will nicht regieren – sie will nur Herrscherin sein. Darauf richtet sie ihr alleiniges Streben, und gerade deßhalb wird sie geachtet und verehrt. Die Biene ist frei, sie gehorcht nur dem Gesetze, nicht ihrer Königin. Sie verehrt diese als Inbegriff, als verkörperte Spitze des Staates – aber sie nimmt durchaus keine Befehle von ihr an und ihre Person ist ihr vollkommen gleichgültig. Die Bienen, erzogen im konstitutionellen Prinzip, erwachsen in seiner Anwendung, haben die Abstraktion zwischen der Person der Königin und dem Prinzip der Herrscherin zur Vollendung und höchsten Ausbildung gebracht. Ohne Königin zerfällt ihr Staat, sie zerstreuen sich in Anarchie und individueller Wühlerei – im Uebrigen aber ist es ihnen vollkommen gleichgültig, ob ein Ei, ein Wurm,

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Untersuchungen über Thierstaaten. Frankfurt (Main), 1851, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_thierstaaten_1851/99>, abgerufen am 23.11.2024.