Vogt, Carl: Untersuchungen über Thierstaaten. Frankfurt (Main), 1851.ehe die faulen Drohnen die Wolke sehen, entladet sich das Gewitter auf ihre Häupter! Sobald die ersten Waben im Stocke angelegt, die ersten Zellen gebaut sind, beginnt die Königin ihr eigentliches Geschäft. Sie zeigt sich nun als Landesmutter, als wahrer alleiniger Kollektivbegriff des ganzen Volkes. Ich sagte schon oben, daß sie in Wahrheit jener herrlichen Definition des Monarchen durch den berühmten Philosophen und Rechtsgelehrten Keller aus Zürich entspricht, wonach der König eigentlich das verkörperte Volk, das Volk aber nur der zerstreute, in unendliche Individuen aufgelöste Monarch ist. Das Heer von Individuen mit ihren Einzelwillen läßt sich selten in Uebereinstimmung bringen, aber diese Einzelwillen concentriren sich in dem Gesammtwillen des Herrschers und werden so in einen einzigen Kopf zusammengezogen. Heil diesem einzig wahren, konstitutionellen Gedanken, den Keller sicherlich dem Bienenstaate entnommen hat. Recht muß doch Recht bleiben, sagt Vincke; - Wahrheit muß doch Wahrheit sein. Aber was ist Wahrheit? fragte Pilatus. Im Bienenstaate ist konstitutionelle Wahrheit! Die Bienenkönigin ist in Wahrheit der Inbegriff des ganzen Volkes, denn sie trägt es mit sich im Leibe herum! Sie allein legt die Eier, aus denen das ganze Volk, später Königinnen, Drohnen und Arbeiterbienen entstehen. Der wahre Beruf der konstitutionellen Königin ist, wie schon Ruge es so wahr hervorhob, Nachfolger zu erzeugen, und wir sehen, daß die hohen Herrscherinnen solcher Länder, welche ein wahrhaft konstitutionelles Regiment haben, wie England und Portugal, sich auch in der That dieser Regentenpflicht in erfreulichem Grade befleißigen. Das hohe Urbild freilich, welches in der konstitutionellen Bienenkönigin aufgestellt ist, ehe die faulen Drohnen die Wolke sehen, entladet sich das Gewitter auf ihre Häupter! Sobald die ersten Waben im Stocke angelegt, die ersten Zellen gebaut sind, beginnt die Königin ihr eigentliches Geschäft. Sie zeigt sich nun als Landesmutter, als wahrer alleiniger Kollektivbegriff des ganzen Volkes. Ich sagte schon oben, daß sie in Wahrheit jener herrlichen Definition des Monarchen durch den berühmten Philosophen und Rechtsgelehrten Keller aus Zürich entspricht, wonach der König eigentlich das verkörperte Volk, das Volk aber nur der zerstreute, in unendliche Individuen aufgelöste Monarch ist. Das Heer von Individuen mit ihren Einzelwillen läßt sich selten in Uebereinstimmung bringen, aber diese Einzelwillen concentriren sich in dem Gesammtwillen des Herrschers und werden so in einen einzigen Kopf zusammengezogen. Heil diesem einzig wahren, konstitutionellen Gedanken, den Keller sicherlich dem Bienenstaate entnommen hat. Recht muß doch Recht bleiben, sagt Vincke; – Wahrheit muß doch Wahrheit sein. Aber was ist Wahrheit? fragte Pilatus. Im Bienenstaate ist konstitutionelle Wahrheit! Die Bienenkönigin ist in Wahrheit der Inbegriff des ganzen Volkes, denn sie trägt es mit sich im Leibe herum! Sie allein legt die Eier, aus denen das ganze Volk, später Königinnen, Drohnen und Arbeiterbienen entstehen. Der wahre Beruf der konstitutionellen Königin ist, wie schon Ruge es so wahr hervorhob, Nachfolger zu erzeugen, und wir sehen, daß die hohen Herrscherinnen solcher Länder, welche ein wahrhaft konstitutionelles Regiment haben, wie England und Portugal, sich auch in der That dieser Regentenpflicht in erfreulichem Grade befleißigen. Das hohe Urbild freilich, welches in der konstitutionellen Bienenkönigin aufgestellt ist, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0092" n="66"/> ehe die faulen Drohnen die Wolke sehen, entladet sich das Gewitter auf ihre Häupter!</p> <p>Sobald die ersten Waben im Stocke angelegt, die ersten Zellen gebaut sind, beginnt die Königin ihr eigentliches Geschäft. Sie zeigt sich nun als Landesmutter, als wahrer alleiniger Kollektivbegriff des ganzen Volkes. Ich sagte schon oben, daß sie in Wahrheit jener herrlichen Definition des Monarchen durch den berühmten Philosophen und Rechtsgelehrten Keller aus Zürich entspricht, wonach der König eigentlich das verkörperte Volk, das Volk aber nur der zerstreute, in unendliche Individuen aufgelöste Monarch ist. Das Heer von Individuen mit ihren Einzelwillen läßt sich selten in Uebereinstimmung bringen, aber diese Einzelwillen concentriren sich in dem Gesammtwillen des Herrschers und werden so in einen einzigen Kopf zusammengezogen. Heil diesem einzig wahren, konstitutionellen Gedanken, den Keller sicherlich dem Bienenstaate entnommen hat. Recht muß doch Recht bleiben, sagt Vincke; – Wahrheit muß doch Wahrheit sein. Aber was ist Wahrheit? fragte Pilatus. Im Bienenstaate ist konstitutionelle Wahrheit! Die Bienenkönigin ist in Wahrheit der Inbegriff des ganzen Volkes, denn sie trägt es mit sich im Leibe herum! Sie allein legt die Eier, aus denen das ganze Volk, später Königinnen, Drohnen und Arbeiterbienen entstehen. Der wahre Beruf der konstitutionellen Königin ist, wie schon Ruge es so wahr hervorhob, Nachfolger zu erzeugen, und wir sehen, daß die hohen Herrscherinnen solcher Länder, welche ein wahrhaft konstitutionelles Regiment haben, wie England und Portugal, sich auch in der That dieser Regentenpflicht in erfreulichem Grade befleißigen. Das hohe Urbild freilich, welches in der konstitutionellen Bienenkönigin aufgestellt ist, </p> </div> </body> </text> </TEI> [66/0092]
ehe die faulen Drohnen die Wolke sehen, entladet sich das Gewitter auf ihre Häupter!
Sobald die ersten Waben im Stocke angelegt, die ersten Zellen gebaut sind, beginnt die Königin ihr eigentliches Geschäft. Sie zeigt sich nun als Landesmutter, als wahrer alleiniger Kollektivbegriff des ganzen Volkes. Ich sagte schon oben, daß sie in Wahrheit jener herrlichen Definition des Monarchen durch den berühmten Philosophen und Rechtsgelehrten Keller aus Zürich entspricht, wonach der König eigentlich das verkörperte Volk, das Volk aber nur der zerstreute, in unendliche Individuen aufgelöste Monarch ist. Das Heer von Individuen mit ihren Einzelwillen läßt sich selten in Uebereinstimmung bringen, aber diese Einzelwillen concentriren sich in dem Gesammtwillen des Herrschers und werden so in einen einzigen Kopf zusammengezogen. Heil diesem einzig wahren, konstitutionellen Gedanken, den Keller sicherlich dem Bienenstaate entnommen hat. Recht muß doch Recht bleiben, sagt Vincke; – Wahrheit muß doch Wahrheit sein. Aber was ist Wahrheit? fragte Pilatus. Im Bienenstaate ist konstitutionelle Wahrheit! Die Bienenkönigin ist in Wahrheit der Inbegriff des ganzen Volkes, denn sie trägt es mit sich im Leibe herum! Sie allein legt die Eier, aus denen das ganze Volk, später Königinnen, Drohnen und Arbeiterbienen entstehen. Der wahre Beruf der konstitutionellen Königin ist, wie schon Ruge es so wahr hervorhob, Nachfolger zu erzeugen, und wir sehen, daß die hohen Herrscherinnen solcher Länder, welche ein wahrhaft konstitutionelles Regiment haben, wie England und Portugal, sich auch in der That dieser Regentenpflicht in erfreulichem Grade befleißigen. Das hohe Urbild freilich, welches in der konstitutionellen Bienenkönigin aufgestellt ist,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_thierstaaten_1851 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_thierstaaten_1851/92 |
Zitationshilfe: | Vogt, Carl: Untersuchungen über Thierstaaten. Frankfurt (Main), 1851, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_thierstaaten_1851/92>, abgerufen am 27.07.2024. |