Vogt, Carl: Untersuchungen über Thierstaaten. Frankfurt (Main), 1851.
zitternden Lippen drücken können. Erlöst aus diesem Pfuhle, den die stagnirende Wissenschaft unter dem Namen einer Universität zur Hegung ihrer Kaulquappen und Regenwürmer sich ausgegraben hat; erlöst aus diesem Sumpfe, Kammer genannt, aus dem die Staatsweisheit unserer Zeit die faulen Gase hervorlockt, welche an der Oberfläche mit Gestank platzen und das Land umher verpesten. Erlöst! Erlöst! Mir selbst wiedergegeben, meinem freien Willen und meiner unumschränkten Selbstherrschaft! Befreit von jenem klebenden Leime, der jeden Flügelschlag meiner Seele lähmte und mich festhielt an den verdammten Mistelruthen, die jede Bewegung einschläfern und das lebendige Wachen in träumerischen Halbschlaf einlullen. Erlöst! Und durch wen? O braver Jaup, wie dankbar hab' ich damals dein gedacht! Ich sah die Berge wieder, die mir eine zweite Heimath geworden sind. An ihrem Fuße, unter schattigen Reblauben, an dem Gelände des stillen See's, harrten wir, des traurigen Endes bewußt, der Todesstunde der ungarischen Republik entgegen. Konnte etwas unseren Schmerz lindern, unsere Hoffnung erheben, so war es diese ruhige Natur, deren Schönheiten in stets neuen Reizen sich vor unseren Augen enthüllten. Wenn wir von mühselig erklommenen Gipfeln unsere Blicke herabschweifen ließen über die dunkeln Tannenwälder, die grünen Matten, die blauen See'n, bis weit hinaus in die Ferne, wo unter drückenden Nebeln und dumpfen Wolken Deutschland des Sonnenstrahles harrt, der ihm neues Leben bringen soll; wenn wir hinüber jauchzten in die Klüfte der Felsen und in die zitternden Lippen drücken können. Erlöst aus diesem Pfuhle, den die stagnirende Wissenschaft unter dem Namen einer Universität zur Hegung ihrer Kaulquappen und Regenwürmer sich ausgegraben hat; erlöst aus diesem Sumpfe, Kammer genannt, aus dem die Staatsweisheit unserer Zeit die faulen Gase hervorlockt, welche an der Oberfläche mit Gestank platzen und das Land umher verpesten. Erlöst! Erlöst! Mir selbst wiedergegeben, meinem freien Willen und meiner unumschränkten Selbstherrschaft! Befreit von jenem klebenden Leime, der jeden Flügelschlag meiner Seele lähmte und mich festhielt an den verdammten Mistelruthen, die jede Bewegung einschläfern und das lebendige Wachen in träumerischen Halbschlaf einlullen. Erlöst! Und durch wen? O braver Jaup, wie dankbar hab’ ich damals dein gedacht! Ich sah die Berge wieder, die mir eine zweite Heimath geworden sind. An ihrem Fuße, unter schattigen Reblauben, an dem Gelände des stillen See’s, harrten wir, des traurigen Endes bewußt, der Todesstunde der ungarischen Republik entgegen. Konnte etwas unseren Schmerz lindern, unsere Hoffnung erheben, so war es diese ruhige Natur, deren Schönheiten in stets neuen Reizen sich vor unseren Augen enthüllten. Wenn wir von mühselig erklommenen Gipfeln unsere Blicke herabschweifen ließen über die dunkeln Tannenwälder, die grünen Matten, die blauen See’n, bis weit hinaus in die Ferne, wo unter drückenden Nebeln und dumpfen Wolken Deutschland des Sonnenstrahles harrt, der ihm neues Leben bringen soll; wenn wir hinüber jauchzten in die Klüfte der Felsen und in die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0195" n="165"/> zitternden Lippen drücken können. Erlöst aus diesem Pfuhle, den die stagnirende Wissenschaft unter dem Namen einer Universität zur Hegung ihrer Kaulquappen und Regenwürmer sich ausgegraben hat; erlöst aus diesem Sumpfe, Kammer genannt, aus dem die Staatsweisheit unserer Zeit die faulen Gase hervorlockt, welche an der Oberfläche mit Gestank platzen und das Land umher verpesten. Erlöst! Erlöst! Mir selbst wiedergegeben, meinem freien Willen und meiner unumschränkten Selbstherrschaft! Befreit von jenem klebenden Leime, der jeden Flügelschlag meiner Seele lähmte und mich festhielt an den verdammten Mistelruthen, die jede Bewegung einschläfern und das lebendige Wachen in träumerischen Halbschlaf einlullen. Erlöst! Und durch wen?</p> <p rendition="#c"> <hi rendition="#g">O braver Jaup, wie dankbar hab’ ich damals dein gedacht!</hi> </p> <p>Ich sah die Berge wieder, die mir eine zweite Heimath geworden sind. An ihrem Fuße, unter schattigen Reblauben, an dem Gelände des stillen See’s, harrten wir, des traurigen Endes bewußt, der Todesstunde der ungarischen Republik entgegen. Konnte etwas unseren Schmerz lindern, unsere Hoffnung erheben, so war es diese ruhige Natur, deren Schönheiten in stets neuen Reizen sich vor unseren Augen enthüllten. Wenn wir von mühselig erklommenen Gipfeln unsere Blicke herabschweifen ließen über die dunkeln Tannenwälder, die grünen Matten, die blauen See’n, bis weit hinaus in die Ferne, wo unter drückenden Nebeln und dumpfen Wolken Deutschland des Sonnenstrahles harrt, der ihm neues Leben bringen soll; wenn wir hinüber jauchzten in die Klüfte der Felsen und in die </p> </div> </body> </text> </TEI> [165/0195]
zitternden Lippen drücken können. Erlöst aus diesem Pfuhle, den die stagnirende Wissenschaft unter dem Namen einer Universität zur Hegung ihrer Kaulquappen und Regenwürmer sich ausgegraben hat; erlöst aus diesem Sumpfe, Kammer genannt, aus dem die Staatsweisheit unserer Zeit die faulen Gase hervorlockt, welche an der Oberfläche mit Gestank platzen und das Land umher verpesten. Erlöst! Erlöst! Mir selbst wiedergegeben, meinem freien Willen und meiner unumschränkten Selbstherrschaft! Befreit von jenem klebenden Leime, der jeden Flügelschlag meiner Seele lähmte und mich festhielt an den verdammten Mistelruthen, die jede Bewegung einschläfern und das lebendige Wachen in träumerischen Halbschlaf einlullen. Erlöst! Und durch wen?
O braver Jaup, wie dankbar hab’ ich damals dein gedacht!
Ich sah die Berge wieder, die mir eine zweite Heimath geworden sind. An ihrem Fuße, unter schattigen Reblauben, an dem Gelände des stillen See’s, harrten wir, des traurigen Endes bewußt, der Todesstunde der ungarischen Republik entgegen. Konnte etwas unseren Schmerz lindern, unsere Hoffnung erheben, so war es diese ruhige Natur, deren Schönheiten in stets neuen Reizen sich vor unseren Augen enthüllten. Wenn wir von mühselig erklommenen Gipfeln unsere Blicke herabschweifen ließen über die dunkeln Tannenwälder, die grünen Matten, die blauen See’n, bis weit hinaus in die Ferne, wo unter drückenden Nebeln und dumpfen Wolken Deutschland des Sonnenstrahles harrt, der ihm neues Leben bringen soll; wenn wir hinüber jauchzten in die Klüfte der Felsen und in die
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| Zitationshilfe: | Vogt, Carl: Untersuchungen über Thierstaaten. Frankfurt (Main), 1851, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_thierstaaten_1851/195>, abgerufen am 23.11.2024. |
