Vogt, Carl: Untersuchungen über Thierstaaten. Frankfurt (Main), 1851.Judenkirsche, wie Riesser, kein tugendhaft-ehrliches Residenz-Schlehengestrüppe, wie Reh? Du hättest hinranken können nach jener Tribüne, die in Erfurt errichtet ward, du hättest sie umstricken können mit liebeweichen Armen, sie überziehen mit blonden Ausläufern, sie vertheidigen mit deinen Stacheln gegen die Profanen, welche sie entweiht, die Schwarzweißen, welche sie begeifert, die Manteuffels, welche sie mißbraucht, die besten Männer, welche sie entehrt haben! Wehe, daß auch diese Tribüne sinken mußte, bevor du deinem gepreßten Herzen darauf Luft machen konntest! Wie würde dein Ausruf "Gott mit uns und Deutschland über Alles," jene Gerlach's und Stahl's, jene Manteuffel's und Radowitz's zu unwillkürlicher Begeisterung hingerissen haben! Wehe, daß "der Wind des Verraths" über dein germanisches Urfeuer hingeweht hat, so daß es nur noch unter dem schützenden Scheffel deines blonden Ich glüht und nicht auf einer Tribüne in falschem Lichte glänzen konnte. Jetzt stehst du da, eine einsame Kastanie - du hast vergebens deine versöhnungsbedürftigen Zweige nach allen Seiten um eine Wahl ausgestreckt - sie verästelten sich nur in der leeren Luft, ohne jene starken Festungsmauern erreichen zu können, die dir eine neue Stütze, dem deutschen Volk einen neuen Trost gewährt hätten. - Verwöhntes Volk, das keine Kastanien will! O Venedey, kennst du das alte Lied: Wo ist ein König ohne Land? Wo ist ein Wasser ohne Sand? Die Antwort lautet: Der König in den Karten, der hat kein Land,
Das Wasser in den Augen hat keinen Sand! Judenkirsche, wie Riesser, kein tugendhaft-ehrliches Residenz-Schlehengestrüppe, wie Reh? Du hättest hinranken können nach jener Tribüne, die in Erfurt errichtet ward, du hättest sie umstricken können mit liebeweichen Armen, sie überziehen mit blonden Ausläufern, sie vertheidigen mit deinen Stacheln gegen die Profanen, welche sie entweiht, die Schwarzweißen, welche sie begeifert, die Manteuffels, welche sie mißbraucht, die besten Männer, welche sie entehrt haben! Wehe, daß auch diese Tribüne sinken mußte, bevor du deinem gepreßten Herzen darauf Luft machen konntest! Wie würde dein Ausruf „Gott mit uns und Deutschland über Alles,“ jene Gerlach’s und Stahl’s, jene Manteuffel’s und Radowitz’s zu unwillkürlicher Begeisterung hingerissen haben! Wehe, daß „der Wind des Verraths“ über dein germanisches Urfeuer hingeweht hat, so daß es nur noch unter dem schützenden Scheffel deines blonden Ich glüht und nicht auf einer Tribüne in falschem Lichte glänzen konnte. Jetzt stehst du da, eine einsame Kastanie – du hast vergebens deine versöhnungsbedürftigen Zweige nach allen Seiten um eine Wahl ausgestreckt – sie verästelten sich nur in der leeren Luft, ohne jene starken Festungsmauern erreichen zu können, die dir eine neue Stütze, dem deutschen Volk einen neuen Trost gewährt hätten. – Verwöhntes Volk, das keine Kastanien will! O Venedey, kennst du das alte Lied: Wo ist ein König ohne Land? Wo ist ein Wasser ohne Sand? Die Antwort lautet: Der König in den Karten, der hat kein Land,
Das Wasser in den Augen hat keinen Sand! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0149" n="121"/> Judenkirsche, wie Riesser, kein tugendhaft-ehrliches Residenz-Schlehengestrüppe, wie Reh? Du hättest hinranken können nach jener Tribüne, die in Erfurt errichtet ward, du hättest sie umstricken können mit liebeweichen Armen, sie überziehen mit blonden Ausläufern, sie vertheidigen mit deinen Stacheln gegen die Profanen, welche sie entweiht, die Schwarzweißen, welche sie begeifert, die Manteuffels, welche sie mißbraucht, die besten Männer, welche sie entehrt haben! Wehe, daß auch diese Tribüne sinken mußte, bevor du deinem gepreßten Herzen darauf Luft machen konntest! Wie würde dein Ausruf „Gott mit uns und Deutschland über Alles,“ jene Gerlach’s und Stahl’s, jene Manteuffel’s und Radowitz’s zu unwillkürlicher Begeisterung hingerissen haben! Wehe, daß „der Wind des Verraths“ über dein germanisches Urfeuer hingeweht hat, so daß es nur noch unter dem schützenden Scheffel deines blonden Ich glüht und nicht auf einer Tribüne in falschem Lichte glänzen konnte. Jetzt stehst du da, eine einsame Kastanie – du hast vergebens deine versöhnungsbedürftigen Zweige nach allen Seiten um eine Wahl ausgestreckt – sie verästelten sich nur in der leeren Luft, ohne jene starken Festungsmauern erreichen zu können, die dir eine neue Stütze, dem deutschen Volk einen neuen Trost gewährt hätten. – Verwöhntes Volk, das keine Kastanien will! O Venedey, kennst du das alte Lied:</p> <lg type="poem"> <l>Wo ist ein König ohne Land?</l><lb/> <l>Wo ist ein Wasser ohne Sand?</l><lb/> </lg> <p>Die Antwort lautet:</p> <lg type="poem"> <l>Der König in den Karten, der hat kein Land,</l><lb/> <l>Das Wasser in den Augen hat keinen Sand!</l><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [121/0149]
Judenkirsche, wie Riesser, kein tugendhaft-ehrliches Residenz-Schlehengestrüppe, wie Reh? Du hättest hinranken können nach jener Tribüne, die in Erfurt errichtet ward, du hättest sie umstricken können mit liebeweichen Armen, sie überziehen mit blonden Ausläufern, sie vertheidigen mit deinen Stacheln gegen die Profanen, welche sie entweiht, die Schwarzweißen, welche sie begeifert, die Manteuffels, welche sie mißbraucht, die besten Männer, welche sie entehrt haben! Wehe, daß auch diese Tribüne sinken mußte, bevor du deinem gepreßten Herzen darauf Luft machen konntest! Wie würde dein Ausruf „Gott mit uns und Deutschland über Alles,“ jene Gerlach’s und Stahl’s, jene Manteuffel’s und Radowitz’s zu unwillkürlicher Begeisterung hingerissen haben! Wehe, daß „der Wind des Verraths“ über dein germanisches Urfeuer hingeweht hat, so daß es nur noch unter dem schützenden Scheffel deines blonden Ich glüht und nicht auf einer Tribüne in falschem Lichte glänzen konnte. Jetzt stehst du da, eine einsame Kastanie – du hast vergebens deine versöhnungsbedürftigen Zweige nach allen Seiten um eine Wahl ausgestreckt – sie verästelten sich nur in der leeren Luft, ohne jene starken Festungsmauern erreichen zu können, die dir eine neue Stütze, dem deutschen Volk einen neuen Trost gewährt hätten. – Verwöhntes Volk, das keine Kastanien will! O Venedey, kennst du das alte Lied:
Wo ist ein König ohne Land?
Wo ist ein Wasser ohne Sand?
Die Antwort lautet:
Der König in den Karten, der hat kein Land,
Das Wasser in den Augen hat keinen Sand!
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Zitationshilfe: | Vogt, Carl: Untersuchungen über Thierstaaten. Frankfurt (Main), 1851, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_thierstaaten_1851/149>, abgerufen am 23.07.2024. |