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Vogt, Carl: Untersuchungen über Thierstaaten. Frankfurt (Main), 1851.

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den Republiken lebt der Schullehrer zufrieden, in den Monarchieen verhungert er; in den Republiken gebietet der Wille des Volkes, in den Monarchieen die Willkür der Regierung. Jeder aber sieht ein, daß das Letztere das Vorzüglichere sei, da nicht Alle gleichmäßig befähigt sind, das Wohl des Staates zu begreifen und zu fördern. Bei so vielem souveränem Unverstande, der sogar jetzt noch durch unbegreifliche Thaten der Opposition sich kund gibt, thun erleuchtete Regierungen noth, welche unbeirrt von der Volksmeinung ihren eigenen Weg gehen. Wer begreift nicht, daß Deutschland unrettbar verloren wäre, wenn es anders würde? Der Bienenstaat ist nicht maßgebend für die menschliche konstitutionelle Monarchie - lassen wir dem zweibeinigen Herren der Schöpfung seine Eigenthümlichkeit!

Lassen wir ihm die hungernden Invaliden der Arbeit, das Elend seiner Brüder, für die er kein Mitleiden kennt, lassen wir ihm seine schlesischen Weber, seine irischen Kartoffelesser und seine algierischen Kolonisten, lassen wir ihm als Eigenthümlichkeit die Tausende von Armen, die jährlich auf offenen Straßen verhungern, während ihre Mitmenschen bei geschlossenen Thüren schwelgen. Bei den Bienen keine Erscheinung dieser Art. Die Vorrathskammern des Staates sind für Jeden geöffnet, der Hunger hat; - jeder Arbeiter theilt dem andern brüderlich mit, und so lange noch Einer im ganzen Staate ist, der etwas besitzt, so lange besitzen Alle noch. Freilich gibt es Jahre, wo die Vorrathskammern nur schlecht gefüllt werden konnten und wo Hungersnoth einbricht - dann aber sind ihr auch Alle in gleichem Maße unterworfen, und wenn nicht Hülfe eintritt, so erliegt das ganze Volk dem großen gemeinsamen Unglücke. Wenn so die Hand des Geschickes sich schwer auf einen Bienenstaat

den Republiken lebt der Schullehrer zufrieden, in den Monarchieen verhungert er; in den Republiken gebietet der Wille des Volkes, in den Monarchieen die Willkür der Regierung. Jeder aber sieht ein, daß das Letztere das Vorzüglichere sei, da nicht Alle gleichmäßig befähigt sind, das Wohl des Staates zu begreifen und zu fördern. Bei so vielem souveränem Unverstande, der sogar jetzt noch durch unbegreifliche Thaten der Opposition sich kund gibt, thun erleuchtete Regierungen noth, welche unbeirrt von der Volksmeinung ihren eigenen Weg gehen. Wer begreift nicht, daß Deutschland unrettbar verloren wäre, wenn es anders würde? Der Bienenstaat ist nicht maßgebend für die menschliche konstitutionelle Monarchie – lassen wir dem zweibeinigen Herren der Schöpfung seine Eigenthümlichkeit!

Lassen wir ihm die hungernden Invaliden der Arbeit, das Elend seiner Brüder, für die er kein Mitleiden kennt, lassen wir ihm seine schlesischen Weber, seine irischen Kartoffelesser und seine algierischen Kolonisten, lassen wir ihm als Eigenthümlichkeit die Tausende von Armen, die jährlich auf offenen Straßen verhungern, während ihre Mitmenschen bei geschlossenen Thüren schwelgen. Bei den Bienen keine Erscheinung dieser Art. Die Vorrathskammern des Staates sind für Jeden geöffnet, der Hunger hat; – jeder Arbeiter theilt dem andern brüderlich mit, und so lange noch Einer im ganzen Staate ist, der etwas besitzt, so lange besitzen Alle noch. Freilich gibt es Jahre, wo die Vorrathskammern nur schlecht gefüllt werden konnten und wo Hungersnoth einbricht – dann aber sind ihr auch Alle in gleichem Maße unterworfen, und wenn nicht Hülfe eintritt, so erliegt das ganze Volk dem großen gemeinsamen Unglücke. Wenn so die Hand des Geschickes sich schwer auf einen Bienenstaat

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[87/0113] den Republiken lebt der Schullehrer zufrieden, in den Monarchieen verhungert er; in den Republiken gebietet der Wille des Volkes, in den Monarchieen die Willkür der Regierung. Jeder aber sieht ein, daß das Letztere das Vorzüglichere sei, da nicht Alle gleichmäßig befähigt sind, das Wohl des Staates zu begreifen und zu fördern. Bei so vielem souveränem Unverstande, der sogar jetzt noch durch unbegreifliche Thaten der Opposition sich kund gibt, thun erleuchtete Regierungen noth, welche unbeirrt von der Volksmeinung ihren eigenen Weg gehen. Wer begreift nicht, daß Deutschland unrettbar verloren wäre, wenn es anders würde? Der Bienenstaat ist nicht maßgebend für die menschliche konstitutionelle Monarchie – lassen wir dem zweibeinigen Herren der Schöpfung seine Eigenthümlichkeit! Lassen wir ihm die hungernden Invaliden der Arbeit, das Elend seiner Brüder, für die er kein Mitleiden kennt, lassen wir ihm seine schlesischen Weber, seine irischen Kartoffelesser und seine algierischen Kolonisten, lassen wir ihm als Eigenthümlichkeit die Tausende von Armen, die jährlich auf offenen Straßen verhungern, während ihre Mitmenschen bei geschlossenen Thüren schwelgen. Bei den Bienen keine Erscheinung dieser Art. Die Vorrathskammern des Staates sind für Jeden geöffnet, der Hunger hat; – jeder Arbeiter theilt dem andern brüderlich mit, und so lange noch Einer im ganzen Staate ist, der etwas besitzt, so lange besitzen Alle noch. Freilich gibt es Jahre, wo die Vorrathskammern nur schlecht gefüllt werden konnten und wo Hungersnoth einbricht – dann aber sind ihr auch Alle in gleichem Maße unterworfen, und wenn nicht Hülfe eintritt, so erliegt das ganze Volk dem großen gemeinsamen Unglücke. Wenn so die Hand des Geschickes sich schwer auf einen Bienenstaat

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Untersuchungen über Thierstaaten. Frankfurt (Main), 1851, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_thierstaaten_1851/113>, abgerufen am 05.05.2024.