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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851.

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um welchen sich die Stücke des Unterkiefers in ähnlicher Weise als
Deckplatten gebildet haben, wie die Deckplatten am Schädel um die
ursprüngliche Schädelkapsel.

Das Unterkiefergelenk gestattet fast immer nur eine einfache He-
belbewegung von unten nach oben und wird von einer Art Flügelthür
unter sich unbeweglicher Knochen getragen, die mit dem Gaumenbogen
zusammen fest verbunden, von beiden Seiten her die Mund- und Ra-
chenhöhle begrenzen und deren Erweiterung und Verengerung möglich
machen. Diese ganze Flügelthür, auf deren Außenseite sich die Kau-
muskeln festsetzen, ist gewöhnlich an drei Stellen eng mit dem Schädel
eingelenkt, nämlich vorn an der Schnauzenspitze durch das Gaumen-
bein, in der Mitte durch den Fortsatz des Querbeines an dem vorderen
Rande der Augenhöhle und hinten an dem Kamme der Schläfenschuppe
durch das hier beweglich gewordene Zitzenbein. Dieses Zitzenbein
(Os mastoideum 23) ist gewöhnlich in seiner unteren Hälfte gespalten
und bildet hierdurch zwei Arme, von welchen der eine mehr dem Zun-
genbogen, der andere dem Unterkieferbogen zugewandt ist. Nach vorn
setzt sich an diesen Knochen eine Platte, welche den Raum zwischen
ihm und dem Flügel- und Gaumenbeine einnimmt und die man den
Paukenknochen (Os tympanicum 27) nennen kann; nach vorn und
unten setzen sich dann an das Zitzenbein noch zwei Knochen fest, ein
kleinerer, meist von griffelförmiger Gestalt, der Hammerknochen
(Tympano-malleale 31), welcher aus der Verknöcherung des oberen
Stückes des Meckel'schen Knorpels hervorgegangen ist, und das Qua-
dratbein
(Os quadratum 26), welches das eigentliche Unterkiefer-
gelenk für sich allein bildet und in dessen oberem Ausschnitte das
Hammerbein gewöhnlich wie in einem Zapfen steckt. Bei den gewöhn-
lichen Knochenfischen findet sich an der hinteren Seite des auf diese
Weise von den angeführten Knochen gebildeten Flügels ein gewöhnlich
halbmondförmiger Knochen, welcher meistens oben von der Einlenkung
des Zitzenbeines an dem Schädel bis gegen das Unterkiefergelenk sich
hin erstreckt und mit einem Falze an den Rand des Zitzenbeines, des
Hammerbeines und des Quadratbeines eingelenkt ist. Dieser Knochen
ist der Vorderdeckel (Praeoperculum 30), ein für die Systematik
sehr bedeutsamer Knochen, weil er mit seinem freien Rande meist hinten
an der Wange hervorsteht und hier oft besondere Vorsprünge, Zähne-
lungen und Stacheln zeigt, die bei Familien, Gattungen und Arten
eine große Beständigkeit wahrnehmen lassen. Bei den Welsen und
überhaupt bei denjenigen Familien, wo das Gerüste, welches den Un-

um welchen ſich die Stücke des Unterkiefers in ähnlicher Weiſe als
Deckplatten gebildet haben, wie die Deckplatten am Schädel um die
urſprüngliche Schädelkapſel.

Das Unterkiefergelenk geſtattet faſt immer nur eine einfache He-
belbewegung von unten nach oben und wird von einer Art Flügelthür
unter ſich unbeweglicher Knochen getragen, die mit dem Gaumenbogen
zuſammen feſt verbunden, von beiden Seiten her die Mund- und Ra-
chenhöhle begrenzen und deren Erweiterung und Verengerung möglich
machen. Dieſe ganze Flügelthür, auf deren Außenſeite ſich die Kau-
muskeln feſtſetzen, iſt gewöhnlich an drei Stellen eng mit dem Schädel
eingelenkt, nämlich vorn an der Schnauzenſpitze durch das Gaumen-
bein, in der Mitte durch den Fortſatz des Querbeines an dem vorderen
Rande der Augenhöhle und hinten an dem Kamme der Schläfenſchuppe
durch das hier beweglich gewordene Zitzenbein. Dieſes Zitzenbein
(Os mastoïdeum 23) iſt gewöhnlich in ſeiner unteren Hälfte geſpalten
und bildet hierdurch zwei Arme, von welchen der eine mehr dem Zun-
genbogen, der andere dem Unterkieferbogen zugewandt iſt. Nach vorn
ſetzt ſich an dieſen Knochen eine Platte, welche den Raum zwiſchen
ihm und dem Flügel- und Gaumenbeine einnimmt und die man den
Paukenknochen (Os tympanicum 27) nennen kann; nach vorn und
unten ſetzen ſich dann an das Zitzenbein noch zwei Knochen feſt, ein
kleinerer, meiſt von griffelförmiger Geſtalt, der Hammerknochen
(Tympano-malleale 31), welcher aus der Verknöcherung des oberen
Stückes des Meckel’ſchen Knorpels hervorgegangen iſt, und das Qua-
dratbein
(Os quadratum 26), welches das eigentliche Unterkiefer-
gelenk für ſich allein bildet und in deſſen oberem Ausſchnitte das
Hammerbein gewöhnlich wie in einem Zapfen ſteckt. Bei den gewöhn-
lichen Knochenfiſchen findet ſich an der hinteren Seite des auf dieſe
Weiſe von den angeführten Knochen gebildeten Flügels ein gewöhnlich
halbmondförmiger Knochen, welcher meiſtens oben von der Einlenkung
des Zitzenbeines an dem Schädel bis gegen das Unterkiefergelenk ſich
hin erſtreckt und mit einem Falze an den Rand des Zitzenbeines, des
Hammerbeines und des Quadratbeines eingelenkt iſt. Dieſer Knochen
iſt der Vorderdeckel (Praeoperculum 30), ein für die Syſtematik
ſehr bedeutſamer Knochen, weil er mit ſeinem freien Rande meiſt hinten
an der Wange hervorſteht und hier oft beſondere Vorſprünge, Zähne-
lungen und Stacheln zeigt, die bei Familien, Gattungen und Arten
eine große Beſtändigkeit wahrnehmen laſſen. Bei den Welſen und
überhaupt bei denjenigen Familien, wo das Gerüſte, welches den Un-

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[56/0062] um welchen ſich die Stücke des Unterkiefers in ähnlicher Weiſe als Deckplatten gebildet haben, wie die Deckplatten am Schädel um die urſprüngliche Schädelkapſel. Das Unterkiefergelenk geſtattet faſt immer nur eine einfache He- belbewegung von unten nach oben und wird von einer Art Flügelthür unter ſich unbeweglicher Knochen getragen, die mit dem Gaumenbogen zuſammen feſt verbunden, von beiden Seiten her die Mund- und Ra- chenhöhle begrenzen und deren Erweiterung und Verengerung möglich machen. Dieſe ganze Flügelthür, auf deren Außenſeite ſich die Kau- muskeln feſtſetzen, iſt gewöhnlich an drei Stellen eng mit dem Schädel eingelenkt, nämlich vorn an der Schnauzenſpitze durch das Gaumen- bein, in der Mitte durch den Fortſatz des Querbeines an dem vorderen Rande der Augenhöhle und hinten an dem Kamme der Schläfenſchuppe durch das hier beweglich gewordene Zitzenbein. Dieſes Zitzenbein (Os mastoïdeum 23) iſt gewöhnlich in ſeiner unteren Hälfte geſpalten und bildet hierdurch zwei Arme, von welchen der eine mehr dem Zun- genbogen, der andere dem Unterkieferbogen zugewandt iſt. Nach vorn ſetzt ſich an dieſen Knochen eine Platte, welche den Raum zwiſchen ihm und dem Flügel- und Gaumenbeine einnimmt und die man den Paukenknochen (Os tympanicum 27) nennen kann; nach vorn und unten ſetzen ſich dann an das Zitzenbein noch zwei Knochen feſt, ein kleinerer, meiſt von griffelförmiger Geſtalt, der Hammerknochen (Tympano-malleale 31), welcher aus der Verknöcherung des oberen Stückes des Meckel’ſchen Knorpels hervorgegangen iſt, und das Qua- dratbein (Os quadratum 26), welches das eigentliche Unterkiefer- gelenk für ſich allein bildet und in deſſen oberem Ausſchnitte das Hammerbein gewöhnlich wie in einem Zapfen ſteckt. Bei den gewöhn- lichen Knochenfiſchen findet ſich an der hinteren Seite des auf dieſe Weiſe von den angeführten Knochen gebildeten Flügels ein gewöhnlich halbmondförmiger Knochen, welcher meiſtens oben von der Einlenkung des Zitzenbeines an dem Schädel bis gegen das Unterkiefergelenk ſich hin erſtreckt und mit einem Falze an den Rand des Zitzenbeines, des Hammerbeines und des Quadratbeines eingelenkt iſt. Dieſer Knochen iſt der Vorderdeckel (Praeoperculum 30), ein für die Syſtematik ſehr bedeutſamer Knochen, weil er mit ſeinem freien Rande meiſt hinten an der Wange hervorſteht und hier oft beſondere Vorſprünge, Zähne- lungen und Stacheln zeigt, die bei Familien, Gattungen und Arten eine große Beſtändigkeit wahrnehmen laſſen. Bei den Welſen und überhaupt bei denjenigen Familien, wo das Gerüſte, welches den Un-

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/62>, abgerufen am 28.04.2024.