Beweglichkeit und Farbe besonders geeignet sind, einer Gegend einen bestimmten Charakter aufzudrücken, daß namentlich bei den Insekten und Vögeln eine gewisse Abhängigkeit von der Vertheilung der Pflan- zen herrscht, welche theils unmittelbar theils mittelbar durch ihre Be- wohner beiden Thierklassen als nothwendige Bedingungen ihrer Exi- stenz gelten. Die Wiese zeigt andere Bewohner als der Wald und dieser wieder verschiedene Arten, je nach der Qualität seines Baum- bestandes; Sümpfe und Moräste andere, als trockene sandige oder gebirgige Gegenden. Nicht minder bemerkt man, daß diejenigen Arten, welche eine bedeutendere Körpergröße besitzen, in Beziehung zu der Fülle des Nahrungsmateriales stehen und daß deßhalb die größeren Fleischfresser am weitesten ausgedehnte Bezirke haben, in welchen sie nach Beute umherjagen. Der Bewohner einer kleinen Gegend kennt eben sowohl den Fuchsbau, als das einsame Gabelweihenpaar, welches zu bestimmter Stunde den Horst verläßt, um seine Nahrung zu suchen und der Sammler weiß sehr wohl, an welchem oft äußerst eng be- gränzten Flecke seiner Umgebung er sicher sein kann, diese oder jene Art zu finden, die sonst oft in der ganzen Umgegend nicht vorkommt.
Diese Verhältnisse erweitern sich, sobald man aus dem engen Kreise des Wohnortes heraustretend mehr in die Ferne schweift. Der Bewohner von bergigen Gegenden kann schon in wenigen Stunden, wie in der Pflanzen- so auch in der Thierwelt, eine totale Umän- derung finden. Wie die Wälder allmälig zusammenkrüppeln, die Ge- wächse mehr dem Boden sich nähern und endlich an der Gränze des ewigen Schnees nur eine höchst kümmerliche Vegetation von gänzlich verschiedenen Arten zusammengesetzt sich zeigt, so sieht man auch in der Thierwelt nach und nach die Arten der Ebene verschwinden und statt ihrer fremdartige Formen auftreten, welche den veränderten Le- bensbedingungen der höheren Regionen angepaßt sind. Es hält leicht die Umgestaltung des pflanzlichen und thierischen Lebens, welche sich hier zeigt, auf Rechnung der abnehmenden Wärme zu setzen, obgleich eine aufmerksamere Beobachtung zeigt, daß dies nicht der allgemeine Grund, wenn auch ein außerordentlich wirksamer sei.
Am auffallendsten endlich tritt diese Veränderung des thierischen Lebens auf der Erde hervor, wenn man über weite Flächen der Erde in horizontaler Richtung sich bewegt. Je weiter der Kreis der be- kannten Erde sich ausdehnte, desto mehr wurden die Entdecker neuer Länder von den ungewohnten Pflanzen- und Thierformen angeregt,
Beweglichkeit und Farbe beſonders geeignet ſind, einer Gegend einen beſtimmten Charakter aufzudrücken, daß namentlich bei den Inſekten und Vögeln eine gewiſſe Abhängigkeit von der Vertheilung der Pflan- zen herrſcht, welche theils unmittelbar theils mittelbar durch ihre Be- wohner beiden Thierklaſſen als nothwendige Bedingungen ihrer Exi- ſtenz gelten. Die Wieſe zeigt andere Bewohner als der Wald und dieſer wieder verſchiedene Arten, je nach der Qualität ſeines Baum- beſtandes; Sümpfe und Moräſte andere, als trockene ſandige oder gebirgige Gegenden. Nicht minder bemerkt man, daß diejenigen Arten, welche eine bedeutendere Körpergröße beſitzen, in Beziehung zu der Fülle des Nahrungsmateriales ſtehen und daß deßhalb die größeren Fleiſchfreſſer am weiteſten ausgedehnte Bezirke haben, in welchen ſie nach Beute umherjagen. Der Bewohner einer kleinen Gegend kennt eben ſowohl den Fuchsbau, als das einſame Gabelweihenpaar, welches zu beſtimmter Stunde den Horſt verläßt, um ſeine Nahrung zu ſuchen und der Sammler weiß ſehr wohl, an welchem oft äußerſt eng be- gränzten Flecke ſeiner Umgebung er ſicher ſein kann, dieſe oder jene Art zu finden, die ſonſt oft in der ganzen Umgegend nicht vorkommt.
Dieſe Verhältniſſe erweitern ſich, ſobald man aus dem engen Kreiſe des Wohnortes heraustretend mehr in die Ferne ſchweift. Der Bewohner von bergigen Gegenden kann ſchon in wenigen Stunden, wie in der Pflanzen- ſo auch in der Thierwelt, eine totale Umän- derung finden. Wie die Wälder allmälig zuſammenkrüppeln, die Ge- wächſe mehr dem Boden ſich nähern und endlich an der Gränze des ewigen Schnees nur eine höchſt kümmerliche Vegetation von gänzlich verſchiedenen Arten zuſammengeſetzt ſich zeigt, ſo ſieht man auch in der Thierwelt nach und nach die Arten der Ebene verſchwinden und ſtatt ihrer fremdartige Formen auftreten, welche den veränderten Le- bensbedingungen der höheren Regionen angepaßt ſind. Es hält leicht die Umgeſtaltung des pflanzlichen und thieriſchen Lebens, welche ſich hier zeigt, auf Rechnung der abnehmenden Wärme zu ſetzen, obgleich eine aufmerkſamere Beobachtung zeigt, daß dies nicht der allgemeine Grund, wenn auch ein außerordentlich wirkſamer ſei.
Am auffallendſten endlich tritt dieſe Veränderung des thieriſchen Lebens auf der Erde hervor, wenn man über weite Flächen der Erde in horizontaler Richtung ſich bewegt. Je weiter der Kreis der be- kannten Erde ſich ausdehnte, deſto mehr wurden die Entdecker neuer Länder von den ungewohnten Pflanzen- und Thierformen angeregt,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0578"n="572"/>
Beweglichkeit und Farbe beſonders geeignet ſind, einer Gegend einen<lb/>
beſtimmten Charakter aufzudrücken, daß namentlich bei den Inſekten<lb/>
und Vögeln eine gewiſſe Abhängigkeit von der Vertheilung der Pflan-<lb/>
zen herrſcht, welche theils unmittelbar theils mittelbar durch ihre Be-<lb/>
wohner beiden Thierklaſſen als nothwendige Bedingungen ihrer Exi-<lb/>ſtenz gelten. Die Wieſe zeigt andere Bewohner als der Wald und<lb/>
dieſer wieder verſchiedene Arten, je nach der Qualität ſeines Baum-<lb/>
beſtandes; Sümpfe und Moräſte andere, als trockene ſandige oder<lb/>
gebirgige Gegenden. Nicht minder bemerkt man, daß diejenigen Arten,<lb/>
welche eine bedeutendere Körpergröße beſitzen, in Beziehung zu der<lb/>
Fülle des Nahrungsmateriales ſtehen und daß deßhalb die größeren<lb/>
Fleiſchfreſſer am weiteſten ausgedehnte Bezirke haben, in welchen ſie<lb/>
nach Beute umherjagen. Der Bewohner einer kleinen Gegend kennt<lb/>
eben ſowohl den Fuchsbau, als das einſame Gabelweihenpaar, welches<lb/>
zu beſtimmter Stunde den Horſt verläßt, um ſeine Nahrung zu ſuchen<lb/>
und der Sammler weiß ſehr wohl, an welchem oft äußerſt eng be-<lb/>
gränzten Flecke ſeiner Umgebung er ſicher ſein kann, dieſe oder jene<lb/>
Art zu finden, die ſonſt oft in der ganzen Umgegend nicht vorkommt.</p><lb/><p>Dieſe Verhältniſſe erweitern ſich, ſobald man aus dem engen<lb/>
Kreiſe des Wohnortes heraustretend mehr in die Ferne ſchweift. Der<lb/>
Bewohner von bergigen Gegenden kann ſchon in wenigen Stunden,<lb/>
wie in der Pflanzen- ſo auch in der Thierwelt, eine totale Umän-<lb/>
derung finden. Wie die Wälder allmälig zuſammenkrüppeln, die Ge-<lb/>
wächſe mehr dem Boden ſich nähern und endlich an der Gränze des<lb/>
ewigen Schnees nur eine höchſt kümmerliche Vegetation von gänzlich<lb/>
verſchiedenen Arten zuſammengeſetzt ſich zeigt, ſo ſieht man auch in<lb/>
der Thierwelt nach und nach die Arten der Ebene verſchwinden und<lb/>ſtatt ihrer fremdartige Formen auftreten, welche den veränderten Le-<lb/>
bensbedingungen der höheren Regionen angepaßt ſind. Es hält leicht<lb/>
die Umgeſtaltung des pflanzlichen und thieriſchen Lebens, welche ſich<lb/>
hier zeigt, auf Rechnung der abnehmenden Wärme zu ſetzen, obgleich<lb/>
eine aufmerkſamere Beobachtung zeigt, daß dies nicht der allgemeine<lb/>
Grund, wenn auch ein außerordentlich wirkſamer ſei.</p><lb/><p>Am auffallendſten endlich tritt dieſe Veränderung des thieriſchen<lb/>
Lebens auf der Erde hervor, wenn man über weite Flächen der Erde<lb/>
in horizontaler Richtung ſich bewegt. Je weiter der Kreis der be-<lb/>
kannten Erde ſich ausdehnte, deſto mehr wurden die Entdecker neuer<lb/>
Länder von den ungewohnten Pflanzen- und Thierformen angeregt,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[572/0578]
Beweglichkeit und Farbe beſonders geeignet ſind, einer Gegend einen
beſtimmten Charakter aufzudrücken, daß namentlich bei den Inſekten
und Vögeln eine gewiſſe Abhängigkeit von der Vertheilung der Pflan-
zen herrſcht, welche theils unmittelbar theils mittelbar durch ihre Be-
wohner beiden Thierklaſſen als nothwendige Bedingungen ihrer Exi-
ſtenz gelten. Die Wieſe zeigt andere Bewohner als der Wald und
dieſer wieder verſchiedene Arten, je nach der Qualität ſeines Baum-
beſtandes; Sümpfe und Moräſte andere, als trockene ſandige oder
gebirgige Gegenden. Nicht minder bemerkt man, daß diejenigen Arten,
welche eine bedeutendere Körpergröße beſitzen, in Beziehung zu der
Fülle des Nahrungsmateriales ſtehen und daß deßhalb die größeren
Fleiſchfreſſer am weiteſten ausgedehnte Bezirke haben, in welchen ſie
nach Beute umherjagen. Der Bewohner einer kleinen Gegend kennt
eben ſowohl den Fuchsbau, als das einſame Gabelweihenpaar, welches
zu beſtimmter Stunde den Horſt verläßt, um ſeine Nahrung zu ſuchen
und der Sammler weiß ſehr wohl, an welchem oft äußerſt eng be-
gränzten Flecke ſeiner Umgebung er ſicher ſein kann, dieſe oder jene
Art zu finden, die ſonſt oft in der ganzen Umgegend nicht vorkommt.
Dieſe Verhältniſſe erweitern ſich, ſobald man aus dem engen
Kreiſe des Wohnortes heraustretend mehr in die Ferne ſchweift. Der
Bewohner von bergigen Gegenden kann ſchon in wenigen Stunden,
wie in der Pflanzen- ſo auch in der Thierwelt, eine totale Umän-
derung finden. Wie die Wälder allmälig zuſammenkrüppeln, die Ge-
wächſe mehr dem Boden ſich nähern und endlich an der Gränze des
ewigen Schnees nur eine höchſt kümmerliche Vegetation von gänzlich
verſchiedenen Arten zuſammengeſetzt ſich zeigt, ſo ſieht man auch in
der Thierwelt nach und nach die Arten der Ebene verſchwinden und
ſtatt ihrer fremdartige Formen auftreten, welche den veränderten Le-
bensbedingungen der höheren Regionen angepaßt ſind. Es hält leicht
die Umgeſtaltung des pflanzlichen und thieriſchen Lebens, welche ſich
hier zeigt, auf Rechnung der abnehmenden Wärme zu ſetzen, obgleich
eine aufmerkſamere Beobachtung zeigt, daß dies nicht der allgemeine
Grund, wenn auch ein außerordentlich wirkſamer ſei.
Am auffallendſten endlich tritt dieſe Veränderung des thieriſchen
Lebens auf der Erde hervor, wenn man über weite Flächen der Erde
in horizontaler Richtung ſich bewegt. Je weiter der Kreis der be-
kannten Erde ſich ausdehnte, deſto mehr wurden die Entdecker neuer
Länder von den ungewohnten Pflanzen- und Thierformen angeregt,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851, S. 572. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/578>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.