schaften unterscheiden sich dadurch, daß ihre Kiefer mehr zurückweichen, und die Schneidezähne eine gerade Stellung einnehmen. Hiermit steht denn auch die Verschönerung der übrigen Gesichtszüge im Zusammen- hang; die Stirn wird senkrecht, so daß der Gesichtswinkel oft nur wenig von einem rechten abweicht, die Nase erhebt sich, ihre Brücke wird schmäler, ihre Flügel rücken näher zusammen, die Augen öffnen sich weiter und verlieren ihre schiefe Stellung, der Mund wird wohl geformt, der Bart voll und dicht, die Ohrmuscheln kleiner und an- liegend, so daß wir gerade unter den Türken häufige Beispiele sehr edler und wohl geformter Gesichtszüge finden.
Aehnliche Verhältnisse finden sich bei der großen Rasse der Tschuden, welche ebenfalls ein mehr nomadisches Leben führen, zum größten Theil aber sich feste Wohnsitze erkoren hat, die indessen mehr nach dem Nordwesten des asiatischen Continentes und von da nach Europa sich hinüber erstrecken. In dieser Rasse, die man auch die Ugrer genannt hat, zeigt sich die meiste Hinneigung zu dem mongo- lischen Gesichtstypus, bei den Lappen, Finnen und Esthen im Norden Europa's, den Uralern und Samojeden im Nordwesten Asiens, während die Magyaren zu diesen Stammes- und Sprach- verwandten hinsichtlich ihrer physischen Ausbildung sich etwa in ähn- licher Weise verhalten, wie die Osmanli's des türkischen Reiches zu den Kalmucken der Steppe. Der Schädelbau der Finnen, der Lappen ist jetzt besonders genau bekannt und die typischen Eigenthümlichkeiten bis in die kleinsten Einzelheiten erforscht, so daß man nur wünschen muß, von allen übrigen Völkern ähnliche Beschreibungen zu haben.
Die Polarregionen Asiens, die von Samojeden, Korjäken, Kamtschadalen, Kurilen und vielen mehr untergeordneten Völ- kerschaften bemohnt werden, zeigen uns in diesen einen eigenen Ras- sentypus mit verwandten Sprachen, der den Mongolen sich am nächsten anschließt. Es sind im Durchschnitte verhältnißmäßig kleine, zartge- baute Menschen von rauchiger, wenn gleich weißer Hautfarbe, mit langem, straffem und grobem Haupthaare, breitem, plattem, fast rund- lichem Gesichte, kurzer, an der Wurzel breiter Nase, mit breiten, weit geöffneten Nasenflügeln, kleinen dunklen, aber geradgeschlitzten Augen und wenig gebogenen, sparsamen Augenbrauen; sie nähren sich wesent- lich von Fischen und Seehunden, kleiden sich nur in Felle und schließen sich am nächsten an die Polarbewohner Amerika's, an die Grön- länder und Eskimo's an.
ſchaften unterſcheiden ſich dadurch, daß ihre Kiefer mehr zurückweichen, und die Schneidezähne eine gerade Stellung einnehmen. Hiermit ſteht denn auch die Verſchönerung der übrigen Geſichtszüge im Zuſammen- hang; die Stirn wird ſenkrecht, ſo daß der Geſichtswinkel oft nur wenig von einem rechten abweicht, die Naſe erhebt ſich, ihre Brücke wird ſchmäler, ihre Flügel rücken näher zuſammen, die Augen öffnen ſich weiter und verlieren ihre ſchiefe Stellung, der Mund wird wohl geformt, der Bart voll und dicht, die Ohrmuſcheln kleiner und an- liegend, ſo daß wir gerade unter den Türken häufige Beiſpiele ſehr edler und wohl geformter Geſichtszüge finden.
Aehnliche Verhältniſſe finden ſich bei der großen Raſſe der Tſchuden, welche ebenfalls ein mehr nomadiſches Leben führen, zum größten Theil aber ſich feſte Wohnſitze erkoren hat, die indeſſen mehr nach dem Nordweſten des aſiatiſchen Continentes und von da nach Europa ſich hinüber erſtrecken. In dieſer Raſſe, die man auch die Ugrer genannt hat, zeigt ſich die meiſte Hinneigung zu dem mongo- liſchen Geſichtstypus, bei den Lappen, Finnen und Eſthen im Norden Europa’s, den Uralern und Samojeden im Nordweſten Aſiens, während die Magyaren zu dieſen Stammes- und Sprach- verwandten hinſichtlich ihrer phyſiſchen Ausbildung ſich etwa in ähn- licher Weiſe verhalten, wie die Osmanli’s des türkiſchen Reiches zu den Kalmucken der Steppe. Der Schädelbau der Finnen, der Lappen iſt jetzt beſonders genau bekannt und die typiſchen Eigenthümlichkeiten bis in die kleinſten Einzelheiten erforſcht, ſo daß man nur wünſchen muß, von allen übrigen Völkern ähnliche Beſchreibungen zu haben.
Die Polarregionen Aſiens, die von Samojeden, Korjäken, Kamtſchadalen, Kurilen und vielen mehr untergeordneten Völ- kerſchaften bemohnt werden, zeigen uns in dieſen einen eigenen Raſ- ſentypus mit verwandten Sprachen, der den Mongolen ſich am nächſten anſchließt. Es ſind im Durchſchnitte verhältnißmäßig kleine, zartge- baute Menſchen von rauchiger, wenn gleich weißer Hautfarbe, mit langem, ſtraffem und grobem Haupthaare, breitem, plattem, faſt rund- lichem Geſichte, kurzer, an der Wurzel breiter Naſe, mit breiten, weit geöffneten Naſenflügeln, kleinen dunklen, aber geradgeſchlitzten Augen und wenig gebogenen, ſparſamen Augenbrauen; ſie nähren ſich weſent- lich von Fiſchen und Seehunden, kleiden ſich nur in Felle und ſchließen ſich am nächſten an die Polarbewohner Amerika’s, an die Grön- länder und Eskimo’s an.
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wenig von einem rechten abweicht, die Naſe erhebt ſich, ihre Brücke
wird ſchmäler, ihre Flügel rücken näher zuſammen, die Augen öffnen
ſich weiter und verlieren ihre ſchiefe Stellung, der Mund wird wohl
geformt, der Bart voll und dicht, die Ohrmuſcheln kleiner und an-
liegend, ſo daß wir gerade unter den Türken häufige Beiſpiele ſehr
edler und wohl geformter Geſichtszüge finden.
Aehnliche Verhältniſſe finden ſich bei der großen Raſſe der
Tſchuden, welche ebenfalls ein mehr nomadiſches Leben führen, zum
größten Theil aber ſich feſte Wohnſitze erkoren hat, die indeſſen mehr
nach dem Nordweſten des aſiatiſchen Continentes und von da nach
Europa ſich hinüber erſtrecken. In dieſer Raſſe, die man auch die
Ugrer genannt hat, zeigt ſich die meiſte Hinneigung zu dem mongo-
liſchen Geſichtstypus, bei den Lappen, Finnen und Eſthen im
Norden Europa’s, den Uralern und Samojeden im Nordweſten
Aſiens, während die Magyaren zu dieſen Stammes- und Sprach-
verwandten hinſichtlich ihrer phyſiſchen Ausbildung ſich etwa in ähn-
licher Weiſe verhalten, wie die Osmanli’s des türkiſchen Reiches zu
den Kalmucken der Steppe. Der Schädelbau der Finnen, der Lappen
iſt jetzt beſonders genau bekannt und die typiſchen Eigenthümlichkeiten
bis in die kleinſten Einzelheiten erforſcht, ſo daß man nur wünſchen
muß, von allen übrigen Völkern ähnliche Beſchreibungen zu haben.
Die Polarregionen Aſiens, die von Samojeden, Korjäken,
Kamtſchadalen, Kurilen und vielen mehr untergeordneten Völ-
kerſchaften bemohnt werden, zeigen uns in dieſen einen eigenen Raſ-
ſentypus mit verwandten Sprachen, der den Mongolen ſich am nächſten
anſchließt. Es ſind im Durchſchnitte verhältnißmäßig kleine, zartge-
baute Menſchen von rauchiger, wenn gleich weißer Hautfarbe, mit
langem, ſtraffem und grobem Haupthaare, breitem, plattem, faſt rund-
lichem Geſichte, kurzer, an der Wurzel breiter Naſe, mit breiten, weit
geöffneten Naſenflügeln, kleinen dunklen, aber geradgeſchlitzten Augen
und wenig gebogenen, ſparſamen Augenbrauen; ſie nähren ſich weſent-
lich von Fiſchen und Seehunden, kleiden ſich nur in Felle und ſchließen
ſich am nächſten an die Polarbewohner Amerika’s, an die Grön-
länder und Eskimo’s an.
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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851, S. 565. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/571>, abgerufen am 22.11.2024.
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