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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851.

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wird die Richtigkeit dieses Maaßes dadurch getrübt, daß gerade in
der Stirngegend die beiden Platten der Schädelknochen oft sehr be-
deutend auseinander weichen, indem sie die sogenannten Stirnhöhlen,
Nebenhöhlen der Nase, in sich aufnehmen, wodurch der Gesichtswinkel
im Verhältnisse zu der Hirnentwickelung zu groß erscheint. Im All-

[Abbildung] Fig. 1289.

Fig. 1290.
Fig. 1289. Der Schädel eines jungen asiatischen Elephanten, der die Nähte
der Knochen noch zeigt. Letztere sind mit den gewöhnlichen Ziffern (s. S. 47.)
bezeichnet. 1 Thränenbein.
Fig 1290. Durchschnitt eines erwachsenen Schädels derselben Art, um
die inneren Höhlen zu zeigen. a Zellen der Stirnhöhlen, zwischen den beiden
Platten der Schädelknochen. b Höhle für das Gehirn, verhältnißmäßig klein.
c Gelenkhöcker des Hinterhauptes. d Hinterster noch unentwickelter Backzahn.
e Mittlerer, im Gebrauche stehender Backzahn. f Vorderster Backzahn, fast
gänzlich abgenutzt. g Stoßzahn. h Nasenöffnung. i Zwischenkiefer.

gemeinen aber läßt sich nicht läugnen, daß sogar unbewußt die Be-
ziehungen des Gesichtswinkels zu der Entwickelung der intellektuellen
Fähigkeiten anerkannt werden, indem man stets geneigt ist, Thieren mit
steil abfallender Stirnfläche, also mit größerem Gesichtswinkel, bedeu-
tendere Fähigkeiten zuzuschreiben, als solchen mit zurückweichendem
Obergesichte. Eben so ist dieß in die künstlerische Auffassung überge-
gangen und an dem Kopfe des olympischen Jupiters von Phidias,
der die höchste Entwickelung der Intelligenz darstellen sollte, ist der
Gesichtswinkel sogar um einige Grade über das Maaß eines rechten
Winkels hinaus geöffnet.


Vogt. Zoologische Briefe II. 25

wird die Richtigkeit dieſes Maaßes dadurch getrübt, daß gerade in
der Stirngegend die beiden Platten der Schädelknochen oft ſehr be-
deutend auseinander weichen, indem ſie die ſogenannten Stirnhöhlen,
Nebenhöhlen der Naſe, in ſich aufnehmen, wodurch der Geſichtswinkel
im Verhältniſſe zu der Hirnentwickelung zu groß erſcheint. Im All-

[Abbildung] Fig. 1289.

Fig. 1290.
Fig. 1289. Der Schädel eines jungen aſiatiſchen Elephanten, der die Nähte
der Knochen noch zeigt. Letztere ſind mit den gewöhnlichen Ziffern (ſ. S. 47.)
bezeichnet. 1 Thränenbein.
Fig 1290. Durchſchnitt eines erwachſenen Schädels derſelben Art, um
die inneren Höhlen zu zeigen. a Zellen der Stirnhöhlen, zwiſchen den beiden
Platten der Schädelknochen. b Höhle für das Gehirn, verhältnißmäßig klein.
c Gelenkhöcker des Hinterhauptes. d Hinterſter noch unentwickelter Backzahn.
e Mittlerer, im Gebrauche ſtehender Backzahn. f Vorderſter Backzahn, faſt
gänzlich abgenutzt. g Stoßzahn. h Naſenöffnung. i Zwiſchenkiefer.

gemeinen aber läßt ſich nicht läugnen, daß ſogar unbewußt die Be-
ziehungen des Geſichtswinkels zu der Entwickelung der intellektuellen
Fähigkeiten anerkannt werden, indem man ſtets geneigt iſt, Thieren mit
ſteil abfallender Stirnfläche, alſo mit größerem Geſichtswinkel, bedeu-
tendere Fähigkeiten zuzuſchreiben, als ſolchen mit zurückweichendem
Obergeſichte. Eben ſo iſt dieß in die künſtleriſche Auffaſſung überge-
gangen und an dem Kopfe des olympiſchen Jupiters von Phidias,
der die höchſte Entwickelung der Intelligenz darſtellen ſollte, iſt der
Geſichtswinkel ſogar um einige Grade über das Maaß eines rechten
Winkels hinaus geöffnet.


Vogt. Zoologiſche Briefe II. 25
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[385/0391] wird die Richtigkeit dieſes Maaßes dadurch getrübt, daß gerade in der Stirngegend die beiden Platten der Schädelknochen oft ſehr be- deutend auseinander weichen, indem ſie die ſogenannten Stirnhöhlen, Nebenhöhlen der Naſe, in ſich aufnehmen, wodurch der Geſichtswinkel im Verhältniſſe zu der Hirnentwickelung zu groß erſcheint. Im All- [Abbildung Fig. 1289. Fig. 1290. Fig. 1289. Der Schädel eines jungen aſiatiſchen Elephanten, der die Nähte der Knochen noch zeigt. Letztere ſind mit den gewöhnlichen Ziffern (ſ. S. 47.) bezeichnet. 1 Thränenbein. Fig 1290. Durchſchnitt eines erwachſenen Schädels derſelben Art, um die inneren Höhlen zu zeigen. a Zellen der Stirnhöhlen, zwiſchen den beiden Platten der Schädelknochen. b Höhle für das Gehirn, verhältnißmäßig klein. c Gelenkhöcker des Hinterhauptes. d Hinterſter noch unentwickelter Backzahn. e Mittlerer, im Gebrauche ſtehender Backzahn. f Vorderſter Backzahn, faſt gänzlich abgenutzt. g Stoßzahn. h Naſenöffnung. i Zwiſchenkiefer.] gemeinen aber läßt ſich nicht läugnen, daß ſogar unbewußt die Be- ziehungen des Geſichtswinkels zu der Entwickelung der intellektuellen Fähigkeiten anerkannt werden, indem man ſtets geneigt iſt, Thieren mit ſteil abfallender Stirnfläche, alſo mit größerem Geſichtswinkel, bedeu- tendere Fähigkeiten zuzuſchreiben, als ſolchen mit zurückweichendem Obergeſichte. Eben ſo iſt dieß in die künſtleriſche Auffaſſung überge- gangen und an dem Kopfe des olympiſchen Jupiters von Phidias, der die höchſte Entwickelung der Intelligenz darſtellen ſollte, iſt der Geſichtswinkel ſogar um einige Grade über das Maaß eines rechten Winkels hinaus geöffnet. Vogt. Zoologiſche Briefe II. 25

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/391>, abgerufen am 23.05.2024.