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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851.

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Sämmtliche Vögel dieser Ordnung leben vom Raube, die meisten
fangen lebende Wirbelthiere oder begnügen sich auch mit Aas und nur
die kleineren Arten suchen zuweilen in der Noth ihren Hunger mit
Insekten zu stillen. Das kunstlose, flache Nest, welches diese Vögel
meist auf Bäumen, Felsen oder in Mauerlöchern anbringen, enthält
gewöhnlich nur zwei, höchstens vier Eier, aus welchen die Jungen
in ziemlich unvollendeter Entwickelung nackt und blind auskriechen und
von den Alten lange Zeit gefüttert werden. Die Raubvögel leben
stets paarweise und meistens vereinzelt, so daß jedes Paar einen be-
stimmten Jagdbezirk hat, eine Regel, wovon nur einige, gewöhnlich
von Aas lebenden Gattungen eine Ausnahme machen. Das Gesicht
der Raubvögel ist ganz außerordentlich scharf; hoch in den Lüften
schwebend entdecken sie ihre Beute, auf die sie meistens mit rasender
Schnelligkeit herabstürzen oder stoßen; nur wenige Arten jagen förm-
lich im Fluge ihrer Beute nach. Man unterscheidet in dieser Ordnung
vor allen Dingen zwei Hauptgruppen: die Nachtraubvögel, mit
äußerst weichem, aufgedunsenem Gefieder, großen runden, nach vorn
gerichteten Augen, die Tags über schlafen und erst Nachts auf ihren
Raub ausgehen, und die weit zahlreicheren Tagraubvögel mit
seitlich gestellten Augen, unbedeckter Wachshaut und knapp anliegendem
straffem Gefieder, die nur Tags über jagen, die Nacht aber in ihrem
Neste schlafend zubringen. Bei beiden Gruppen ist der Unterschied
der Alten und Jungen in dem Federkleide oft sehr bedeutend und stets
das Weibchen bei weitem größer, kräftiger und auch grausamer, als
das Männchen.

Nachtraubvögel.
[Abbildung] Fig. 1251.

Der Kauz (Scops vulgaris).

Sie bilden die einzige Familie
der Eulen (Strigida), allgemein
bekannt durch die nächtliche Lebens-
art und die vielfachen Vorurtheile,
welche sich an ihre unheimliche Er-
scheinung geknüpft haben. Der
Kopf der Eulen ist ungemein groß
und seine Dimensionen werden noch
vergrößert durch die starke Befie-
derung, die sich über ihn, so wie
über den kurzen, gedrungenen Hals
erstreckt; die Augen sind groß, rund,

Sämmtliche Vögel dieſer Ordnung leben vom Raube, die meiſten
fangen lebende Wirbelthiere oder begnügen ſich auch mit Aas und nur
die kleineren Arten ſuchen zuweilen in der Noth ihren Hunger mit
Inſekten zu ſtillen. Das kunſtloſe, flache Neſt, welches dieſe Vögel
meiſt auf Bäumen, Felſen oder in Mauerlöchern anbringen, enthält
gewöhnlich nur zwei, höchſtens vier Eier, aus welchen die Jungen
in ziemlich unvollendeter Entwickelung nackt und blind auskriechen und
von den Alten lange Zeit gefüttert werden. Die Raubvögel leben
ſtets paarweiſe und meiſtens vereinzelt, ſo daß jedes Paar einen be-
ſtimmten Jagdbezirk hat, eine Regel, wovon nur einige, gewöhnlich
von Aas lebenden Gattungen eine Ausnahme machen. Das Geſicht
der Raubvögel iſt ganz außerordentlich ſcharf; hoch in den Lüften
ſchwebend entdecken ſie ihre Beute, auf die ſie meiſtens mit raſender
Schnelligkeit herabſtürzen oder ſtoßen; nur wenige Arten jagen förm-
lich im Fluge ihrer Beute nach. Man unterſcheidet in dieſer Ordnung
vor allen Dingen zwei Hauptgruppen: die Nachtraubvögel, mit
äußerſt weichem, aufgedunſenem Gefieder, großen runden, nach vorn
gerichteten Augen, die Tags über ſchlafen und erſt Nachts auf ihren
Raub ausgehen, und die weit zahlreicheren Tagraubvögel mit
ſeitlich geſtellten Augen, unbedeckter Wachshaut und knapp anliegendem
ſtraffem Gefieder, die nur Tags über jagen, die Nacht aber in ihrem
Neſte ſchlafend zubringen. Bei beiden Gruppen iſt der Unterſchied
der Alten und Jungen in dem Federkleide oft ſehr bedeutend und ſtets
das Weibchen bei weitem größer, kräftiger und auch grauſamer, als
das Männchen.

Nachtraubvögel.
[Abbildung] Fig. 1251.

Der Kauz (Scops vulgaris).

Sie bilden die einzige Familie
der Eulen (Strigida), allgemein
bekannt durch die nächtliche Lebens-
art und die vielfachen Vorurtheile,
welche ſich an ihre unheimliche Er-
ſcheinung geknüpft haben. Der
Kopf der Eulen iſt ungemein groß
und ſeine Dimenſionen werden noch
vergrößert durch die ſtarke Befie-
derung, die ſich über ihn, ſo wie
über den kurzen, gedrungenen Hals
erſtreckt; die Augen ſind groß, rund,

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[352/0358] Sämmtliche Vögel dieſer Ordnung leben vom Raube, die meiſten fangen lebende Wirbelthiere oder begnügen ſich auch mit Aas und nur die kleineren Arten ſuchen zuweilen in der Noth ihren Hunger mit Inſekten zu ſtillen. Das kunſtloſe, flache Neſt, welches dieſe Vögel meiſt auf Bäumen, Felſen oder in Mauerlöchern anbringen, enthält gewöhnlich nur zwei, höchſtens vier Eier, aus welchen die Jungen in ziemlich unvollendeter Entwickelung nackt und blind auskriechen und von den Alten lange Zeit gefüttert werden. Die Raubvögel leben ſtets paarweiſe und meiſtens vereinzelt, ſo daß jedes Paar einen be- ſtimmten Jagdbezirk hat, eine Regel, wovon nur einige, gewöhnlich von Aas lebenden Gattungen eine Ausnahme machen. Das Geſicht der Raubvögel iſt ganz außerordentlich ſcharf; hoch in den Lüften ſchwebend entdecken ſie ihre Beute, auf die ſie meiſtens mit raſender Schnelligkeit herabſtürzen oder ſtoßen; nur wenige Arten jagen förm- lich im Fluge ihrer Beute nach. Man unterſcheidet in dieſer Ordnung vor allen Dingen zwei Hauptgruppen: die Nachtraubvögel, mit äußerſt weichem, aufgedunſenem Gefieder, großen runden, nach vorn gerichteten Augen, die Tags über ſchlafen und erſt Nachts auf ihren Raub ausgehen, und die weit zahlreicheren Tagraubvögel mit ſeitlich geſtellten Augen, unbedeckter Wachshaut und knapp anliegendem ſtraffem Gefieder, die nur Tags über jagen, die Nacht aber in ihrem Neſte ſchlafend zubringen. Bei beiden Gruppen iſt der Unterſchied der Alten und Jungen in dem Federkleide oft ſehr bedeutend und ſtets das Weibchen bei weitem größer, kräftiger und auch grauſamer, als das Männchen. Nachtraubvögel. [Abbildung Fig. 1251. Der Kauz (Scops vulgaris). ] Sie bilden die einzige Familie der Eulen (Strigida), allgemein bekannt durch die nächtliche Lebens- art und die vielfachen Vorurtheile, welche ſich an ihre unheimliche Er- ſcheinung geknüpft haben. Der Kopf der Eulen iſt ungemein groß und ſeine Dimenſionen werden noch vergrößert durch die ſtarke Befie- derung, die ſich über ihn, ſo wie über den kurzen, gedrungenen Hals erſtreckt; die Augen ſind groß, rund,

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/358>, abgerufen am 23.11.2024.