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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851.

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Es erhebt sich nämlich von dem hinteren Körperende aus an der Stelle,
wo die Hinterfüße hervorsprossen, ein kleines birnförmiges Bläschen,
welches eine Ausstülpung der vorderen Darmwand darstellt und rasch
nach vorn wächst, indem es durch den von den Bauchwänden gebil-
deten Nabelring hindurchdringt und sich nun über dem Amnios nach
und nach ausbreitet. Dieser Harnsack wächst nun immer mehr und
mehr vor und lagert sich als ein weiter, mit Flüssigkeit gefüllter

[Abbildung] Fig. 1157. Fig. 1158. Fig. 1159.

Fig. 1157. Noch älteres Ei der Schildkröte. Der Harnsack liegt auf
dem mit parallelen Gefäßen ausgestatteten Dottersacke und läßt die Gränze der
Schafhaut und das Auge des Embryos durchscheinen. Fig. 1158. Der Em-
bryo von der Bauchseite, nachdem Schafhaut und Harnhaut abgeschnitten und
der Dotter entfernt ist. Fig. 1159. Derselbe Embryo von der Seite; Rücken-
und Bauchschild sind schon gebildet.

Beutel über den Embryo und dessen Schafhaut her, dieselbe nach und
nach gänzlich verdeckend. Während die Schafhaut gänzlich gefäßlos
ist, so hat diese Harnhaut im Gegentheile eine große Anzahl von
Gefäßverzweigungen, welche eigentlich das Athmen des Embryos ver-
mitteln. Sie bleibt bei den Reptilien, so wie bei den Vögeln bestän-
dig frei, während sie bei den Säugethieren wesentlich zur Bildung
des Mutterkuchens beiträgt.

Betrachten wir nun die Bildung der Organe des Embryo's im
Einzelnen, so zeigen sich wesentliche Abweichungen von den bekannten
Klassen der Fische und Lurche, weniger in dem Gehirne und den Sin-
nesorganen, als in dem Skelette und den übrigen Eingeweiden. In
der Bildung des Schädels wird eine wesentliche Verschiedenheit durch
die Existenz der erwähnten Kopfbeuge hervorgerufen. Auch hier findet
sich ein knorpeliger Urschädel, in dessen hinterem Theile das pfahlför-

Es erhebt ſich nämlich von dem hinteren Körperende aus an der Stelle,
wo die Hinterfüße hervorſproſſen, ein kleines birnförmiges Bläschen,
welches eine Ausſtülpung der vorderen Darmwand darſtellt und raſch
nach vorn wächſt, indem es durch den von den Bauchwänden gebil-
deten Nabelring hindurchdringt und ſich nun über dem Amnios nach
und nach ausbreitet. Dieſer Harnſack wächſt nun immer mehr und
mehr vor und lagert ſich als ein weiter, mit Flüſſigkeit gefüllter

[Abbildung] Fig. 1157. Fig. 1158. Fig. 1159.

Fig. 1157. Noch älteres Ei der Schildkröte. Der Harnſack liegt auf
dem mit parallelen Gefäßen ausgeſtatteten Dotterſacke und läßt die Gränze der
Schafhaut und das Auge des Embryos durchſcheinen. Fig. 1158. Der Em-
bryo von der Bauchſeite, nachdem Schafhaut und Harnhaut abgeſchnitten und
der Dotter entfernt iſt. Fig. 1159. Derſelbe Embryo von der Seite; Rücken-
und Bauchſchild ſind ſchon gebildet.

Beutel über den Embryo und deſſen Schafhaut her, dieſelbe nach und
nach gänzlich verdeckend. Während die Schafhaut gänzlich gefäßlos
iſt, ſo hat dieſe Harnhaut im Gegentheile eine große Anzahl von
Gefäßverzweigungen, welche eigentlich das Athmen des Embryos ver-
mitteln. Sie bleibt bei den Reptilien, ſo wie bei den Vögeln beſtän-
dig frei, während ſie bei den Säugethieren weſentlich zur Bildung
des Mutterkuchens beiträgt.

Betrachten wir nun die Bildung der Organe des Embryo’s im
Einzelnen, ſo zeigen ſich weſentliche Abweichungen von den bekannten
Klaſſen der Fiſche und Lurche, weniger in dem Gehirne und den Sin-
nesorganen, als in dem Skelette und den übrigen Eingeweiden. In
der Bildung des Schädels wird eine weſentliche Verſchiedenheit durch
die Exiſtenz der erwähnten Kopfbeuge hervorgerufen. Auch hier findet
ſich ein knorpeliger Urſchädel, in deſſen hinterem Theile das pfahlför-

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[246/0252] Es erhebt ſich nämlich von dem hinteren Körperende aus an der Stelle, wo die Hinterfüße hervorſproſſen, ein kleines birnförmiges Bläschen, welches eine Ausſtülpung der vorderen Darmwand darſtellt und raſch nach vorn wächſt, indem es durch den von den Bauchwänden gebil- deten Nabelring hindurchdringt und ſich nun über dem Amnios nach und nach ausbreitet. Dieſer Harnſack wächſt nun immer mehr und mehr vor und lagert ſich als ein weiter, mit Flüſſigkeit gefüllter [Abbildung Fig. 1157. Fig. 1158. Fig. 1159. Fig. 1157. Noch älteres Ei der Schildkröte. Der Harnſack liegt auf dem mit parallelen Gefäßen ausgeſtatteten Dotterſacke und läßt die Gränze der Schafhaut und das Auge des Embryos durchſcheinen. Fig. 1158. Der Em- bryo von der Bauchſeite, nachdem Schafhaut und Harnhaut abgeſchnitten und der Dotter entfernt iſt. Fig. 1159. Derſelbe Embryo von der Seite; Rücken- und Bauchſchild ſind ſchon gebildet.] Beutel über den Embryo und deſſen Schafhaut her, dieſelbe nach und nach gänzlich verdeckend. Während die Schafhaut gänzlich gefäßlos iſt, ſo hat dieſe Harnhaut im Gegentheile eine große Anzahl von Gefäßverzweigungen, welche eigentlich das Athmen des Embryos ver- mitteln. Sie bleibt bei den Reptilien, ſo wie bei den Vögeln beſtän- dig frei, während ſie bei den Säugethieren weſentlich zur Bildung des Mutterkuchens beiträgt. Betrachten wir nun die Bildung der Organe des Embryo’s im Einzelnen, ſo zeigen ſich weſentliche Abweichungen von den bekannten Klaſſen der Fiſche und Lurche, weniger in dem Gehirne und den Sin- nesorganen, als in dem Skelette und den übrigen Eingeweiden. In der Bildung des Schädels wird eine weſentliche Verſchiedenheit durch die Exiſtenz der erwähnten Kopfbeuge hervorgerufen. Auch hier findet ſich ein knorpeliger Urſchädel, in deſſen hinterem Theile das pfahlför-

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/252>, abgerufen am 09.06.2024.