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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851.

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nißmäßig nur wenige Lagerstätten fossiler Fische vorhanden sind, an-
derntheils diejenigen außer Europa kaum ausgebeutet sind. Nur so
viel kann man sagen, daß selbst noch in der Tertiärzeit die Repräsen-
tanten der Familien, welche jetzt nur südliche Meere bewohnen, weit
höher nach Norden hinaufgehen, so daß die tertiäre Fischfauna Lon-
don's etwa derjenigen des Mittelmeeres, die des Monte Bolca bei
Verona derjenigen der tropischen Meere entspricht. Eine zweite cha-
rakteristische Eigenthümlichkeit ist die, daß die alten Ganoiden unzwei-
felhaft das Meer bewohnten, während ihre jetzt lebenden Repräsentanten
auf das süße Wasser beschränkt sind.

Betrachtet man nun die Verhältnisse der einzelnen Geschichts-
epochen zu einander, so finden sich von den ältesten Belebungszeiten
der Erde, vom Uebergangsgebirge, dem alten rothen Sandsteine, der
Kohle an und weiter bis zum Jura mit eingeschlossen, nur Repräsen-
tanten zweier Ordnungen, der Knorpelfische und der Ganoiden; die
Untergruppen beider Ordnungen sind zahlreich vertreten. Bei den
Ganoiden herrschen anfangs die Familien mit knorpligem Skelette
vor -- die Schildköpfe (Cephalaspida) vertreten die Panzerganoiden
in dem Devonischen System und in der Kohle; die Kleinschupper
(Acanthodida), die Doppelflosser (Dipterida) sind gänzlich auf den alten
rothen Sandstein und die Kohle beschränkt, wo sie den Typus der
Eckschupper beginnen, während die Faltenschupper (Holoptychida) in
denselben Schichten die Rundschupper repräsentiren. In der Kohle
gesellen sich zu diesen Familien die Paläonisciden, welche bis zu dem
Salzgebirge bleiben, und die Zweiflosser (Coelacanthida), die sich bis
zur Kreide fortsetzen. In dem Permischen Systeme, im Kupferschiefer
tritt die Familie der Plattzähner (Pycnodontida) hinzu, die im Jura
ihre größte Ausbildung erreicht und selbst im Tertiärgebilde noch einige
Formen zeigt, jetzt aber ausgestorben ist. Unendlich ist der Reichthum
des Jura an Ganoiden -- Einzeiler und Zweizeiler, Heterocerke und
Homocerke, kommen hier massenhaft in die Erscheinung, und die
Rundschupper werden durch die Familie der Kahlhechte (Amida), die
Panzerganoiden durch die der Störe (Accipenserida) vervollständigt.
In der Kreide werden nur sehr wenige Ueberreste von allen drei Un-
terordnungen gefunden, noch weniger im Tertiärgebirge und wenn
auch die jetzige Schöpfung in den Flösselhechten den Typus einer
neuen Familie zeigt, so ist doch die Verarmung der mächtigen Ord-
nung seit dem Beginne der Kreideperiode in stets steigender Pro-
gression.


nißmäßig nur wenige Lagerſtätten foſſiler Fiſche vorhanden ſind, an-
derntheils diejenigen außer Europa kaum ausgebeutet ſind. Nur ſo
viel kann man ſagen, daß ſelbſt noch in der Tertiärzeit die Repräſen-
tanten der Familien, welche jetzt nur ſüdliche Meere bewohnen, weit
höher nach Norden hinaufgehen, ſo daß die tertiäre Fiſchfauna Lon-
don’s etwa derjenigen des Mittelmeeres, die des Monte Bolca bei
Verona derjenigen der tropiſchen Meere entſpricht. Eine zweite cha-
rakteriſtiſche Eigenthümlichkeit iſt die, daß die alten Ganoiden unzwei-
felhaft das Meer bewohnten, während ihre jetzt lebenden Repräſentanten
auf das ſüße Waſſer beſchränkt ſind.

Betrachtet man nun die Verhältniſſe der einzelnen Geſchichts-
epochen zu einander, ſo finden ſich von den älteſten Belebungszeiten
der Erde, vom Uebergangsgebirge, dem alten rothen Sandſteine, der
Kohle an und weiter bis zum Jura mit eingeſchloſſen, nur Repräſen-
tanten zweier Ordnungen, der Knorpelfiſche und der Ganoiden; die
Untergruppen beider Ordnungen ſind zahlreich vertreten. Bei den
Ganoiden herrſchen anfangs die Familien mit knorpligem Skelette
vor — die Schildköpfe (Cephalaspida) vertreten die Panzerganoiden
in dem Devoniſchen Syſtem und in der Kohle; die Kleinſchupper
(Acanthodida), die Doppelfloſſer (Dipterida) ſind gänzlich auf den alten
rothen Sandſtein und die Kohle beſchränkt, wo ſie den Typus der
Eckſchupper beginnen, während die Faltenſchupper (Holoptychida) in
denſelben Schichten die Rundſchupper repräſentiren. In der Kohle
geſellen ſich zu dieſen Familien die Paläonisciden, welche bis zu dem
Salzgebirge bleiben, und die Zweifloſſer (Coelacanthida), die ſich bis
zur Kreide fortſetzen. In dem Permiſchen Syſteme, im Kupferſchiefer
tritt die Familie der Plattzähner (Pycnodontida) hinzu, die im Jura
ihre größte Ausbildung erreicht und ſelbſt im Tertiärgebilde noch einige
Formen zeigt, jetzt aber ausgeſtorben iſt. Unendlich iſt der Reichthum
des Jura an Ganoiden — Einzeiler und Zweizeiler, Heterocerke und
Homocerke, kommen hier maſſenhaft in die Erſcheinung, und die
Rundſchupper werden durch die Familie der Kahlhechte (Amida), die
Panzerganoiden durch die der Störe (Accipenserida) vervollſtändigt.
In der Kreide werden nur ſehr wenige Ueberreſte von allen drei Un-
terordnungen gefunden, noch weniger im Tertiärgebirge und wenn
auch die jetzige Schöpfung in den Flöſſelhechten den Typus einer
neuen Familie zeigt, ſo iſt doch die Verarmung der mächtigen Ord-
nung ſeit dem Beginne der Kreideperiode in ſtets ſteigender Pro-
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[188/0194] nißmäßig nur wenige Lagerſtätten foſſiler Fiſche vorhanden ſind, an- derntheils diejenigen außer Europa kaum ausgebeutet ſind. Nur ſo viel kann man ſagen, daß ſelbſt noch in der Tertiärzeit die Repräſen- tanten der Familien, welche jetzt nur ſüdliche Meere bewohnen, weit höher nach Norden hinaufgehen, ſo daß die tertiäre Fiſchfauna Lon- don’s etwa derjenigen des Mittelmeeres, die des Monte Bolca bei Verona derjenigen der tropiſchen Meere entſpricht. Eine zweite cha- rakteriſtiſche Eigenthümlichkeit iſt die, daß die alten Ganoiden unzwei- felhaft das Meer bewohnten, während ihre jetzt lebenden Repräſentanten auf das ſüße Waſſer beſchränkt ſind. Betrachtet man nun die Verhältniſſe der einzelnen Geſchichts- epochen zu einander, ſo finden ſich von den älteſten Belebungszeiten der Erde, vom Uebergangsgebirge, dem alten rothen Sandſteine, der Kohle an und weiter bis zum Jura mit eingeſchloſſen, nur Repräſen- tanten zweier Ordnungen, der Knorpelfiſche und der Ganoiden; die Untergruppen beider Ordnungen ſind zahlreich vertreten. Bei den Ganoiden herrſchen anfangs die Familien mit knorpligem Skelette vor — die Schildköpfe (Cephalaspida) vertreten die Panzerganoiden in dem Devoniſchen Syſtem und in der Kohle; die Kleinſchupper (Acanthodida), die Doppelfloſſer (Dipterida) ſind gänzlich auf den alten rothen Sandſtein und die Kohle beſchränkt, wo ſie den Typus der Eckſchupper beginnen, während die Faltenſchupper (Holoptychida) in denſelben Schichten die Rundſchupper repräſentiren. In der Kohle geſellen ſich zu dieſen Familien die Paläonisciden, welche bis zu dem Salzgebirge bleiben, und die Zweifloſſer (Coelacanthida), die ſich bis zur Kreide fortſetzen. In dem Permiſchen Syſteme, im Kupferſchiefer tritt die Familie der Plattzähner (Pycnodontida) hinzu, die im Jura ihre größte Ausbildung erreicht und ſelbſt im Tertiärgebilde noch einige Formen zeigt, jetzt aber ausgeſtorben iſt. Unendlich iſt der Reichthum des Jura an Ganoiden — Einzeiler und Zweizeiler, Heterocerke und Homocerke, kommen hier maſſenhaft in die Erſcheinung, und die Rundſchupper werden durch die Familie der Kahlhechte (Amida), die Panzerganoiden durch die der Störe (Accipenserida) vervollſtändigt. In der Kreide werden nur ſehr wenige Ueberreſte von allen drei Un- terordnungen gefunden, noch weniger im Tertiärgebirge und wenn auch die jetzige Schöpfung in den Flöſſelhechten den Typus einer neuen Familie zeigt, ſo iſt doch die Verarmung der mächtigen Ord- nung ſeit dem Beginne der Kreideperiode in ſtets ſteigender Pro- greſſion.

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/194>, abgerufen am 24.11.2024.