Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851.

Bild:
<< vorherige Seite

Wand des Schlundes einmündet und die gewöhnlich glatt, zuweilen
aber von starken Muskelbündeln zellig durchzogen ist, so daß sie viele
Aehnlichkeit im äußeren Ansehen mit einer Amphibienlunge zeigt. Außer
den gewöhnlichen Kiemen kommt auf dem Kiemendeckel oft eine besondere
halbe Kieme vor, zu welcher zuweilen noch eine falsche Kieme (Pseudobran-
chie)
im Grunde der Kiemenhöhle und ein Spritzloch auf der oberen Fläche
des Kopfes hinzutritt; -- diese Kiemendeckelkieme, Pseudobranchie und
Spritzloch kommen indeß in so vielfachen, wechselseitigen Kombinationen
vor, daß diese Charaktere nicht als konstante bezeichnet werden können.
Dagegen findet sich ein sicheres Merkmal der Ordnung in dem Um-
stande, daß die Sehnerven sich nicht, wie bei den Knochenfischen, in
der Weise kreuzen, daß jeder in das Auge der entgegengesetzten Seite
geht, sondern daß, wie bei den Knorpelfischen, beide Sehnerven in der
Mittellinie zusammenkommen, dort mit den zugewandten Rändern ver-
schmelzen und so ein wahres Chiasma bilden, worauf jeder zu dem
Auge seiner Seite tritt. Eine andere Uebereinstimmung mit den Knor-
pelfischen findet sich in der Bildung der Geschlechtstheile bei den Weib-
chen, indem die Eierstöcke vollkommen abgeschlossen, die langen, gewun-
denen Eileiter aber sich mit einem offenen Trichter frei in die Unter-
leibshöhle in der Nähe des Eierstocksgekröses einmünden.

Die Hautbekleidung der Ganoiden war es zuerst, welche auf
ihren Unterschied von den gewöhnlichen Knochenfischen bei Betrachtung
der Fossilen hinleitete. Wir finden in derselben eine dreifache Ver-
schiedenheit, die, da sie auch mit anderen Organisationsverhältnissen
zusammenstimmt, zum wesentlichen Merkmale der Unterordnungen dienen
kann. Bei den Panzerganoiden (Loricata) ist die Haut entweder
ganz nackt oder mit großen Knochentafeln gepanzert, welche einzeln
in der Haut eingegraben liegen; bei den Eckschuppern (Rhombifera)
finden sich viereckige, dicke, dachziegelförmig in Reihen gestellte Kno-
chenschuppen, die auf ihrer Außenfläche mit einer Schmelzlage über-
gossen sind; bei den Rundschuppern (Cyclifera) endlich zeigen sich
runde, dachziegelförmig gestellte Schuppen in ähnlicher Weise gebildet,
wie bei den übrigen Knochenfischen.

Die Ordnung der Ganoiden, die sich nach den angegebenen Cha-
rakteren als eine eigenthümliche Mittelgruppe zwischen Knorpelfischen
und ächten Knochenfischen darstellt, zeigt eine äußerst merkwürdige
Geschichte durch die verschiedenen geologischen Epochen hindurch. Bis
gegen den Schluß der Juraperiode hin repräsentirt sie allein mit den

Wand des Schlundes einmündet und die gewöhnlich glatt, zuweilen
aber von ſtarken Muskelbündeln zellig durchzogen iſt, ſo daß ſie viele
Aehnlichkeit im äußeren Anſehen mit einer Amphibienlunge zeigt. Außer
den gewöhnlichen Kiemen kommt auf dem Kiemendeckel oft eine beſondere
halbe Kieme vor, zu welcher zuweilen noch eine falſche Kieme (Pseudobran-
chie)
im Grunde der Kiemenhöhle und ein Spritzloch auf der oberen Fläche
des Kopfes hinzutritt; — dieſe Kiemendeckelkieme, Pſeudobranchie und
Spritzloch kommen indeß in ſo vielfachen, wechſelſeitigen Kombinationen
vor, daß dieſe Charaktere nicht als konſtante bezeichnet werden können.
Dagegen findet ſich ein ſicheres Merkmal der Ordnung in dem Um-
ſtande, daß die Sehnerven ſich nicht, wie bei den Knochenfiſchen, in
der Weiſe kreuzen, daß jeder in das Auge der entgegengeſetzten Seite
geht, ſondern daß, wie bei den Knorpelfiſchen, beide Sehnerven in der
Mittellinie zuſammenkommen, dort mit den zugewandten Rändern ver-
ſchmelzen und ſo ein wahres Chiasma bilden, worauf jeder zu dem
Auge ſeiner Seite tritt. Eine andere Uebereinſtimmung mit den Knor-
pelfiſchen findet ſich in der Bildung der Geſchlechtstheile bei den Weib-
chen, indem die Eierſtöcke vollkommen abgeſchloſſen, die langen, gewun-
denen Eileiter aber ſich mit einem offenen Trichter frei in die Unter-
leibshöhle in der Nähe des Eierſtocksgekröſes einmünden.

Die Hautbekleidung der Ganoiden war es zuerſt, welche auf
ihren Unterſchied von den gewöhnlichen Knochenfiſchen bei Betrachtung
der Foſſilen hinleitete. Wir finden in derſelben eine dreifache Ver-
ſchiedenheit, die, da ſie auch mit anderen Organiſationsverhältniſſen
zuſammenſtimmt, zum weſentlichen Merkmale der Unterordnungen dienen
kann. Bei den Panzerganoiden (Loricata) iſt die Haut entweder
ganz nackt oder mit großen Knochentafeln gepanzert, welche einzeln
in der Haut eingegraben liegen; bei den Eckſchuppern (Rhombifera)
finden ſich viereckige, dicke, dachziegelförmig in Reihen geſtellte Kno-
chenſchuppen, die auf ihrer Außenfläche mit einer Schmelzlage über-
goſſen ſind; bei den Rundſchuppern (Cyclifera) endlich zeigen ſich
runde, dachziegelförmig geſtellte Schuppen in ähnlicher Weiſe gebildet,
wie bei den übrigen Knochenfiſchen.

Die Ordnung der Ganoiden, die ſich nach den angegebenen Cha-
rakteren als eine eigenthümliche Mittelgruppe zwiſchen Knorpelfiſchen
und ächten Knochenfiſchen darſtellt, zeigt eine äußerſt merkwürdige
Geſchichte durch die verſchiedenen geologiſchen Epochen hindurch. Bis
gegen den Schluß der Juraperiode hin repräſentirt ſie allein mit den

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0129" n="123"/>
Wand des Schlundes einmündet und die gewöhnlich glatt, zuweilen<lb/>
aber von &#x017F;tarken Muskelbündeln zellig durchzogen i&#x017F;t, &#x017F;o daß &#x017F;ie viele<lb/>
Aehnlichkeit im äußeren An&#x017F;ehen mit einer Amphibienlunge zeigt. Außer<lb/>
den gewöhnlichen Kiemen kommt auf dem Kiemendeckel oft eine be&#x017F;ondere<lb/>
halbe Kieme vor, zu welcher zuweilen noch eine fal&#x017F;che Kieme <hi rendition="#aq">(Pseudobran-<lb/>
chie)</hi> im Grunde der Kiemenhöhle und ein Spritzloch auf der oberen Fläche<lb/>
des Kopfes hinzutritt; &#x2014; die&#x017F;e Kiemendeckelkieme, P&#x017F;eudobranchie und<lb/>
Spritzloch kommen indeß in &#x017F;o vielfachen, wech&#x017F;el&#x017F;eitigen Kombinationen<lb/>
vor, daß die&#x017F;e Charaktere nicht als kon&#x017F;tante bezeichnet werden können.<lb/>
Dagegen findet &#x017F;ich ein &#x017F;icheres Merkmal der Ordnung in dem Um-<lb/>
&#x017F;tande, daß die Sehnerven &#x017F;ich nicht, wie bei den Knochenfi&#x017F;chen, in<lb/>
der Wei&#x017F;e kreuzen, daß jeder in das Auge der entgegenge&#x017F;etzten Seite<lb/>
geht, &#x017F;ondern daß, wie bei den Knorpelfi&#x017F;chen, beide Sehnerven in der<lb/>
Mittellinie zu&#x017F;ammenkommen, dort mit den zugewandten Rändern ver-<lb/>
&#x017F;chmelzen und &#x017F;o ein wahres Chiasma bilden, worauf jeder zu dem<lb/>
Auge &#x017F;einer Seite tritt. Eine andere Ueberein&#x017F;timmung mit den Knor-<lb/>
pelfi&#x017F;chen findet &#x017F;ich in der Bildung der Ge&#x017F;chlechtstheile bei den Weib-<lb/>
chen, indem die Eier&#x017F;töcke vollkommen abge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, die langen, gewun-<lb/>
denen Eileiter aber &#x017F;ich mit einem offenen Trichter frei in die Unter-<lb/>
leibshöhle in der Nähe des Eier&#x017F;tocksgekrö&#x017F;es einmünden.</p><lb/>
              <p>Die <hi rendition="#g">Hautbekleidung</hi> der Ganoiden war es zuer&#x017F;t, welche auf<lb/>
ihren Unter&#x017F;chied von den gewöhnlichen Knochenfi&#x017F;chen bei Betrachtung<lb/>
der Fo&#x017F;&#x017F;ilen hinleitete. Wir finden in der&#x017F;elben eine dreifache Ver-<lb/>
&#x017F;chiedenheit, die, da &#x017F;ie auch mit anderen Organi&#x017F;ationsverhältni&#x017F;&#x017F;en<lb/>
zu&#x017F;ammen&#x017F;timmt, zum we&#x017F;entlichen Merkmale der Unterordnungen dienen<lb/>
kann. Bei den <hi rendition="#g">Panzerganoiden</hi> <hi rendition="#aq">(Loricata)</hi> i&#x017F;t die Haut entweder<lb/>
ganz nackt oder mit großen Knochentafeln gepanzert, welche einzeln<lb/>
in der Haut eingegraben liegen; bei den <hi rendition="#g">Eck&#x017F;chuppern</hi> <hi rendition="#aq">(Rhombifera)</hi><lb/>
finden &#x017F;ich viereckige, dicke, dachziegelförmig in Reihen ge&#x017F;tellte Kno-<lb/>
chen&#x017F;chuppen, die auf ihrer Außenfläche mit einer Schmelzlage über-<lb/>
go&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ind; bei den <hi rendition="#g">Rund&#x017F;chuppern</hi> <hi rendition="#aq">(Cyclifera)</hi> endlich zeigen &#x017F;ich<lb/>
runde, dachziegelförmig ge&#x017F;tellte Schuppen in ähnlicher Wei&#x017F;e gebildet,<lb/>
wie bei den übrigen Knochenfi&#x017F;chen.</p><lb/>
              <p>Die Ordnung der Ganoiden, die &#x017F;ich nach den angegebenen Cha-<lb/>
rakteren als eine eigenthümliche Mittelgruppe zwi&#x017F;chen Knorpelfi&#x017F;chen<lb/>
und ächten Knochenfi&#x017F;chen dar&#x017F;tellt, zeigt eine äußer&#x017F;t merkwürdige<lb/>
Ge&#x017F;chichte durch die ver&#x017F;chiedenen geologi&#x017F;chen Epochen hindurch. Bis<lb/>
gegen den Schluß der Juraperiode hin reprä&#x017F;entirt &#x017F;ie allein mit den<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[123/0129] Wand des Schlundes einmündet und die gewöhnlich glatt, zuweilen aber von ſtarken Muskelbündeln zellig durchzogen iſt, ſo daß ſie viele Aehnlichkeit im äußeren Anſehen mit einer Amphibienlunge zeigt. Außer den gewöhnlichen Kiemen kommt auf dem Kiemendeckel oft eine beſondere halbe Kieme vor, zu welcher zuweilen noch eine falſche Kieme (Pseudobran- chie) im Grunde der Kiemenhöhle und ein Spritzloch auf der oberen Fläche des Kopfes hinzutritt; — dieſe Kiemendeckelkieme, Pſeudobranchie und Spritzloch kommen indeß in ſo vielfachen, wechſelſeitigen Kombinationen vor, daß dieſe Charaktere nicht als konſtante bezeichnet werden können. Dagegen findet ſich ein ſicheres Merkmal der Ordnung in dem Um- ſtande, daß die Sehnerven ſich nicht, wie bei den Knochenfiſchen, in der Weiſe kreuzen, daß jeder in das Auge der entgegengeſetzten Seite geht, ſondern daß, wie bei den Knorpelfiſchen, beide Sehnerven in der Mittellinie zuſammenkommen, dort mit den zugewandten Rändern ver- ſchmelzen und ſo ein wahres Chiasma bilden, worauf jeder zu dem Auge ſeiner Seite tritt. Eine andere Uebereinſtimmung mit den Knor- pelfiſchen findet ſich in der Bildung der Geſchlechtstheile bei den Weib- chen, indem die Eierſtöcke vollkommen abgeſchloſſen, die langen, gewun- denen Eileiter aber ſich mit einem offenen Trichter frei in die Unter- leibshöhle in der Nähe des Eierſtocksgekröſes einmünden. Die Hautbekleidung der Ganoiden war es zuerſt, welche auf ihren Unterſchied von den gewöhnlichen Knochenfiſchen bei Betrachtung der Foſſilen hinleitete. Wir finden in derſelben eine dreifache Ver- ſchiedenheit, die, da ſie auch mit anderen Organiſationsverhältniſſen zuſammenſtimmt, zum weſentlichen Merkmale der Unterordnungen dienen kann. Bei den Panzerganoiden (Loricata) iſt die Haut entweder ganz nackt oder mit großen Knochentafeln gepanzert, welche einzeln in der Haut eingegraben liegen; bei den Eckſchuppern (Rhombifera) finden ſich viereckige, dicke, dachziegelförmig in Reihen geſtellte Kno- chenſchuppen, die auf ihrer Außenfläche mit einer Schmelzlage über- goſſen ſind; bei den Rundſchuppern (Cyclifera) endlich zeigen ſich runde, dachziegelförmig geſtellte Schuppen in ähnlicher Weiſe gebildet, wie bei den übrigen Knochenfiſchen. Die Ordnung der Ganoiden, die ſich nach den angegebenen Cha- rakteren als eine eigenthümliche Mittelgruppe zwiſchen Knorpelfiſchen und ächten Knochenfiſchen darſtellt, zeigt eine äußerſt merkwürdige Geſchichte durch die verſchiedenen geologiſchen Epochen hindurch. Bis gegen den Schluß der Juraperiode hin repräſentirt ſie allein mit den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/129
Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/129>, abgerufen am 03.05.2024.