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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.

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und Mörtel förmliche Zellen auf, in welchen die Larve verborgen ist.
Der Proviant, welchen diese Thiere ihren Larven beigeben, besteht
aus lebenden Insekten und Larven aller Ordnungen, sowie auch aus
Spinnen, welche in dem Neste aufgeschichtet und allmählich von der
sich entwickelnden Wespenlarve verzehrt werden. Eine jede Grab-
wespe verproviantirt ihr Nest nur mit einer bestimmten Art von
Thieren, und während die einen sich mit leichter Mühe der Raupen
oder Larven bemächtigen, die ihnen keinen Widerstand entgegen
setzen können, so kostet es den anderen oft einen harten Kampf,
bevor sie eine Biene, eine Spinne oder gar eine Küchenschabe über-
wältigt haben. Meist siegen diese Wespen durch Ueberraschung,
indem sie plötzlich auf ihre Beute losstürzen, die im ersten Schrecken
regungslos stehen bleibt und ehe sie ihre Flucht bewerkstelligen kann,
von den scharfen Kiefern der Wespe an dem Kopfe gepackt wird.
In demselben Augenblicke biegt die Grabwespe ihren schlanken Hin-
terleib unter den Bauch der Beute und bohrt den Stachel an irgend
einer weichen Stelle ein. Die Verwundung hat unmittelbar eine
eigenthümliche Lähmung des Getroffenen zur Folge; das gestochene
Thier kann meistens noch seine Beine schwach bewegen, ist aber sonst
in einem Zustande, wie wenn es in tiefen Schlaf versunken wäre, so
daß es ihm unmöglich ist, zu stehen, zu gehen, oder irgend eine will-
kührliche Bewegung auszuführen. In diesem gelähmten, willenlosen
Zustande bleiben die getroffenen Thiere nicht nur Tage, sondern
Wochen und Monate lang am Leben und erhalten sich frisch und
weich, ohne einzutrocknen, so daß die Larve, welche sie verzehren soll,
die gehörige Nahrung aus ihnen ziehen kann, während sie doch un-
fähig sind, dem unbehülflichen, fußlosen Wurme, welcher sie auffrißt,
auch nur den mindesten Widerstand entgegen zu setzen. Es würde zu
weit führen, wollten wir auf die Einzelnheiten eingehen, welche in
großer Menge bekannt sind, und die, natürlich je nach der Art der
Beute und den Vertheidigungsmitteln, die sie der Wespe entgegensetzen
können, außerordentlich wechseln, während sie in den allgemeinen
Zügen, wie wir sie eben mitgetheilt haben, übereinstimmen.


und Mörtel förmliche Zellen auf, in welchen die Larve verborgen iſt.
Der Proviant, welchen dieſe Thiere ihren Larven beigeben, beſteht
aus lebenden Inſekten und Larven aller Ordnungen, ſowie auch aus
Spinnen, welche in dem Neſte aufgeſchichtet und allmählich von der
ſich entwickelnden Wespenlarve verzehrt werden. Eine jede Grab-
wespe verproviantirt ihr Neſt nur mit einer beſtimmten Art von
Thieren, und während die einen ſich mit leichter Mühe der Raupen
oder Larven bemächtigen, die ihnen keinen Widerſtand entgegen
ſetzen können, ſo koſtet es den anderen oft einen harten Kampf,
bevor ſie eine Biene, eine Spinne oder gar eine Küchenſchabe über-
wältigt haben. Meiſt ſiegen dieſe Wespen durch Ueberraſchung,
indem ſie plötzlich auf ihre Beute losſtürzen, die im erſten Schrecken
regungslos ſtehen bleibt und ehe ſie ihre Flucht bewerkſtelligen kann,
von den ſcharfen Kiefern der Wespe an dem Kopfe gepackt wird.
In demſelben Augenblicke biegt die Grabwespe ihren ſchlanken Hin-
terleib unter den Bauch der Beute und bohrt den Stachel an irgend
einer weichen Stelle ein. Die Verwundung hat unmittelbar eine
eigenthümliche Lähmung des Getroffenen zur Folge; das geſtochene
Thier kann meiſtens noch ſeine Beine ſchwach bewegen, iſt aber ſonſt
in einem Zuſtande, wie wenn es in tiefen Schlaf verſunken wäre, ſo
daß es ihm unmöglich iſt, zu ſtehen, zu gehen, oder irgend eine will-
kührliche Bewegung auszuführen. In dieſem gelähmten, willenloſen
Zuſtande bleiben die getroffenen Thiere nicht nur Tage, ſondern
Wochen und Monate lang am Leben und erhalten ſich friſch und
weich, ohne einzutrocknen, ſo daß die Larve, welche ſie verzehren ſoll,
die gehörige Nahrung aus ihnen ziehen kann, während ſie doch un-
fähig ſind, dem unbehülflichen, fußloſen Wurme, welcher ſie auffrißt,
auch nur den mindeſten Widerſtand entgegen zu ſetzen. Es würde zu
weit führen, wollten wir auf die Einzelnheiten eingehen, welche in
großer Menge bekannt ſind, und die, natürlich je nach der Art der
Beute und den Vertheidigungsmitteln, die ſie der Wespe entgegenſetzen
können, außerordentlich wechſeln, während ſie in den allgemeinen
Zügen, wie wir ſie eben mitgetheilt haben, übereinſtimmen.


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[696/0702] und Mörtel förmliche Zellen auf, in welchen die Larve verborgen iſt. Der Proviant, welchen dieſe Thiere ihren Larven beigeben, beſteht aus lebenden Inſekten und Larven aller Ordnungen, ſowie auch aus Spinnen, welche in dem Neſte aufgeſchichtet und allmählich von der ſich entwickelnden Wespenlarve verzehrt werden. Eine jede Grab- wespe verproviantirt ihr Neſt nur mit einer beſtimmten Art von Thieren, und während die einen ſich mit leichter Mühe der Raupen oder Larven bemächtigen, die ihnen keinen Widerſtand entgegen ſetzen können, ſo koſtet es den anderen oft einen harten Kampf, bevor ſie eine Biene, eine Spinne oder gar eine Küchenſchabe über- wältigt haben. Meiſt ſiegen dieſe Wespen durch Ueberraſchung, indem ſie plötzlich auf ihre Beute losſtürzen, die im erſten Schrecken regungslos ſtehen bleibt und ehe ſie ihre Flucht bewerkſtelligen kann, von den ſcharfen Kiefern der Wespe an dem Kopfe gepackt wird. In demſelben Augenblicke biegt die Grabwespe ihren ſchlanken Hin- terleib unter den Bauch der Beute und bohrt den Stachel an irgend einer weichen Stelle ein. Die Verwundung hat unmittelbar eine eigenthümliche Lähmung des Getroffenen zur Folge; das geſtochene Thier kann meiſtens noch ſeine Beine ſchwach bewegen, iſt aber ſonſt in einem Zuſtande, wie wenn es in tiefen Schlaf verſunken wäre, ſo daß es ihm unmöglich iſt, zu ſtehen, zu gehen, oder irgend eine will- kührliche Bewegung auszuführen. In dieſem gelähmten, willenloſen Zuſtande bleiben die getroffenen Thiere nicht nur Tage, ſondern Wochen und Monate lang am Leben und erhalten ſich friſch und weich, ohne einzutrocknen, ſo daß die Larve, welche ſie verzehren ſoll, die gehörige Nahrung aus ihnen ziehen kann, während ſie doch un- fähig ſind, dem unbehülflichen, fußloſen Wurme, welcher ſie auffrißt, auch nur den mindeſten Widerſtand entgegen zu ſetzen. Es würde zu weit führen, wollten wir auf die Einzelnheiten eingehen, welche in großer Menge bekannt ſind, und die, natürlich je nach der Art der Beute und den Vertheidigungsmitteln, die ſie der Wespe entgegenſetzen können, außerordentlich wechſeln, während ſie in den allgemeinen Zügen, wie wir ſie eben mitgetheilt haben, übereinſtimmen.

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 696. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/702>, abgerufen am 04.12.2024.