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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.

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stalt, anfangs mit weichen, verkrumpelten Flügeln, welche durch Ein-
tritt von Blut und Luft sich strecken und erhärten.

Die geistigen Eigenschaften, welche die vollkommenen In-
sekten nun zeigen, sind von Beobachtern wie von Philosophen äußerst
verschieden gedeutet worden. Während die Einen alle Handlungen
nur als nothwendige Ausflüsse des Instinktes, d. h. eines durch die
Structur des Körpers bedingten Naturgesetzes betrachten und darin
einen Unterschied vom Menschen finden wollten, dem sie freie Ueber-
legung zuschreiben, so behaupteten die Andern, daß man hier Eigen-
schaften und Handlungen finde, welche die Insekten wenigstens dem
Menschen gleichstellten, wenn nicht gar sie über ihn erhöben. Letztere
Behauptung ist entschieden unrichtig, die erstere aber nicht minder
falsch, wenn man von der Ansicht ausgeht, daß dem Menschen noch
andere geistige Eigenschaften zukämen, als diejenige, welche ein Aus-
fluß der Structur seines Körpers und namentlich seines Nervensyste-
mes sind. Wer eine Grenzlinie ziehen will zwischen Instinkt und
Verstand, oder Verstand und Vernunft, giebt dadurch allein schon das
beste Zeugniß ab, daß er niemals mit prüfendem Blicke das Leben
und Treiben der Thiere und namentlich der Insekten beobachtet habe.
Von der geringsten geistigen Aeußerung in dem niedersten Thiere an,
bis zu der hohen Ausbildung des Menschen findet man die verschie-
densten gradweisen Abstufungen; und zwar zeigt jeder größere Kreis
des Thierreiches eine eben solche stufenweise Fortbildung in seinen
Geistesfähigkeiten, wie wir dies auch in dem Körperbau beobachten.
So stehen die ausgebildetsten Weichthiere oder Ringelwürmer in geisti-
ger Hinsicht weit über den niedrigeren Insekten, während die höheren
Typen dieser Klasse den bedeutendsten Vorsprung vor jenen Weich-
thieren und Würmern erreichen, und ebenso die niedrigen Anfänge
der höher ausgebildeten Wirbelthiere überragen, wie diese wieder in
ihrer Endkrone, dem Menschen, ihnen vorangehen. Wenn auch deß-
halb die niederen Fische z. B. einem entwickelungsfähigeren Typus
angehören, dem der Wirbelthiere, der als letztes Glied den Menschen
erzeugt, so kann doch kein Zweifel darüber sein, daß die Endspitzen
eines weniger entwickelungsfähigen Typus der Gliederthiere, die In-
sekten, weit alle niederen Wirbelthiere überragen und geistige Fähig-
keiten und daraus entfließende Handlungen zeigen, die sie in geistiger
Beziehung dem Menschen in bedeutende Nähe bringen. Es genügt,
um diesen Satz zu beweisen, unzweideutige Beobachtungen hinzustellen,
welche für die Insekten unzweifelhaft eine vollkommen freie Ueberlegung
darthun, in ähnlicher Weise, wie man sie dem Menschen selbst zutrauen

ſtalt, anfangs mit weichen, verkrumpelten Flügeln, welche durch Ein-
tritt von Blut und Luft ſich ſtrecken und erhärten.

Die geiſtigen Eigenſchaften, welche die vollkommenen In-
ſekten nun zeigen, ſind von Beobachtern wie von Philoſophen äußerſt
verſchieden gedeutet worden. Während die Einen alle Handlungen
nur als nothwendige Ausflüſſe des Inſtinktes, d. h. eines durch die
Structur des Körpers bedingten Naturgeſetzes betrachten und darin
einen Unterſchied vom Menſchen finden wollten, dem ſie freie Ueber-
legung zuſchreiben, ſo behaupteten die Andern, daß man hier Eigen-
ſchaften und Handlungen finde, welche die Inſekten wenigſtens dem
Menſchen gleichſtellten, wenn nicht gar ſie über ihn erhöben. Letztere
Behauptung iſt entſchieden unrichtig, die erſtere aber nicht minder
falſch, wenn man von der Anſicht ausgeht, daß dem Menſchen noch
andere geiſtige Eigenſchaften zukämen, als diejenige, welche ein Aus-
fluß der Structur ſeines Körpers und namentlich ſeines Nervenſyſte-
mes ſind. Wer eine Grenzlinie ziehen will zwiſchen Inſtinkt und
Verſtand, oder Verſtand und Vernunft, giebt dadurch allein ſchon das
beſte Zeugniß ab, daß er niemals mit prüfendem Blicke das Leben
und Treiben der Thiere und namentlich der Inſekten beobachtet habe.
Von der geringſten geiſtigen Aeußerung in dem niederſten Thiere an,
bis zu der hohen Ausbildung des Menſchen findet man die verſchie-
denſten gradweiſen Abſtufungen; und zwar zeigt jeder größere Kreis
des Thierreiches eine eben ſolche ſtufenweiſe Fortbildung in ſeinen
Geiſtesfähigkeiten, wie wir dies auch in dem Körperbau beobachten.
So ſtehen die ausgebildetſten Weichthiere oder Ringelwürmer in geiſti-
ger Hinſicht weit über den niedrigeren Inſekten, während die höheren
Typen dieſer Klaſſe den bedeutendſten Vorſprung vor jenen Weich-
thieren und Würmern erreichen, und ebenſo die niedrigen Anfänge
der höher ausgebildeten Wirbelthiere überragen, wie dieſe wieder in
ihrer Endkrone, dem Menſchen, ihnen vorangehen. Wenn auch deß-
halb die niederen Fiſche z. B. einem entwickelungsfähigeren Typus
angehören, dem der Wirbelthiere, der als letztes Glied den Menſchen
erzeugt, ſo kann doch kein Zweifel darüber ſein, daß die Endſpitzen
eines weniger entwickelungsfähigen Typus der Gliederthiere, die In-
ſekten, weit alle niederen Wirbelthiere überragen und geiſtige Fähig-
keiten und daraus entfließende Handlungen zeigen, die ſie in geiſtiger
Beziehung dem Menſchen in bedeutende Nähe bringen. Es genügt,
um dieſen Satz zu beweiſen, unzweideutige Beobachtungen hinzuſtellen,
welche für die Inſekten unzweifelhaft eine vollkommen freie Ueberlegung
darthun, in ähnlicher Weiſe, wie man ſie dem Menſchen ſelbſt zutrauen

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[553/0559] ſtalt, anfangs mit weichen, verkrumpelten Flügeln, welche durch Ein- tritt von Blut und Luft ſich ſtrecken und erhärten. Die geiſtigen Eigenſchaften, welche die vollkommenen In- ſekten nun zeigen, ſind von Beobachtern wie von Philoſophen äußerſt verſchieden gedeutet worden. Während die Einen alle Handlungen nur als nothwendige Ausflüſſe des Inſtinktes, d. h. eines durch die Structur des Körpers bedingten Naturgeſetzes betrachten und darin einen Unterſchied vom Menſchen finden wollten, dem ſie freie Ueber- legung zuſchreiben, ſo behaupteten die Andern, daß man hier Eigen- ſchaften und Handlungen finde, welche die Inſekten wenigſtens dem Menſchen gleichſtellten, wenn nicht gar ſie über ihn erhöben. Letztere Behauptung iſt entſchieden unrichtig, die erſtere aber nicht minder falſch, wenn man von der Anſicht ausgeht, daß dem Menſchen noch andere geiſtige Eigenſchaften zukämen, als diejenige, welche ein Aus- fluß der Structur ſeines Körpers und namentlich ſeines Nervenſyſte- mes ſind. Wer eine Grenzlinie ziehen will zwiſchen Inſtinkt und Verſtand, oder Verſtand und Vernunft, giebt dadurch allein ſchon das beſte Zeugniß ab, daß er niemals mit prüfendem Blicke das Leben und Treiben der Thiere und namentlich der Inſekten beobachtet habe. Von der geringſten geiſtigen Aeußerung in dem niederſten Thiere an, bis zu der hohen Ausbildung des Menſchen findet man die verſchie- denſten gradweiſen Abſtufungen; und zwar zeigt jeder größere Kreis des Thierreiches eine eben ſolche ſtufenweiſe Fortbildung in ſeinen Geiſtesfähigkeiten, wie wir dies auch in dem Körperbau beobachten. So ſtehen die ausgebildetſten Weichthiere oder Ringelwürmer in geiſti- ger Hinſicht weit über den niedrigeren Inſekten, während die höheren Typen dieſer Klaſſe den bedeutendſten Vorſprung vor jenen Weich- thieren und Würmern erreichen, und ebenſo die niedrigen Anfänge der höher ausgebildeten Wirbelthiere überragen, wie dieſe wieder in ihrer Endkrone, dem Menſchen, ihnen vorangehen. Wenn auch deß- halb die niederen Fiſche z. B. einem entwickelungsfähigeren Typus angehören, dem der Wirbelthiere, der als letztes Glied den Menſchen erzeugt, ſo kann doch kein Zweifel darüber ſein, daß die Endſpitzen eines weniger entwickelungsfähigen Typus der Gliederthiere, die In- ſekten, weit alle niederen Wirbelthiere überragen und geiſtige Fähig- keiten und daraus entfließende Handlungen zeigen, die ſie in geiſtiger Beziehung dem Menſchen in bedeutende Nähe bringen. Es genügt, um dieſen Satz zu beweiſen, unzweideutige Beobachtungen hinzuſtellen, welche für die Inſekten unzweifelhaft eine vollkommen freie Ueberlegung darthun, in ähnlicher Weiſe, wie man ſie dem Menſchen ſelbſt zutrauen

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 553. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/559>, abgerufen am 05.12.2024.