Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.

Bild:
<< vorherige Seite

oft schwanzartig verlängert, oder auch gegen den Rücken aufwärts
gebogen und durch eine stumpfe Spitze geendet. Die Anatomie der
Thiere ist nur wenig bekannt, da die Schalen meist undurchsichtig und
die Thiere zur Anatomie zu klein sind; der Darmkanal ist ganz gerade,
besitzt aber bei einigen Gattungen an seiner vorderen Seite zwei ziem-
lich bedeutende Blindsäcke; eigentliche Athemorgane existiren nirgends,
denn auch in den kammartig ausgeschnittenen Blättern, die bei einigen
Gattungen vorkommen und als Kiemen angesehen wurden, kann man
durchaus keine Blutzirkulation wahrnehmen.

Die Geschlechter sind getrennt, wie bei allen übrigen Krustenthieren
mit Ausnahme der Rankenfüßer, und die inneren Geschlechtstheile außer-
ordentlich einfach. Bei einer Familie hat man trotz ihrer Häufigkeit
die Männchen noch nicht entdecken können; bei einer anderen sind sie
bekannt, und die Begattung gesehen worden. Die Jungen kommen
aus dem Eie in derselben Gestalt wie die Alten und durchlaufen keine
Art von Metamorphose, was sie besonders von den vorigen und nach-
folgenden Ordnungen trennt. Wahrscheinlich sind die Stadien, welche
der Embryo innerhalb der Eischale von seiner ersten Bildung an
durchläuft, den Metamorphosen analog, welche die Larven der scha-
lenlosen bisher betrachteten Ordnungen außerhalb des Eies durch-
machen; über diesen Punkt fehlen indeß genauere Erfahrungen. Wir
theilen die Ordnung in zwei Familien.

Die Familie der Schalenflöhe (Cyprida) besitzt eine vollkommen
schließende Schale mit Andeutung eines Schlosses und zwei Paar

[Abbildung] Fig. 504.

Cypris
von der Seite, nach Wegnahme der einen Schale.
a Vordere (innere) Fühler. b Hintere (äußere)
Fühler. c Auge. d Durchschnittener Schalenmuskel.
e Eier. f Schwanz. g Letztes Fußpaar. h Vorletz-
tes, in die Höhe geschlagenes Fußpaar. i Strudelorgan
der Kinnlade.

Fühler, von welchen die
vorderen dünn-borsten-
förmig, nach vorn ge-
richtet, die hinteren breit
knieförmig gebogen und
mit langen Borsten be-
setzt sind, so daß sie als
das hauptsächlichste Be-
wegungsorgan dienen.
Diese Fühler tragen lan-
ge Borsten und Stacheln
und treten an dem un-
teren Schalenrande her-
vor. Der vorspringende
Mund, der in der Mitte
zwischen diesem großen
Fühlerpaare liegt, zeigt

oft ſchwanzartig verlängert, oder auch gegen den Rücken aufwärts
gebogen und durch eine ſtumpfe Spitze geendet. Die Anatomie der
Thiere iſt nur wenig bekannt, da die Schalen meiſt undurchſichtig und
die Thiere zur Anatomie zu klein ſind; der Darmkanal iſt ganz gerade,
beſitzt aber bei einigen Gattungen an ſeiner vorderen Seite zwei ziem-
lich bedeutende Blindſäcke; eigentliche Athemorgane exiſtiren nirgends,
denn auch in den kammartig ausgeſchnittenen Blättern, die bei einigen
Gattungen vorkommen und als Kiemen angeſehen wurden, kann man
durchaus keine Blutzirkulation wahrnehmen.

Die Geſchlechter ſind getrennt, wie bei allen übrigen Kruſtenthieren
mit Ausnahme der Rankenfüßer, und die inneren Geſchlechtstheile außer-
ordentlich einfach. Bei einer Familie hat man trotz ihrer Häufigkeit
die Männchen noch nicht entdecken können; bei einer anderen ſind ſie
bekannt, und die Begattung geſehen worden. Die Jungen kommen
aus dem Eie in derſelben Geſtalt wie die Alten und durchlaufen keine
Art von Metamorphoſe, was ſie beſonders von den vorigen und nach-
folgenden Ordnungen trennt. Wahrſcheinlich ſind die Stadien, welche
der Embryo innerhalb der Eiſchale von ſeiner erſten Bildung an
durchläuft, den Metamorphoſen analog, welche die Larven der ſcha-
lenloſen bisher betrachteten Ordnungen außerhalb des Eies durch-
machen; über dieſen Punkt fehlen indeß genauere Erfahrungen. Wir
theilen die Ordnung in zwei Familien.

Die Familie der Schalenflöhe (Cyprida) beſitzt eine vollkommen
ſchließende Schale mit Andeutung eines Schloſſes und zwei Paar

[Abbildung] Fig. 504.

Cypris
von der Seite, nach Wegnahme der einen Schale.
a Vordere (innere) Fühler. b Hintere (äußere)
Fühler. c Auge. d Durchſchnittener Schalenmuskel.
e Eier. f Schwanz. g Letztes Fußpaar. h Vorletz-
tes, in die Höhe geſchlagenes Fußpaar. i Strudelorgan
der Kinnlade.

Fühler, von welchen die
vorderen dünn-borſten-
förmig, nach vorn ge-
richtet, die hinteren breit
knieförmig gebogen und
mit langen Borſten be-
ſetzt ſind, ſo daß ſie als
das hauptſächlichſte Be-
wegungsorgan dienen.
Dieſe Fühler tragen lan-
ge Borſten und Stacheln
und treten an dem un-
teren Schalenrande her-
vor. Der vorſpringende
Mund, der in der Mitte
zwiſchen dieſem großen
Fühlerpaare liegt, zeigt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0445" n="439"/>
oft &#x017F;chwanzartig verlängert, oder auch gegen den Rücken aufwärts<lb/>
gebogen und durch eine &#x017F;tumpfe Spitze geendet. Die Anatomie der<lb/>
Thiere i&#x017F;t nur wenig bekannt, da die Schalen mei&#x017F;t undurch&#x017F;ichtig und<lb/>
die Thiere zur Anatomie zu klein &#x017F;ind; der Darmkanal i&#x017F;t ganz gerade,<lb/>
be&#x017F;itzt aber bei einigen Gattungen an &#x017F;einer vorderen Seite zwei ziem-<lb/>
lich bedeutende Blind&#x017F;äcke; eigentliche Athemorgane exi&#x017F;tiren nirgends,<lb/>
denn auch in den kammartig ausge&#x017F;chnittenen Blättern, die bei einigen<lb/>
Gattungen vorkommen und als Kiemen ange&#x017F;ehen wurden, kann man<lb/>
durchaus keine Blutzirkulation wahrnehmen.</p><lb/>
            <p>Die Ge&#x017F;chlechter &#x017F;ind getrennt, wie bei allen übrigen Kru&#x017F;tenthieren<lb/>
mit Ausnahme der Rankenfüßer, und die inneren Ge&#x017F;chlechtstheile außer-<lb/>
ordentlich einfach. Bei einer Familie hat man trotz ihrer Häufigkeit<lb/>
die Männchen noch nicht entdecken können; bei einer anderen &#x017F;ind &#x017F;ie<lb/>
bekannt, und die Begattung ge&#x017F;ehen worden. Die Jungen kommen<lb/>
aus dem Eie in der&#x017F;elben Ge&#x017F;talt wie die Alten und durchlaufen keine<lb/>
Art von Metamorpho&#x017F;e, was &#x017F;ie be&#x017F;onders von den vorigen und nach-<lb/>
folgenden Ordnungen trennt. Wahr&#x017F;cheinlich &#x017F;ind die Stadien, welche<lb/>
der Embryo innerhalb der Ei&#x017F;chale von &#x017F;einer er&#x017F;ten Bildung an<lb/>
durchläuft, den Metamorpho&#x017F;en analog, welche die Larven der &#x017F;cha-<lb/>
lenlo&#x017F;en bisher betrachteten Ordnungen außerhalb des Eies durch-<lb/>
machen; über die&#x017F;en Punkt fehlen indeß genauere Erfahrungen. Wir<lb/>
theilen die Ordnung in zwei Familien.</p><lb/>
            <p>Die Familie der <hi rendition="#b">Schalenflöhe</hi> <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">(Cyprida)</hi></hi> be&#x017F;itzt eine vollkommen<lb/>
&#x017F;chließende Schale mit Andeutung eines Schlo&#x017F;&#x017F;es und zwei Paar<lb/><figure><head>Fig. 504. </head><p><hi rendition="#aq">Cypris</hi><lb/>
von der Seite, nach Wegnahme der einen Schale.<lb/><hi rendition="#aq">a</hi> Vordere (innere) Fühler. <hi rendition="#aq">b</hi> Hintere (äußere)<lb/>
Fühler. <hi rendition="#aq">c</hi> Auge. <hi rendition="#aq">d</hi> Durch&#x017F;chnittener Schalenmuskel.<lb/><hi rendition="#aq">e</hi> Eier. <hi rendition="#aq">f</hi> Schwanz. <hi rendition="#aq">g</hi> Letztes Fußpaar. <hi rendition="#aq">h</hi> Vorletz-<lb/>
tes, in die Höhe ge&#x017F;chlagenes Fußpaar. <hi rendition="#aq">i</hi> Strudelorgan<lb/>
der Kinnlade.</p></figure><lb/>
Fühler, von welchen die<lb/>
vorderen dünn-bor&#x017F;ten-<lb/>
förmig, nach vorn ge-<lb/>
richtet, die hinteren breit<lb/>
knieförmig gebogen und<lb/>
mit langen Bor&#x017F;ten be-<lb/>
&#x017F;etzt &#x017F;ind, &#x017F;o daß &#x017F;ie als<lb/>
das haupt&#x017F;ächlich&#x017F;te Be-<lb/>
wegungsorgan dienen.<lb/>
Die&#x017F;e Fühler tragen lan-<lb/>
ge Bor&#x017F;ten und Stacheln<lb/>
und treten an dem un-<lb/>
teren Schalenrande her-<lb/>
vor. Der vor&#x017F;pringende<lb/>
Mund, der in der Mitte<lb/>
zwi&#x017F;chen die&#x017F;em großen<lb/>
Fühlerpaare liegt, zeigt<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[439/0445] oft ſchwanzartig verlängert, oder auch gegen den Rücken aufwärts gebogen und durch eine ſtumpfe Spitze geendet. Die Anatomie der Thiere iſt nur wenig bekannt, da die Schalen meiſt undurchſichtig und die Thiere zur Anatomie zu klein ſind; der Darmkanal iſt ganz gerade, beſitzt aber bei einigen Gattungen an ſeiner vorderen Seite zwei ziem- lich bedeutende Blindſäcke; eigentliche Athemorgane exiſtiren nirgends, denn auch in den kammartig ausgeſchnittenen Blättern, die bei einigen Gattungen vorkommen und als Kiemen angeſehen wurden, kann man durchaus keine Blutzirkulation wahrnehmen. Die Geſchlechter ſind getrennt, wie bei allen übrigen Kruſtenthieren mit Ausnahme der Rankenfüßer, und die inneren Geſchlechtstheile außer- ordentlich einfach. Bei einer Familie hat man trotz ihrer Häufigkeit die Männchen noch nicht entdecken können; bei einer anderen ſind ſie bekannt, und die Begattung geſehen worden. Die Jungen kommen aus dem Eie in derſelben Geſtalt wie die Alten und durchlaufen keine Art von Metamorphoſe, was ſie beſonders von den vorigen und nach- folgenden Ordnungen trennt. Wahrſcheinlich ſind die Stadien, welche der Embryo innerhalb der Eiſchale von ſeiner erſten Bildung an durchläuft, den Metamorphoſen analog, welche die Larven der ſcha- lenloſen bisher betrachteten Ordnungen außerhalb des Eies durch- machen; über dieſen Punkt fehlen indeß genauere Erfahrungen. Wir theilen die Ordnung in zwei Familien. Die Familie der Schalenflöhe (Cyprida) beſitzt eine vollkommen ſchließende Schale mit Andeutung eines Schloſſes und zwei Paar [Abbildung Fig. 504. Cypris von der Seite, nach Wegnahme der einen Schale. a Vordere (innere) Fühler. b Hintere (äußere) Fühler. c Auge. d Durchſchnittener Schalenmuskel. e Eier. f Schwanz. g Letztes Fußpaar. h Vorletz- tes, in die Höhe geſchlagenes Fußpaar. i Strudelorgan der Kinnlade.] Fühler, von welchen die vorderen dünn-borſten- förmig, nach vorn ge- richtet, die hinteren breit knieförmig gebogen und mit langen Borſten be- ſetzt ſind, ſo daß ſie als das hauptſächlichſte Be- wegungsorgan dienen. Dieſe Fühler tragen lan- ge Borſten und Stacheln und treten an dem un- teren Schalenrande her- vor. Der vorſpringende Mund, der in der Mitte zwiſchen dieſem großen Fühlerpaare liegt, zeigt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/445
Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 439. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/445>, abgerufen am 25.11.2024.