vollständigen Ringe entweder im Ganzen oder in ihren einzelnen Theilen miteinander verwachsen. Durch Vergleichung der mannigfa- chen Abänderungen, welche in dieser Hinsicht vorkommen, hat man gefunden, daß bei der bei weit größten Zahl der Krustenthiere eine normale Zahl von 21 Ringen vorhanden ist, von welchen die drei vordern die Sinnesorgane tragen, also den Kopf bilden, die übrigen in wechselnder Zahl der Brust und dem Bauche anzugehören scheinen. Alle diese Ringe können auf der Bauchseite gegliederte Bewegungsor- gane tragen, während auf der Rückenseite jeder gegliederte Anhang fehlt. Oft erscheinen sie auch nach ihrer Verschmelzung noch durch Nähte kenntlich, welche sich zuweilen durch Behandlung mit Säure von einander trennen lassen.
Was nun die gegliederten Anhänge selbst betrifft, welche in der Unterfläche dieser Ringe eingelenkt sind, so sind diese der verschie- densten Art, und die Funktion der einzelnen Anhänge eines Ringes wechselt eben so sehr als ihre äußere Form und Gestalt. Der erste Kopfring ist nur bei wenigen Krustenthieren frei, bei den meisten mit den nachfolgenden verschmolzen; er trägt, wenn überhaupt Anhänge an ihm entwickelt sind, die Augen auf Stielen, welche beweglich sind, und meistens zurückgezogen werden können. An dem zweiten und dritten Kopfringe sind die gegliederten Fühlorgane befestigt, die inne- ren oder vorderen Fühler (antennulae) sind meistens kleiner und meistens stehen auf einem kurzen Stiele ein oder zwei fadenförmige An- hänge, welche man die Geißeln genannt hat. Die äußeren Fühler, (antennae), welche sehr selten mehr als eine Geißel haben, sind ge- wöhnlich bei weitem größer und dienen dem Thiere vorzugsweise zum Betasten fern liegender Gegenstände. Zuweilen sind diese Fühler zu breiten Blättern umgestaltet, in anderen Fällen verästelt und dienen dann als Bewegungsorgane.
Die Anhänge der folgenden Ringe sind meistens als Hilfsorgane des Mundes entwickelt, und da sie bei vielen Krebsen zugleich Bewe- gungsorgane sind und allmählig in wahre Füße sich umgestalten, so hat man entweder alle, oder wenigstens die letzten Paare als Kaufüße oder Kieferfüße bezeichnet. Am auffallendsten erscheint diese doppelte Eigenschaft bei dem großen Schildkrebse der Molucken (Limulus), wo das Anheftungsglied der Gangfüße eine knieförmige Beu- gung gegen den Mund hat und hier mit harten Zähnen besetzt ist, die zum Zermalmen der Beute dienen.
vollſtändigen Ringe entweder im Ganzen oder in ihren einzelnen Theilen miteinander verwachſen. Durch Vergleichung der mannigfa- chen Abänderungen, welche in dieſer Hinſicht vorkommen, hat man gefunden, daß bei der bei weit größten Zahl der Kruſtenthiere eine normale Zahl von 21 Ringen vorhanden iſt, von welchen die drei vordern die Sinnesorgane tragen, alſo den Kopf bilden, die übrigen in wechſelnder Zahl der Bruſt und dem Bauche anzugehören ſcheinen. Alle dieſe Ringe können auf der Bauchſeite gegliederte Bewegungsor- gane tragen, während auf der Rückenſeite jeder gegliederte Anhang fehlt. Oft erſcheinen ſie auch nach ihrer Verſchmelzung noch durch Nähte kenntlich, welche ſich zuweilen durch Behandlung mit Säure von einander trennen laſſen.
Was nun die gegliederten Anhänge ſelbſt betrifft, welche in der Unterfläche dieſer Ringe eingelenkt ſind, ſo ſind dieſe der verſchie- denſten Art, und die Funktion der einzelnen Anhänge eines Ringes wechſelt eben ſo ſehr als ihre äußere Form und Geſtalt. Der erſte Kopfring iſt nur bei wenigen Kruſtenthieren frei, bei den meiſten mit den nachfolgenden verſchmolzen; er trägt, wenn überhaupt Anhänge an ihm entwickelt ſind, die Augen auf Stielen, welche beweglich ſind, und meiſtens zurückgezogen werden können. An dem zweiten und dritten Kopfringe ſind die gegliederten Fühlorgane befeſtigt, die inne- ren oder vorderen Fühler (antennulae) ſind meiſtens kleiner und meiſtens ſtehen auf einem kurzen Stiele ein oder zwei fadenförmige An- hänge, welche man die Geißeln genannt hat. Die äußeren Fühler, (antennae), welche ſehr ſelten mehr als eine Geißel haben, ſind ge- wöhnlich bei weitem größer und dienen dem Thiere vorzugsweiſe zum Betaſten fern liegender Gegenſtände. Zuweilen ſind dieſe Fühler zu breiten Blättern umgeſtaltet, in anderen Fällen veräſtelt und dienen dann als Bewegungsorgane.
Die Anhänge der folgenden Ringe ſind meiſtens als Hilfsorgane des Mundes entwickelt, und da ſie bei vielen Krebſen zugleich Bewe- gungsorgane ſind und allmählig in wahre Füße ſich umgeſtalten, ſo hat man entweder alle, oder wenigſtens die letzten Paare als Kaufüße oder Kieferfüße bezeichnet. Am auffallendſten erſcheint dieſe doppelte Eigenſchaft bei dem großen Schildkrebſe der Molucken (Limulus), wo das Anheftungsglied der Gangfüße eine knieförmige Beu- gung gegen den Mund hat und hier mit harten Zähnen beſetzt iſt, die zum Zermalmen der Beute dienen.
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vollſtändigen Ringe entweder im Ganzen oder in ihren einzelnen
Theilen miteinander verwachſen. Durch Vergleichung der mannigfa-
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gefunden, daß bei der bei weit größten Zahl der Kruſtenthiere eine
normale Zahl von 21 Ringen vorhanden iſt, von welchen die drei
vordern die Sinnesorgane tragen, alſo den Kopf bilden, die übrigen
in wechſelnder Zahl der Bruſt und dem Bauche anzugehören ſcheinen.
Alle dieſe Ringe können auf der Bauchſeite gegliederte Bewegungsor-
gane tragen, während auf der Rückenſeite jeder gegliederte Anhang
fehlt. Oft erſcheinen ſie auch nach ihrer Verſchmelzung noch durch
Nähte kenntlich, welche ſich zuweilen durch Behandlung mit Säure
von einander trennen laſſen.
Was nun die gegliederten Anhänge ſelbſt betrifft, welche in
der Unterfläche dieſer Ringe eingelenkt ſind, ſo ſind dieſe der verſchie-
denſten Art, und die Funktion der einzelnen Anhänge eines Ringes
wechſelt eben ſo ſehr als ihre äußere Form und Geſtalt. Der erſte
Kopfring iſt nur bei wenigen Kruſtenthieren frei, bei den meiſten mit
den nachfolgenden verſchmolzen; er trägt, wenn überhaupt Anhänge
an ihm entwickelt ſind, die Augen auf Stielen, welche beweglich
ſind, und meiſtens zurückgezogen werden können. An dem zweiten und
dritten Kopfringe ſind die gegliederten Fühlorgane befeſtigt, die inne-
ren oder vorderen Fühler (antennulae) ſind meiſtens kleiner und
meiſtens ſtehen auf einem kurzen Stiele ein oder zwei fadenförmige An-
hänge, welche man die Geißeln genannt hat. Die äußeren Fühler,
(antennae), welche ſehr ſelten mehr als eine Geißel haben, ſind ge-
wöhnlich bei weitem größer und dienen dem Thiere vorzugsweiſe zum
Betaſten fern liegender Gegenſtände. Zuweilen ſind dieſe Fühler zu
breiten Blättern umgeſtaltet, in anderen Fällen veräſtelt und dienen
dann als Bewegungsorgane.
Die Anhänge der folgenden Ringe ſind meiſtens als Hilfsorgane
des Mundes entwickelt, und da ſie bei vielen Krebſen zugleich Bewe-
gungsorgane ſind und allmählig in wahre Füße ſich umgeſtalten, ſo
hat man entweder alle, oder wenigſtens die letzten Paare als
Kaufüße oder Kieferfüße bezeichnet. Am auffallendſten erſcheint
dieſe doppelte Eigenſchaft bei dem großen Schildkrebſe der Molucken
(Limulus), wo das Anheftungsglied der Gangfüße eine knieförmige Beu-
gung gegen den Mund hat und hier mit harten Zähnen beſetzt iſt,
die zum Zermalmen der Beute dienen.
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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/412>, abgerufen am 05.12.2024.
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