Hectocotylas. Tremoctopodis. Das Thier von der Bauchseite gesehen. a Kie- men. b Saugnäpfe. c Sa- mensack. d Ruthenscheide. e Ruthe.
Die verkümmerten Männchen, welche man bis jetzt nur bei der Familie der achtfüßi- gen Papierboote gesehen hat, haben etwa die Gestalt eines Wurmes, dessen Körper zu beiden Seiten mit einer Menge von Saugnäpfen be- setzt ist. Man hat sie bis jetzt nur in der Mantelhöhle oder in dem Trichter, selten nur auf der inneren Fläche der Arme der Weibchen sitzend gefunden, wo sie lebhaft mit ihren Saug- näpfen umherkriechen, oder selbst mit schlängeln- den Bewegungen im Wasser schwimmen. Sie waren bisher ganz allgemein für Eingeweidewür- mer gehalten und unter dem Namen Hectocotylus unter die Saugwürmer eingereiht worden, bis man bei näherer Untersuchung die wahre Na- tur dieser Thiere erkannte, und sich davon überzeugen mußte, daß in der That bei schein- bar sehr nahe stehenden Thieren die einen voll- kommen entwickelte, die anderen gänzlich ver- kümmerte Männchen haben können. An dem wurmförmigen Körper dieser Männchen fallen zuerst die Saugnäpfe in die Augen, welche fast an der ganzen Länge des Körpers zwei Reihen längs der Bauch- fläche bilden. Ihre Structur ist vollkommen dieselbe, wie diejenige der Saugnäpfe der Kopffüßler selbst, so daß man auch nicht mit Unrecht das Aussehen des Männchens mit demjenigen eines abgerissenen Arm- endes von einem gewöhnlichen Thiere verglichen hat. Die beiden Saug- napfreihen stehen mehr auf der Bauchseite, während die Rückenseite in zwei Dritteln ihrer Länge mit zwei Längsreihen von Kiemen besetzt ist, die aus vielen langen weichen Zöttchen zusammengesetzt sind. Am Ende des mit Saugnäpfen besetzten Körpers sieht man einen runden, etwas blasenförmi- gen Theil, der meist von silberglänzender Farbe ist und mit Samenthierchen gefüllt erscheint. Von diesem geht ein auf der Bauchfläche gelegenes, mus- kulöses Rohr aus, das nach vorn zu eine Oeffnung hat, aus welcher die fadenförmige Ruthe hervortritt. Die inneren Organe sind noch nicht mit solcher Genauigkeit erforscht, als es wohl wünschenswerth wäre. Die Haut ist mit denselben Farbenzellen besetzt, deren Spiel in der Haut der Armfüßler wir oben erwähnten. Auf der Rücken- seite, unmittelbar unter der Haut soll das Herz liegen; zu beiden Seiten laufen Gefäße, unter welchen man Arterien und Venen un- terschieden hat. Vielleicht ist ein Darm vorhanden. In dem Kör-
[Abbildung]
Fig 420.
Hectocotylas. Tremoctopodis. Das Thier von der Bauchſeite geſehen. a Kie- men. b Saugnäpfe. c Sa- menſack. d Ruthenſcheide. e Ruthe.
Die verkümmerten Männchen, welche man bis jetzt nur bei der Familie der achtfüßi- gen Papierboote geſehen hat, haben etwa die Geſtalt eines Wurmes, deſſen Körper zu beiden Seiten mit einer Menge von Saugnäpfen be- ſetzt iſt. Man hat ſie bis jetzt nur in der Mantelhöhle oder in dem Trichter, ſelten nur auf der inneren Fläche der Arme der Weibchen ſitzend gefunden, wo ſie lebhaft mit ihren Saug- näpfen umherkriechen, oder ſelbſt mit ſchlängeln- den Bewegungen im Waſſer ſchwimmen. Sie waren bisher ganz allgemein für Eingeweidewür- mer gehalten und unter dem Namen Hectocotylus unter die Saugwürmer eingereiht worden, bis man bei näherer Unterſuchung die wahre Na- tur dieſer Thiere erkannte, und ſich davon überzeugen mußte, daß in der That bei ſchein- bar ſehr nahe ſtehenden Thieren die einen voll- kommen entwickelte, die anderen gänzlich ver- kümmerte Männchen haben können. An dem wurmförmigen Körper dieſer Männchen fallen zuerſt die Saugnäpfe in die Augen, welche faſt an der ganzen Länge des Körpers zwei Reihen längs der Bauch- fläche bilden. Ihre Structur iſt vollkommen dieſelbe, wie diejenige der Saugnäpfe der Kopffüßler ſelbſt, ſo daß man auch nicht mit Unrecht das Ausſehen des Männchens mit demjenigen eines abgeriſſenen Arm- endes von einem gewöhnlichen Thiere verglichen hat. Die beiden Saug- napfreihen ſtehen mehr auf der Bauchſeite, während die Rückenſeite in zwei Dritteln ihrer Länge mit zwei Längsreihen von Kiemen beſetzt iſt, die aus vielen langen weichen Zöttchen zuſammengeſetzt ſind. Am Ende des mit Saugnäpfen beſetzten Körpers ſieht man einen runden, etwas blaſenförmi- gen Theil, der meiſt von ſilberglänzender Farbe iſt und mit Samenthierchen gefüllt erſcheint. Von dieſem geht ein auf der Bauchfläche gelegenes, mus- kulöſes Rohr aus, das nach vorn zu eine Oeffnung hat, aus welcher die fadenförmige Ruthe hervortritt. Die inneren Organe ſind noch nicht mit ſolcher Genauigkeit erforſcht, als es wohl wünſchenswerth wäre. Die Haut iſt mit denſelben Farbenzellen beſetzt, deren Spiel in der Haut der Armfüßler wir oben erwähnten. Auf der Rücken- ſeite, unmittelbar unter der Haut ſoll das Herz liegen; zu beiden Seiten laufen Gefäße, unter welchen man Arterien und Venen un- terſchieden hat. Vielleicht iſt ein Darm vorhanden. In dem Kör-
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[Abbildung Fig 420. Hectocotylas.
Tremoctopodis.
Das Thier von der
Bauchſeite geſehen. a Kie-
men. b Saugnäpfe. c Sa-
menſack. d Ruthenſcheide.
e Ruthe. ]
Die verkümmerten Männchen, welche
man bis jetzt nur bei der Familie der achtfüßi-
gen Papierboote geſehen hat, haben etwa die
Geſtalt eines Wurmes, deſſen Körper zu beiden
Seiten mit einer Menge von Saugnäpfen be-
ſetzt iſt. Man hat ſie bis jetzt nur in der
Mantelhöhle oder in dem Trichter, ſelten nur
auf der inneren Fläche der Arme der Weibchen
ſitzend gefunden, wo ſie lebhaft mit ihren Saug-
näpfen umherkriechen, oder ſelbſt mit ſchlängeln-
den Bewegungen im Waſſer ſchwimmen. Sie
waren bisher ganz allgemein für Eingeweidewür-
mer gehalten und unter dem Namen Hectocotylus
unter die Saugwürmer eingereiht worden, bis
man bei näherer Unterſuchung die wahre Na-
tur dieſer Thiere erkannte, und ſich davon
überzeugen mußte, daß in der That bei ſchein-
bar ſehr nahe ſtehenden Thieren die einen voll-
kommen entwickelte, die anderen gänzlich ver-
kümmerte Männchen haben können. An dem wurmförmigen Körper
dieſer Männchen fallen zuerſt die Saugnäpfe in die Augen, welche
faſt an der ganzen Länge des Körpers zwei Reihen längs der Bauch-
fläche bilden. Ihre Structur iſt vollkommen dieſelbe, wie diejenige der
Saugnäpfe der Kopffüßler ſelbſt, ſo daß man auch nicht mit Unrecht
das Ausſehen des Männchens mit demjenigen eines abgeriſſenen Arm-
endes von einem gewöhnlichen Thiere verglichen hat. Die beiden Saug-
napfreihen ſtehen mehr auf der Bauchſeite, während die Rückenſeite in zwei
Dritteln ihrer Länge mit zwei Längsreihen von Kiemen beſetzt iſt, die aus
vielen langen weichen Zöttchen zuſammengeſetzt ſind. Am Ende des mit
Saugnäpfen beſetzten Körpers ſieht man einen runden, etwas blaſenförmi-
gen Theil, der meiſt von ſilberglänzender Farbe iſt und mit Samenthierchen
gefüllt erſcheint. Von dieſem geht ein auf der Bauchfläche gelegenes, mus-
kulöſes Rohr aus, das nach vorn zu eine Oeffnung hat, aus welcher
die fadenförmige Ruthe hervortritt. Die inneren Organe ſind noch
nicht mit ſolcher Genauigkeit erforſcht, als es wohl wünſchenswerth
wäre. Die Haut iſt mit denſelben Farbenzellen beſetzt, deren Spiel
in der Haut der Armfüßler wir oben erwähnten. Auf der Rücken-
ſeite, unmittelbar unter der Haut ſoll das Herz liegen; zu beiden
Seiten laufen Gefäße, unter welchen man Arterien und Venen un-
terſchieden hat. Vielleicht iſt ein Darm vorhanden. In dem Kör-
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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/384>, abgerufen am 05.12.2024.
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