Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.die vermeintlichen Blüthen des Korall's entdeckt und dieselben weit- [Abbildung]
Fig. 1. läufig beschrieben. Ein Arzt in Mar-Korallenbaum mit entwickelten Polypen -- seille untersuchte die Sache genauer und fand zu seinem Erstaunen, daß diese vermeintlichen Blüthen wirk- liche Thiere seien, die sich nach Willkühr bewegten. Der Arzt theilte seine Entdeckung der Pariser Aka- demie mit; diese fand aber die Sache so gänzlich unwahrscheinlich, daß Reaumur Anfangs den Namen des Entdeckers nicht zu nennen wagte, um den Mann nicht dem öffentlichen Spotte auszusetzen. Heut zu Tage setzt sich derjenige dem Spotte aus, welcher aus Unkenntniß Polypen als Pflanzen beschreibt oder Koral- len für pflanzliche Erzeugnisse hält. Die Zweifel haben sich in unsern Tagen auf andere Körper über- [Abbildung]
Fig. 2. zu sich nehmen. So lebt in dem DarmkanaleOpalina aus dem Darm- der Frösche ein ziemlich großes Infusions- thierchen, vollkommen durchsichtig, das mit- telst Wimpern, die auf seiner Oberfläche an- gebracht sind, sich freiwillig in den Flüssigkeiten des Darmes umherbewegt und das ganz be- stimmt weder einen Mund, noch zerstreute Saugöffnungen besitzt. Viele Infusionsthier- chen, ja selbst hoch organisirte Eingeweide- würmer sind durchaus in demselben Falle, sie fristen ihr Leben nur dadurch, daß sie durch Ein- saugung ihrer Körperfläche Stoffe aus den Flüssigkeiten aufnehmen, in welchen sie leben. Die Aufnahme der Ernährungsstoffe geht hier die vermeintlichen Blüthen des Korall’s entdeckt und dieſelben weit- [Abbildung]
Fig. 1. läufig beſchrieben. Ein Arzt in Mar-Korallenbaum mit entwickelten Polypen — ſeille unterſuchte die Sache genauer und fand zu ſeinem Erſtaunen, daß dieſe vermeintlichen Blüthen wirk- liche Thiere ſeien, die ſich nach Willkühr bewegten. Der Arzt theilte ſeine Entdeckung der Pariſer Aka- demie mit; dieſe fand aber die Sache ſo gänzlich unwahrſcheinlich, daß Réaumur Anfangs den Namen des Entdeckers nicht zu nennen wagte, um den Mann nicht dem öffentlichen Spotte auszuſetzen. Heut zu Tage ſetzt ſich derjenige dem Spotte aus, welcher aus Unkenntniß Polypen als Pflanzen beſchreibt oder Koral- len für pflanzliche Erzeugniſſe hält. Die Zweifel haben ſich in unſern Tagen auf andere Körper über- [Abbildung]
Fig. 2. zu ſich nehmen. So lebt in dem DarmkanaleOpalina aus dem Darm- der Fröſche ein ziemlich großes Infuſions- thierchen, vollkommen durchſichtig, das mit- telſt Wimpern, die auf ſeiner Oberfläche an- gebracht ſind, ſich freiwillig in den Flüſſigkeiten des Darmes umherbewegt und das ganz be- ſtimmt weder einen Mund, noch zerſtreute Saugöffnungen beſitzt. Viele Infuſionsthier- chen, ja ſelbſt hoch organiſirte Eingeweide- würmer ſind durchaus in demſelben Falle, ſie friſten ihr Leben nur dadurch, daß ſie durch Ein- ſaugung ihrer Körperfläche Stoffe aus den Flüſſigkeiten aufnehmen, in welchen ſie leben. Die Aufnahme der Ernährungsſtoffe geht hier <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0037" n="31"/> die vermeintlichen Blüthen des Korall’s entdeckt und dieſelben weit-<lb/><figure><head>Fig. 1. </head><p>Korallenbaum mit entwickelten Polypen —<lb/> vermeintliche Blüthen.</p></figure><lb/> läufig beſchrieben. Ein Arzt in Mar-<lb/> ſeille unterſuchte die Sache genauer<lb/> und fand zu ſeinem Erſtaunen, daß<lb/> dieſe vermeintlichen Blüthen wirk-<lb/> liche Thiere ſeien, die ſich nach<lb/> Willkühr bewegten. Der Arzt theilte<lb/> ſeine Entdeckung der Pariſer Aka-<lb/> demie mit; dieſe fand aber die<lb/> Sache ſo gänzlich unwahrſcheinlich,<lb/> daß R<hi rendition="#aq">é</hi>aumur Anfangs den Namen<lb/> des Entdeckers nicht zu nennen wagte,<lb/> um den Mann nicht dem öffentlichen<lb/> Spotte auszuſetzen. Heut zu Tage<lb/> ſetzt ſich derjenige dem Spotte aus,<lb/> welcher aus Unkenntniß Polypen<lb/> als Pflanzen beſchreibt oder Koral-<lb/> len für pflanzliche Erzeugniſſe hält.</p><lb/> <p>Die Zweifel haben ſich in unſern Tagen auf andere Körper über-<lb/> tragen. Noch vor wenigen Jahren behauptete man, jedes Thier habe<lb/> einen <hi rendition="#g">Mund</hi> zur Aufnahme der Nahrung oder in Ermangelung des-<lb/> ſelben mehrere freie Oeffnungen; aber es giebt eine Menge von Thier-<lb/> weſen, die ganz gewiß und unzweifelhaft Thiere ſind und dennoch kei-<lb/> nen Mund beſitzen, keine äußere Oeffnung irgend einer Art haben,<lb/> ſondern ihre Nahrungsſtoffe durch Einſaugung auf der Körperfläche<lb/><figure><head>Fig. 2. </head><p><hi rendition="#aq">Opalina</hi> aus dem Darm-<lb/> ſchleime des Froſches.</p></figure><lb/> zu ſich nehmen. So lebt in dem Darmkanale<lb/> der Fröſche ein ziemlich großes Infuſions-<lb/> thierchen, vollkommen durchſichtig, das mit-<lb/> telſt Wimpern, die auf ſeiner Oberfläche an-<lb/> gebracht ſind, ſich freiwillig in den Flüſſigkeiten<lb/> des Darmes umherbewegt und das ganz be-<lb/> ſtimmt weder einen Mund, noch zerſtreute<lb/> Saugöffnungen beſitzt. Viele Infuſionsthier-<lb/> chen, ja ſelbſt hoch organiſirte Eingeweide-<lb/> würmer ſind durchaus in demſelben Falle, ſie<lb/> friſten ihr Leben nur dadurch, daß ſie durch Ein-<lb/> ſaugung ihrer Körperfläche Stoffe aus den<lb/> Flüſſigkeiten aufnehmen, in welchen ſie leben.<lb/> Die Aufnahme der Ernährungsſtoffe geht hier<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [31/0037]
die vermeintlichen Blüthen des Korall’s entdeckt und dieſelben weit-
[Abbildung Fig. 1. Korallenbaum mit entwickelten Polypen —
vermeintliche Blüthen.]
läufig beſchrieben. Ein Arzt in Mar-
ſeille unterſuchte die Sache genauer
und fand zu ſeinem Erſtaunen, daß
dieſe vermeintlichen Blüthen wirk-
liche Thiere ſeien, die ſich nach
Willkühr bewegten. Der Arzt theilte
ſeine Entdeckung der Pariſer Aka-
demie mit; dieſe fand aber die
Sache ſo gänzlich unwahrſcheinlich,
daß Réaumur Anfangs den Namen
des Entdeckers nicht zu nennen wagte,
um den Mann nicht dem öffentlichen
Spotte auszuſetzen. Heut zu Tage
ſetzt ſich derjenige dem Spotte aus,
welcher aus Unkenntniß Polypen
als Pflanzen beſchreibt oder Koral-
len für pflanzliche Erzeugniſſe hält.
Die Zweifel haben ſich in unſern Tagen auf andere Körper über-
tragen. Noch vor wenigen Jahren behauptete man, jedes Thier habe
einen Mund zur Aufnahme der Nahrung oder in Ermangelung des-
ſelben mehrere freie Oeffnungen; aber es giebt eine Menge von Thier-
weſen, die ganz gewiß und unzweifelhaft Thiere ſind und dennoch kei-
nen Mund beſitzen, keine äußere Oeffnung irgend einer Art haben,
ſondern ihre Nahrungsſtoffe durch Einſaugung auf der Körperfläche
[Abbildung Fig. 2. Opalina aus dem Darm-
ſchleime des Froſches.]
zu ſich nehmen. So lebt in dem Darmkanale
der Fröſche ein ziemlich großes Infuſions-
thierchen, vollkommen durchſichtig, das mit-
telſt Wimpern, die auf ſeiner Oberfläche an-
gebracht ſind, ſich freiwillig in den Flüſſigkeiten
des Darmes umherbewegt und das ganz be-
ſtimmt weder einen Mund, noch zerſtreute
Saugöffnungen beſitzt. Viele Infuſionsthier-
chen, ja ſelbſt hoch organiſirte Eingeweide-
würmer ſind durchaus in demſelben Falle, ſie
friſten ihr Leben nur dadurch, daß ſie durch Ein-
ſaugung ihrer Körperfläche Stoffe aus den
Flüſſigkeiten aufnehmen, in welchen ſie leben.
Die Aufnahme der Ernährungsſtoffe geht hier
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |