Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.

Bild:
<< vorherige Seite

meistens aus einer riemenförmigen, sehr beweglichen, mit langen Mus-
keln versehenen Hautleiste, welche zuweilen viel länger als der Körper
ist, und in einer eigenen Tasche vor oder neben dem Schlundkopfe
eingerollt liegt. Diese Zunge, welche ein eigentliches Greif- und Schöpf-
organ ist, kann aus dem Munde hervorgestülpt und zum Fassen und
Zermalmen der Beute benutzt werden. Zu diesem Endzwecke ist sie auf
ihrer Außenfläche entweder mit queren gezähnelten Platten, deren
Zähne in Längsreihen stehen, oder mit zwei Reihen langer und spitzer
Zähne versehen, welche zum Anspießen und Zerreiben der Beute die-
nen. Viele Schnecken nähren sich von Polypen und diese kratzen meist
mittelst der stacheligen Zunge die Polypenstöcke förmlich ab; andere
bohren Schnecken und Muschelthiere mittelst ihrer scharfen Kiefer an
und fressen sie aus. Die Wenigsten nur ernähren sich von Pflanzen-
stoffen, welche sie mit Zunge und Kiefern zernagen. Die meisten sind
nächtliche Thiere, welche Tags über still sitzen und nur Nachts ihrem
Raube nachgehen.

Der Darmkanal, in welchen sich die so stark bewaffnete Mund-

[Abbildung] Fig. 339.

Anatomie der Weinbergschnecke. (Helix pomatia.)
Die Lungenhöhle und der mittlere Theil des Leibes
sind aufgeschlitzt und der Mantel zurückgeschlagen, so daß
man die innere Fläche des Lungensackes und den Anfang
des Darmes sieht. pi Der Fuß. t Die eingezogenen Fühl-
hörner, die nur noch warzenartig vertreten. d--e Der
Magen. f Die Leber mit der sich darin verzweigenden
Körperarterie ar. o Der Eierstock, theilweise noch in der
sehnigen Haut eingeschlossen, welche an der letzten Win-
dung des Körpers belassen ist. p Die aufgeschlitzten und
zurückgeschlagenen Wandungen der Lungenhöhle, auf wel-
cher sich die Lungenarterie ap verzweigt. c Das Herz,

höhle fortsetzt, ist mei-
stens sehr einfach gebil-
det. Eine mehr oder min-
der lange Speiseröhre,
die meist mit Längsfalten
ausgekleidet ist, führt in
einen Magen, der ge-
wöhnlich dünnwandig,
bei einigen Gattungen
aber sogar auf seiner
innern Seite mit harten
Leisten oder selbst hor-
nigen Zähnen besetzt ist.
Von hier aus windet sich
ein sehr dünnwandiger
Darm durch die Massen
der Eingeweide, beson-
ders der Leber, hindurch
und öffnet sich meist an
der rechten Seite des
Körpers in der Nähe der

meiſtens aus einer riemenförmigen, ſehr beweglichen, mit langen Mus-
keln verſehenen Hautleiſte, welche zuweilen viel länger als der Körper
iſt, und in einer eigenen Taſche vor oder neben dem Schlundkopfe
eingerollt liegt. Dieſe Zunge, welche ein eigentliches Greif- und Schöpf-
organ iſt, kann aus dem Munde hervorgeſtülpt und zum Faſſen und
Zermalmen der Beute benutzt werden. Zu dieſem Endzwecke iſt ſie auf
ihrer Außenfläche entweder mit queren gezähnelten Platten, deren
Zähne in Längsreihen ſtehen, oder mit zwei Reihen langer und ſpitzer
Zähne verſehen, welche zum Anſpießen und Zerreiben der Beute die-
nen. Viele Schnecken nähren ſich von Polypen und dieſe kratzen meiſt
mittelſt der ſtacheligen Zunge die Polypenſtöcke förmlich ab; andere
bohren Schnecken und Muſchelthiere mittelſt ihrer ſcharfen Kiefer an
und freſſen ſie aus. Die Wenigſten nur ernähren ſich von Pflanzen-
ſtoffen, welche ſie mit Zunge und Kiefern zernagen. Die meiſten ſind
nächtliche Thiere, welche Tags über ſtill ſitzen und nur Nachts ihrem
Raube nachgehen.

Der Darmkanal, in welchen ſich die ſo ſtark bewaffnete Mund-

[Abbildung] Fig. 339.

Anatomie der Weinbergſchnecke. (Helix pomatia.)
Die Lungenhöhle und der mittlere Theil des Leibes
ſind aufgeſchlitzt und der Mantel zurückgeſchlagen, ſo daß
man die innere Fläche des Lungenſackes und den Anfang
des Darmes ſieht. pi Der Fuß. t Die eingezogenen Fühl-
hörner, die nur noch warzenartig vertreten. d—e Der
Magen. f Die Leber mit der ſich darin verzweigenden
Körperarterie ar. o Der Eierſtock, theilweiſe noch in der
ſehnigen Haut eingeſchloſſen, welche an der letzten Win-
dung des Körpers belaſſen iſt. p Die aufgeſchlitzten und
zurückgeſchlagenen Wandungen der Lungenhöhle, auf wel-
cher ſich die Lungenarterie ap verzweigt. c Das Herz,

höhle fortſetzt, iſt mei-
ſtens ſehr einfach gebil-
det. Eine mehr oder min-
der lange Speiſeröhre,
die meiſt mit Längsfalten
ausgekleidet iſt, führt in
einen Magen, der ge-
wöhnlich dünnwandig,
bei einigen Gattungen
aber ſogar auf ſeiner
innern Seite mit harten
Leiſten oder ſelbſt hor-
nigen Zähnen beſetzt iſt.
Von hier aus windet ſich
ein ſehr dünnwandiger
Darm durch die Maſſen
der Eingeweide, beſon-
ders der Leber, hindurch
und öffnet ſich meiſt an
der rechten Seite des
Körpers in der Nähe der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0330" n="324"/>
mei&#x017F;tens aus einer riemenförmigen, &#x017F;ehr beweglichen, mit langen Mus-<lb/>
keln ver&#x017F;ehenen Hautlei&#x017F;te, welche zuweilen viel länger als der Körper<lb/>
i&#x017F;t, und in einer eigenen Ta&#x017F;che vor oder neben dem Schlundkopfe<lb/>
eingerollt liegt. Die&#x017F;e Zunge, welche ein eigentliches Greif- und Schöpf-<lb/>
organ i&#x017F;t, kann aus dem Munde hervorge&#x017F;tülpt und zum Fa&#x017F;&#x017F;en und<lb/>
Zermalmen der Beute benutzt werden. Zu die&#x017F;em Endzwecke i&#x017F;t &#x017F;ie auf<lb/>
ihrer Außenfläche entweder mit queren gezähnelten Platten, deren<lb/>
Zähne in Längsreihen &#x017F;tehen, oder mit zwei Reihen langer und &#x017F;pitzer<lb/>
Zähne ver&#x017F;ehen, welche zum An&#x017F;pießen und Zerreiben der Beute die-<lb/>
nen. Viele Schnecken nähren &#x017F;ich von Polypen und die&#x017F;e kratzen mei&#x017F;t<lb/>
mittel&#x017F;t der &#x017F;tacheligen Zunge die Polypen&#x017F;töcke förmlich ab; andere<lb/>
bohren Schnecken und Mu&#x017F;chelthiere mittel&#x017F;t ihrer &#x017F;charfen Kiefer an<lb/>
und fre&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie aus. Die Wenig&#x017F;ten nur ernähren &#x017F;ich von Pflanzen-<lb/>
&#x017F;toffen, welche &#x017F;ie mit Zunge und Kiefern zernagen. Die mei&#x017F;ten &#x017F;ind<lb/>
nächtliche Thiere, welche Tags über &#x017F;till &#x017F;itzen und nur Nachts ihrem<lb/>
Raube nachgehen.</p><lb/>
          <p>Der <hi rendition="#g">Darmkanal</hi>, in welchen &#x017F;ich die &#x017F;o &#x017F;tark bewaffnete Mund-<lb/><figure xml:id="figure-0330" next="#figure-0331"><head>Fig. 339. </head><p xml:id="p-0330" next="#p-0331">Anatomie der Weinberg&#x017F;chnecke. <hi rendition="#aq">(Helix pomatia.)</hi><lb/>
Die Lungenhöhle und der mittlere Theil des Leibes<lb/>
&#x017F;ind aufge&#x017F;chlitzt und der Mantel zurückge&#x017F;chlagen, &#x017F;o daß<lb/>
man die innere Fläche des Lungen&#x017F;ackes und den Anfang<lb/>
des Darmes &#x017F;ieht. <hi rendition="#aq">pi</hi> Der Fuß. <hi rendition="#aq">t</hi> Die eingezogenen Fühl-<lb/>
hörner, die nur noch warzenartig vertreten. <hi rendition="#aq">d&#x2014;e</hi> Der<lb/>
Magen. <hi rendition="#aq">f</hi> Die Leber mit der &#x017F;ich darin verzweigenden<lb/>
Körperarterie <hi rendition="#aq">ar. o</hi> Der Eier&#x017F;tock, theilwei&#x017F;e noch in der<lb/>
&#x017F;ehnigen Haut einge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, welche an der letzten Win-<lb/>
dung des Körpers bela&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t. <hi rendition="#aq">p</hi> Die aufge&#x017F;chlitzten und<lb/>
zurückge&#x017F;chlagenen Wandungen der Lungenhöhle, auf wel-<lb/>
cher &#x017F;ich die Lungenarterie <hi rendition="#aq">ap</hi> verzweigt. <hi rendition="#aq">c</hi> Das Herz,</p></figure><lb/>
höhle fort&#x017F;etzt, i&#x017F;t mei-<lb/>
&#x017F;tens &#x017F;ehr einfach gebil-<lb/>
det. Eine mehr oder min-<lb/>
der lange Spei&#x017F;eröhre,<lb/>
die mei&#x017F;t mit Längsfalten<lb/>
ausgekleidet i&#x017F;t, führt in<lb/>
einen Magen, der ge-<lb/>
wöhnlich dünnwandig,<lb/>
bei einigen Gattungen<lb/>
aber &#x017F;ogar auf &#x017F;einer<lb/>
innern Seite mit harten<lb/>
Lei&#x017F;ten oder &#x017F;elb&#x017F;t hor-<lb/>
nigen Zähnen be&#x017F;etzt i&#x017F;t.<lb/>
Von hier aus windet &#x017F;ich<lb/>
ein &#x017F;ehr dünnwandiger<lb/>
Darm durch die Ma&#x017F;&#x017F;en<lb/>
der Eingeweide, be&#x017F;on-<lb/>
ders der Leber, hindurch<lb/>
und öffnet &#x017F;ich mei&#x017F;t an<lb/>
der rechten Seite des<lb/>
Körpers in der Nähe der<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[324/0330] meiſtens aus einer riemenförmigen, ſehr beweglichen, mit langen Mus- keln verſehenen Hautleiſte, welche zuweilen viel länger als der Körper iſt, und in einer eigenen Taſche vor oder neben dem Schlundkopfe eingerollt liegt. Dieſe Zunge, welche ein eigentliches Greif- und Schöpf- organ iſt, kann aus dem Munde hervorgeſtülpt und zum Faſſen und Zermalmen der Beute benutzt werden. Zu dieſem Endzwecke iſt ſie auf ihrer Außenfläche entweder mit queren gezähnelten Platten, deren Zähne in Längsreihen ſtehen, oder mit zwei Reihen langer und ſpitzer Zähne verſehen, welche zum Anſpießen und Zerreiben der Beute die- nen. Viele Schnecken nähren ſich von Polypen und dieſe kratzen meiſt mittelſt der ſtacheligen Zunge die Polypenſtöcke förmlich ab; andere bohren Schnecken und Muſchelthiere mittelſt ihrer ſcharfen Kiefer an und freſſen ſie aus. Die Wenigſten nur ernähren ſich von Pflanzen- ſtoffen, welche ſie mit Zunge und Kiefern zernagen. Die meiſten ſind nächtliche Thiere, welche Tags über ſtill ſitzen und nur Nachts ihrem Raube nachgehen. Der Darmkanal, in welchen ſich die ſo ſtark bewaffnete Mund- [Abbildung Fig. 339. Anatomie der Weinbergſchnecke. (Helix pomatia.) Die Lungenhöhle und der mittlere Theil des Leibes ſind aufgeſchlitzt und der Mantel zurückgeſchlagen, ſo daß man die innere Fläche des Lungenſackes und den Anfang des Darmes ſieht. pi Der Fuß. t Die eingezogenen Fühl- hörner, die nur noch warzenartig vertreten. d—e Der Magen. f Die Leber mit der ſich darin verzweigenden Körperarterie ar. o Der Eierſtock, theilweiſe noch in der ſehnigen Haut eingeſchloſſen, welche an der letzten Win- dung des Körpers belaſſen iſt. p Die aufgeſchlitzten und zurückgeſchlagenen Wandungen der Lungenhöhle, auf wel- cher ſich die Lungenarterie ap verzweigt. c Das Herz,] höhle fortſetzt, iſt mei- ſtens ſehr einfach gebil- det. Eine mehr oder min- der lange Speiſeröhre, die meiſt mit Längsfalten ausgekleidet iſt, führt in einen Magen, der ge- wöhnlich dünnwandig, bei einigen Gattungen aber ſogar auf ſeiner innern Seite mit harten Leiſten oder ſelbſt hor- nigen Zähnen beſetzt iſt. Von hier aus windet ſich ein ſehr dünnwandiger Darm durch die Maſſen der Eingeweide, beſon- ders der Leber, hindurch und öffnet ſich meiſt an der rechten Seite des Körpers in der Nähe der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/330
Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/330>, abgerufen am 18.05.2024.