Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.

Bild:
<< vorherige Seite

niemals eine Durchbohrung zum Durchlassen eines Stieles, wie die
meisten übrigen Armfüßler. Es giebt keine lebenden Repräsentanten
dieser Ordnung und sie finden sich versteinert einzig nur in der Kreide
und hauptsächlich nur in den unteren Schichten derselben, wo sie durch
ihre Vereinigung in Bänken eigenthümliche Zonen bilden, die zur Ver-
folgung der Schichten äußerst werthvoll sind. Wir unterscheiden in
dieser Ordnung zwei Familien.

Die Roßmuscheln (Hippurida) sind stets aus zwei ungleichen
Schalen zusammengesetzt, die beide eine kegelförmige Gestalt haben.
Die untere Schale ist bei weitem die größte, unten und oft auch an
der Seite in der Art festgewachsen, daß die Spitze des Kegels auf
dem Boden aufsitzt, während die hohle Basis nach oben gewendet
ist. Die obere Schale ist mehr oder minder flach, deckelartig; ein
Schloß fehlt durchaus, ebenso ein Band, und der Deckel scheint
nur durch seine Schwere auf der Höhlung der unteren Schale fixirt.
Die Schalen sind ungemein dick, ihre äußere Form höchst unregel-
mäßig, wie dies bei allen angehefteten, Bänke bildenden Muscheln vor-
kömmt, die sich in ihrem Wachsthume nach dem gerade vorhandenen Raume
richten müssen. Die Struktur der Schalen ist zellig; die inneren Höh-
len, worin das Thier lebt, einigermaßen der conischen Gestalt der
Schale entsprechend. Nicht selten finden sich die Schalen mehr oder
minder zerstört, und nur die Gesteinsmasse, welche die inneren Höh-
len erfüllte, erhalten. Diese Steinkerne erscheinen dann aus zwei
ungleichen Kegeln zusammengesetzt, welche mit ihrer Basis an einander
stehen und früher als besondere Gattungen unter den Namen Biros-
trites
und Sodamia aufgeführt wurden. In den unteren Theilen der
Schalen zeigen sich zuweilen mehr oder minder vollständige Querwände,
die man mit den Kammern der Cephalopoden verwechselte. Da man
keine lebenden Mollusken kennt, welche den Rudisten ähnlich sehen,
so wurden die mannigfachsten Ansichten über sie ausgesprochen, indem
die Einen sie in die Nähe der Seescheiden oder der Rankenfüßer, die
Anderen sie zu den Polypen stellten. Da man indessen bei wohl er-
haltenen Exemplaren nicht nur mehrfache Muskeleindrücke, sondern
auch Spuren von halbmondförmig gebogenen Armen sieht, so kann
jetzt wohl über ihre Stellung kein Zweifel mehr obwalten. Hippuri-
tes; Sphaerulites; Radiolites.

Die Familien der Ziegenmuscheln (Caprinida), welche ebenfalls
nur in der Kreide vorkommt, unterscheidet sich von den Roßmuscheln
dadurch, daß die beiden Schalen nicht conisch, sondern spiralig einge-

Vogt. Zoologische Briefe. I. 19

niemals eine Durchbohrung zum Durchlaſſen eines Stieles, wie die
meiſten übrigen Armfüßler. Es giebt keine lebenden Repräſentanten
dieſer Ordnung und ſie finden ſich verſteinert einzig nur in der Kreide
und hauptſächlich nur in den unteren Schichten derſelben, wo ſie durch
ihre Vereinigung in Bänken eigenthümliche Zonen bilden, die zur Ver-
folgung der Schichten äußerſt werthvoll ſind. Wir unterſcheiden in
dieſer Ordnung zwei Familien.

Die Roßmuſcheln (Hippurida) ſind ſtets aus zwei ungleichen
Schalen zuſammengeſetzt, die beide eine kegelförmige Geſtalt haben.
Die untere Schale iſt bei weitem die größte, unten und oft auch an
der Seite in der Art feſtgewachſen, daß die Spitze des Kegels auf
dem Boden aufſitzt, während die hohle Baſis nach oben gewendet
iſt. Die obere Schale iſt mehr oder minder flach, deckelartig; ein
Schloß fehlt durchaus, ebenſo ein Band, und der Deckel ſcheint
nur durch ſeine Schwere auf der Höhlung der unteren Schale fixirt.
Die Schalen ſind ungemein dick, ihre äußere Form höchſt unregel-
mäßig, wie dies bei allen angehefteten, Bänke bildenden Muſcheln vor-
kömmt, die ſich in ihrem Wachsthume nach dem gerade vorhandenen Raume
richten müſſen. Die Struktur der Schalen iſt zellig; die inneren Höh-
len, worin das Thier lebt, einigermaßen der coniſchen Geſtalt der
Schale entſprechend. Nicht ſelten finden ſich die Schalen mehr oder
minder zerſtört, und nur die Geſteinsmaſſe, welche die inneren Höh-
len erfüllte, erhalten. Dieſe Steinkerne erſcheinen dann aus zwei
ungleichen Kegeln zuſammengeſetzt, welche mit ihrer Baſis an einander
ſtehen und früher als beſondere Gattungen unter den Namen Biros-
trites
und Sodamia aufgeführt wurden. In den unteren Theilen der
Schalen zeigen ſich zuweilen mehr oder minder vollſtändige Querwände,
die man mit den Kammern der Cephalopoden verwechſelte. Da man
keine lebenden Mollusken kennt, welche den Rudiſten ähnlich ſehen,
ſo wurden die mannigfachſten Anſichten über ſie ausgeſprochen, indem
die Einen ſie in die Nähe der Seeſcheiden oder der Rankenfüßer, die
Anderen ſie zu den Polypen ſtellten. Da man indeſſen bei wohl er-
haltenen Exemplaren nicht nur mehrfache Muskeleindrücke, ſondern
auch Spuren von halbmondförmig gebogenen Armen ſieht, ſo kann
jetzt wohl über ihre Stellung kein Zweifel mehr obwalten. Hippuri-
tes; Sphaerulites; Radiolites.

Die Familien der Ziegenmuſcheln (Caprinida), welche ebenfalls
nur in der Kreide vorkommt, unterſcheidet ſich von den Roßmuſcheln
dadurch, daß die beiden Schalen nicht coniſch, ſondern ſpiralig einge-

Vogt. Zoologiſche Briefe. I. 19
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0295" n="289"/>
niemals eine Durchbohrung zum Durchla&#x017F;&#x017F;en eines Stieles, wie die<lb/>
mei&#x017F;ten übrigen Armfüßler. Es giebt keine lebenden Reprä&#x017F;entanten<lb/>
die&#x017F;er Ordnung und &#x017F;ie finden &#x017F;ich ver&#x017F;teinert einzig nur in der Kreide<lb/>
und haupt&#x017F;ächlich nur in den unteren Schichten der&#x017F;elben, wo &#x017F;ie durch<lb/>
ihre Vereinigung in Bänken eigenthümliche Zonen bilden, die zur Ver-<lb/>
folgung der Schichten äußer&#x017F;t werthvoll &#x017F;ind. Wir unter&#x017F;cheiden in<lb/>
die&#x017F;er Ordnung zwei Familien.</p><lb/>
            <p>Die <hi rendition="#b">Roßmu&#x017F;cheln</hi> (<hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">Hippurida</hi></hi>) &#x017F;ind &#x017F;tets aus zwei ungleichen<lb/>
Schalen zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzt, die beide eine kegelförmige Ge&#x017F;talt haben.<lb/>
Die untere Schale i&#x017F;t bei weitem die größte, unten und oft auch an<lb/>
der Seite in der Art fe&#x017F;tgewach&#x017F;en, daß die Spitze des Kegels auf<lb/>
dem Boden auf&#x017F;itzt, während die hohle Ba&#x017F;is nach oben gewendet<lb/>
i&#x017F;t. Die obere Schale i&#x017F;t mehr oder minder flach, deckelartig; ein<lb/>
Schloß fehlt durchaus, eben&#x017F;o ein Band, und der Deckel &#x017F;cheint<lb/>
nur durch &#x017F;eine Schwere auf der Höhlung der unteren Schale fixirt.<lb/>
Die Schalen &#x017F;ind ungemein dick, ihre äußere Form höch&#x017F;t unregel-<lb/>
mäßig, wie dies bei allen angehefteten, Bänke bildenden Mu&#x017F;cheln vor-<lb/>
kömmt, die &#x017F;ich in ihrem Wachsthume nach dem gerade vorhandenen Raume<lb/>
richten mü&#x017F;&#x017F;en. Die Struktur der Schalen i&#x017F;t zellig; die inneren Höh-<lb/>
len, worin das Thier lebt, einigermaßen der coni&#x017F;chen Ge&#x017F;talt der<lb/>
Schale ent&#x017F;prechend. Nicht &#x017F;elten finden &#x017F;ich die Schalen mehr oder<lb/>
minder zer&#x017F;tört, und nur die Ge&#x017F;teinsma&#x017F;&#x017F;e, welche die inneren Höh-<lb/>
len erfüllte, erhalten. Die&#x017F;e Steinkerne er&#x017F;cheinen dann aus zwei<lb/>
ungleichen Kegeln zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzt, welche mit ihrer Ba&#x017F;is an einander<lb/>
&#x017F;tehen und früher als be&#x017F;ondere Gattungen unter den Namen <hi rendition="#aq">Biros-<lb/>
trites</hi> und <hi rendition="#aq">Sodamia</hi> aufgeführt wurden. In den unteren Theilen der<lb/>
Schalen zeigen &#x017F;ich zuweilen mehr oder minder voll&#x017F;tändige Querwände,<lb/>
die man mit den Kammern der Cephalopoden verwech&#x017F;elte. Da man<lb/>
keine lebenden Mollusken kennt, welche den Rudi&#x017F;ten ähnlich &#x017F;ehen,<lb/>
&#x017F;o wurden die mannigfach&#x017F;ten An&#x017F;ichten über &#x017F;ie ausge&#x017F;prochen, indem<lb/>
die Einen &#x017F;ie in die Nähe der See&#x017F;cheiden oder der Rankenfüßer, die<lb/>
Anderen &#x017F;ie zu den Polypen &#x017F;tellten. Da man inde&#x017F;&#x017F;en bei wohl er-<lb/>
haltenen Exemplaren nicht nur mehrfache Muskeleindrücke, &#x017F;ondern<lb/>
auch Spuren von halbmondförmig gebogenen Armen &#x017F;ieht, &#x017F;o kann<lb/>
jetzt wohl über ihre Stellung kein Zweifel mehr obwalten. <hi rendition="#aq">Hippuri-<lb/>
tes; Sphaerulites; Radiolites.</hi></p><lb/>
            <p>Die Familien der <hi rendition="#b">Ziegenmu&#x017F;cheln</hi> (<hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">Caprinida</hi></hi>), welche ebenfalls<lb/>
nur in der Kreide vorkommt, unter&#x017F;cheidet &#x017F;ich von den Roßmu&#x017F;cheln<lb/>
dadurch, daß die beiden Schalen nicht coni&#x017F;ch, &#x017F;ondern &#x017F;piralig einge-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Vogt. Zoologi&#x017F;che Briefe. <hi rendition="#aq">I.</hi> 19</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[289/0295] niemals eine Durchbohrung zum Durchlaſſen eines Stieles, wie die meiſten übrigen Armfüßler. Es giebt keine lebenden Repräſentanten dieſer Ordnung und ſie finden ſich verſteinert einzig nur in der Kreide und hauptſächlich nur in den unteren Schichten derſelben, wo ſie durch ihre Vereinigung in Bänken eigenthümliche Zonen bilden, die zur Ver- folgung der Schichten äußerſt werthvoll ſind. Wir unterſcheiden in dieſer Ordnung zwei Familien. Die Roßmuſcheln (Hippurida) ſind ſtets aus zwei ungleichen Schalen zuſammengeſetzt, die beide eine kegelförmige Geſtalt haben. Die untere Schale iſt bei weitem die größte, unten und oft auch an der Seite in der Art feſtgewachſen, daß die Spitze des Kegels auf dem Boden aufſitzt, während die hohle Baſis nach oben gewendet iſt. Die obere Schale iſt mehr oder minder flach, deckelartig; ein Schloß fehlt durchaus, ebenſo ein Band, und der Deckel ſcheint nur durch ſeine Schwere auf der Höhlung der unteren Schale fixirt. Die Schalen ſind ungemein dick, ihre äußere Form höchſt unregel- mäßig, wie dies bei allen angehefteten, Bänke bildenden Muſcheln vor- kömmt, die ſich in ihrem Wachsthume nach dem gerade vorhandenen Raume richten müſſen. Die Struktur der Schalen iſt zellig; die inneren Höh- len, worin das Thier lebt, einigermaßen der coniſchen Geſtalt der Schale entſprechend. Nicht ſelten finden ſich die Schalen mehr oder minder zerſtört, und nur die Geſteinsmaſſe, welche die inneren Höh- len erfüllte, erhalten. Dieſe Steinkerne erſcheinen dann aus zwei ungleichen Kegeln zuſammengeſetzt, welche mit ihrer Baſis an einander ſtehen und früher als beſondere Gattungen unter den Namen Biros- trites und Sodamia aufgeführt wurden. In den unteren Theilen der Schalen zeigen ſich zuweilen mehr oder minder vollſtändige Querwände, die man mit den Kammern der Cephalopoden verwechſelte. Da man keine lebenden Mollusken kennt, welche den Rudiſten ähnlich ſehen, ſo wurden die mannigfachſten Anſichten über ſie ausgeſprochen, indem die Einen ſie in die Nähe der Seeſcheiden oder der Rankenfüßer, die Anderen ſie zu den Polypen ſtellten. Da man indeſſen bei wohl er- haltenen Exemplaren nicht nur mehrfache Muskeleindrücke, ſondern auch Spuren von halbmondförmig gebogenen Armen ſieht, ſo kann jetzt wohl über ihre Stellung kein Zweifel mehr obwalten. Hippuri- tes; Sphaerulites; Radiolites. Die Familien der Ziegenmuſcheln (Caprinida), welche ebenfalls nur in der Kreide vorkommt, unterſcheidet ſich von den Roßmuſcheln dadurch, daß die beiden Schalen nicht coniſch, ſondern ſpiralig einge- Vogt. Zoologiſche Briefe. I. 19

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/295
Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/295>, abgerufen am 04.12.2024.