bracht, welche einen oft bedeutend langen Rüssel enthält, der nach Außen hervorgestülpt werden kann und an dessen Grunde sich eine dolchähnliche Waffe befindet, mit welcher wahrscheinlich die Beute durch- bohrt und dann ausgesogen wird. Das Gefäßsystem besteht aus zwei seitlichen und einem mittleren, auf der Rückenfläche verlaufenden Stamme, in denen eine lebhafte Flimmerbewegung bemerkt werden kann und die sich vorn und hinten durch Querschlingen vereinigen. Bei einigen Gattungen ist das Blut, welches diese Gefäße führen, gelb oder roth gefärbt. Die Geschlechtsorgane sind bei allen diesen Würmern noch sehr ungenügend erforscht, jedoch so weit bekannt, daß sie nicht, wie die Sohlenwürmer, Hermaphroditen, sondern eingeschlechtige Thiere sind, deren Geschlechtstheile sich meist periodisch entwickeln. Bei den nieder- stehenden rüssellosen Schnurwürmern bilden die Geschlechtstheile einfache Säcke, in denen sich Eier oder höchst sonderbare Samenthierchen ent- wickeln. Bei den eigentlichen Nemertiden scheinen sie aus trauben- artigen Blindsäcken zu bestehen, die auf der äußern Fläche des Darm- kanales aufsitzen und die bei dem einen Individuum Eier, bei dem andern Samen erzeugen. Die entwickelten Eier fallen in seitliche Räume und scheinen durch Oeffnungen an den Seiten nach Außen zu gelangen. Begattungsorgane hat man noch nicht gesehen. Die Eier werden in Schnüren gelegt und es entwickelt sich in ihnen aus jedem Dotter, deren oft mehrere gemeinschaftlich in einer Gallerthülse eingeschlossen sind, ein rundlicher, mit Wimpern versehener Embryo, der nach eini- ger Zeit die Gallerthülse durchbricht. Diese Embryonen lassen in ihrem Inneren einen dunkleren Kern wahrnehmen, der sich bald schärfer ab- grenzt und eigene wurmförmige Bewegungen macht. Endlich durch- bricht der Wurmkörper die flimmernde Hülle, die er verschrumpft zurückläßt, während er selbst weiter zum Wurme auswächst. Es zeigt sich also hier ein ganz ähnlicher Prozeß, wie bei den Embryonen der Saugwürmer, nur mit dem Unterschiede, daß dort innerhalb des in- fusorienartigen Embryo's ein Keimschlauch, hier aber der junge Wurm sich ausbildet, welcher dem Mutterthiere ähnlich wird. Außerdem pflanzen sich alle diese Würmer durch freiwillige Theilung fort, indem der abgeschnürte Körpertheil zu einem neuen Thiere auswächst.
bracht, welche einen oft bedeutend langen Rüſſel enthält, der nach Außen hervorgeſtülpt werden kann und an deſſen Grunde ſich eine dolchähnliche Waffe befindet, mit welcher wahrſcheinlich die Beute durch- bohrt und dann ausgeſogen wird. Das Gefäßſyſtem beſteht aus zwei ſeitlichen und einem mittleren, auf der Rückenfläche verlaufenden Stamme, in denen eine lebhafte Flimmerbewegung bemerkt werden kann und die ſich vorn und hinten durch Querſchlingen vereinigen. Bei einigen Gattungen iſt das Blut, welches dieſe Gefäße führen, gelb oder roth gefärbt. Die Geſchlechtsorgane ſind bei allen dieſen Würmern noch ſehr ungenügend erforſcht, jedoch ſo weit bekannt, daß ſie nicht, wie die Sohlenwürmer, Hermaphroditen, ſondern eingeſchlechtige Thiere ſind, deren Geſchlechtstheile ſich meiſt periodiſch entwickeln. Bei den nieder- ſtehenden rüſſelloſen Schnurwürmern bilden die Geſchlechtstheile einfache Säcke, in denen ſich Eier oder höchſt ſonderbare Samenthierchen ent- wickeln. Bei den eigentlichen Nemertiden ſcheinen ſie aus trauben- artigen Blindſäcken zu beſtehen, die auf der äußern Fläche des Darm- kanales aufſitzen und die bei dem einen Individuum Eier, bei dem andern Samen erzeugen. Die entwickelten Eier fallen in ſeitliche Räume und ſcheinen durch Oeffnungen an den Seiten nach Außen zu gelangen. Begattungsorgane hat man noch nicht geſehen. Die Eier werden in Schnüren gelegt und es entwickelt ſich in ihnen aus jedem Dotter, deren oft mehrere gemeinſchaftlich in einer Gallerthülſe eingeſchloſſen ſind, ein rundlicher, mit Wimpern verſehener Embryo, der nach eini- ger Zeit die Gallerthülſe durchbricht. Dieſe Embryonen laſſen in ihrem Inneren einen dunkleren Kern wahrnehmen, der ſich bald ſchärfer ab- grenzt und eigene wurmförmige Bewegungen macht. Endlich durch- bricht der Wurmkörper die flimmernde Hülle, die er verſchrumpft zurückläßt, während er ſelbſt weiter zum Wurme auswächſt. Es zeigt ſich alſo hier ein ganz ähnlicher Prozeß, wie bei den Embryonen der Saugwürmer, nur mit dem Unterſchiede, daß dort innerhalb des in- fuſorienartigen Embryo’s ein Keimſchlauch, hier aber der junge Wurm ſich ausbildet, welcher dem Mutterthiere ähnlich wird. Außerdem pflanzen ſich alle dieſe Würmer durch freiwillige Theilung fort, indem der abgeſchnürte Körpertheil zu einem neuen Thiere auswächſt.
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bracht, welche einen oft bedeutend langen Rüſſel enthält, der nach
Außen hervorgeſtülpt werden kann und an deſſen Grunde ſich eine
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bohrt und dann ausgeſogen wird. Das Gefäßſyſtem beſteht aus
zwei ſeitlichen und einem mittleren, auf der Rückenfläche verlaufenden
Stamme, in denen eine lebhafte Flimmerbewegung bemerkt werden
kann und die ſich vorn und hinten durch Querſchlingen vereinigen.
Bei einigen Gattungen iſt das Blut, welches dieſe Gefäße führen, gelb oder
roth gefärbt. Die Geſchlechtsorgane ſind bei allen dieſen Würmern
noch ſehr ungenügend erforſcht, jedoch ſo weit bekannt, daß ſie nicht, wie die
Sohlenwürmer, Hermaphroditen, ſondern eingeſchlechtige Thiere ſind,
deren Geſchlechtstheile ſich meiſt periodiſch entwickeln. Bei den nieder-
ſtehenden rüſſelloſen Schnurwürmern bilden die Geſchlechtstheile einfache
Säcke, in denen ſich Eier oder höchſt ſonderbare Samenthierchen ent-
wickeln. Bei den eigentlichen Nemertiden ſcheinen ſie aus trauben-
artigen Blindſäcken zu beſtehen, die auf der äußern Fläche des Darm-
kanales aufſitzen und die bei dem einen Individuum Eier, bei dem
andern Samen erzeugen. Die entwickelten Eier fallen in ſeitliche Räume
und ſcheinen durch Oeffnungen an den Seiten nach Außen zu gelangen.
Begattungsorgane hat man noch nicht geſehen. Die Eier werden in
Schnüren gelegt und es entwickelt ſich in ihnen aus jedem Dotter,
deren oft mehrere gemeinſchaftlich in einer Gallerthülſe eingeſchloſſen
ſind, ein rundlicher, mit Wimpern verſehener Embryo, der nach eini-
ger Zeit die Gallerthülſe durchbricht. Dieſe Embryonen laſſen in ihrem
Inneren einen dunkleren Kern wahrnehmen, der ſich bald ſchärfer ab-
grenzt und eigene wurmförmige Bewegungen macht. Endlich durch-
bricht der Wurmkörper die flimmernde Hülle, die er verſchrumpft
zurückläßt, während er ſelbſt weiter zum Wurme auswächſt. Es zeigt
ſich alſo hier ein ganz ähnlicher Prozeß, wie bei den Embryonen der
Saugwürmer, nur mit dem Unterſchiede, daß dort innerhalb des in-
fuſorienartigen Embryo’s ein Keimſchlauch, hier aber der junge Wurm
ſich ausbildet, welcher dem Mutterthiere ähnlich wird. Außerdem
pflanzen ſich alle dieſe Würmer durch freiwillige Theilung fort, indem
der abgeſchnürte Körpertheil zu einem neuen Thiere auswächſt.
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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/214>, abgerufen am 04.12.2024.
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