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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.

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wodurch sich die Thiere mit äußerster Hartnäckigkeit an den Organen
ihrer Gastwirthe festklammern können. Bei den Bandwürmern findet
man einfache oder doppelte Hakenkränze, die auf einem mehr oder
minder bemerkbaren, der Einstülpung fähigen Fortsatze festsitzen und
an dem vordern Ende des Kopfes zwischen den Saugnäpfen ange-
bracht sind. Jeder der nach rückwärts gekrümmten Haken ist einzeln
für sich beweglich und bei manchen Gattungen gehen diese Haken leicht
verloren, so daß frühere Beobachter sie für unbewaffnet hielten. Ein
eigenthümlicher Typus der Bandwürmer, welcher wahrscheinlich nur
ein Larvenzustand ist, Vier-Rüßler, Tetrarhynchus, besitzt vier, oft
sehr lange, in eigene Scheiden zurückziehbare Rüssel, die in ihrer
ganzen Länge mit außerordentlich vielen scharfen Hornhäkchen besetzt
sind und welche die Thiere mit großer Geschicklichkeit zu benutzen
wissen, um durch das Körpergewebe ihrer Gastwirthe sich einen Weg
zu bahnen.

Die Verdauungsorgane der Plattwürmer sind nach sehr
verschiedenen Typen angeordnet. Bei den Bandwürmern sieht man

[Abbildung] Fig. 189.

Zwei Glieder eines Bandwurmes
(Taenia solium) vergrößert.
Man sieht die seitlichen
Darmröhren, durch Queräste
verbunden und die abwechselnd
an den Seiten hervorstehenden
männlichen Begattungsor-
gane. Im Gliede a ist die
von dem vollen Eierstocke ge-

zwei seitliche Längsgefäße, welche untereinander
durch Queräste in Verbindung stehen, aber
überall geschlossen sind, so daß weder ein Mund
noch ein After vorhanden ist. Bei den Saug-
würmern und den Sohlenwürmern ist ein Mund
vorhanden, aber kein After und bei den ersteren
führt dieser Mund meist in zwei seitliche blind
endende Darmschläuche, die oft äußerst verzweigt
sind, während bei den Sohlenwürmern zuweilen
die Verzweigung unmittelbar am Munde be-
ginnt, der mit einer langen, sehr beweglichen
Schlundröhre versehen ist, welche zum Einschlucken
der Nahrung hervorgestreckt wird. Bei den
Schnurwürmern endlich findet sich ein meist
grader Darmkanal, welcher bei den höher ent-
wickelten Gattungen auch einen After zeigt und
noch außerdem oft mit einem unabhängigen
Tast- und Greiforgan, einem bewaffneten Rüs-
sel, in indirecter Verbindung steht.

Das Gefäßsystem ist überall erkannt,
bietet aber so große Unregelmäßigkeiten dar,
daß wir es bei den einzelnen Ordnungen näher
betrachten müssen. Nirgends kann man ein

wodurch ſich die Thiere mit äußerſter Hartnäckigkeit an den Organen
ihrer Gaſtwirthe feſtklammern können. Bei den Bandwürmern findet
man einfache oder doppelte Hakenkränze, die auf einem mehr oder
minder bemerkbaren, der Einſtülpung fähigen Fortſatze feſtſitzen und
an dem vordern Ende des Kopfes zwiſchen den Saugnäpfen ange-
bracht ſind. Jeder der nach rückwärts gekrümmten Haken iſt einzeln
für ſich beweglich und bei manchen Gattungen gehen dieſe Haken leicht
verloren, ſo daß frühere Beobachter ſie für unbewaffnet hielten. Ein
eigenthümlicher Typus der Bandwürmer, welcher wahrſcheinlich nur
ein Larvenzuſtand iſt, Vier-Rüßler, Tetrarhynchus, beſitzt vier, oft
ſehr lange, in eigene Scheiden zurückziehbare Rüſſel, die in ihrer
ganzen Länge mit außerordentlich vielen ſcharfen Hornhäkchen beſetzt
ſind und welche die Thiere mit großer Geſchicklichkeit zu benutzen
wiſſen, um durch das Körpergewebe ihrer Gaſtwirthe ſich einen Weg
zu bahnen.

Die Verdauungsorgane der Plattwürmer ſind nach ſehr
verſchiedenen Typen angeordnet. Bei den Bandwürmern ſieht man

[Abbildung] Fig. 189.

Zwei Glieder eines Bandwurmes
(Taenia solium) vergrößert.
Man ſieht die ſeitlichen
Darmröhren, durch Queräſte
verbunden und die abwechſelnd
an den Seiten hervorſtehenden
männlichen Begattungsor-
gane. Im Gliede a iſt die
von dem vollen Eierſtocke ge-

zwei ſeitliche Längsgefäße, welche untereinander
durch Queräſte in Verbindung ſtehen, aber
überall geſchloſſen ſind, ſo daß weder ein Mund
noch ein After vorhanden iſt. Bei den Saug-
würmern und den Sohlenwürmern iſt ein Mund
vorhanden, aber kein After und bei den erſteren
führt dieſer Mund meiſt in zwei ſeitliche blind
endende Darmſchläuche, die oft äußerſt verzweigt
ſind, während bei den Sohlenwürmern zuweilen
die Verzweigung unmittelbar am Munde be-
ginnt, der mit einer langen, ſehr beweglichen
Schlundröhre verſehen iſt, welche zum Einſchlucken
der Nahrung hervorgeſtreckt wird. Bei den
Schnurwürmern endlich findet ſich ein meiſt
grader Darmkanal, welcher bei den höher ent-
wickelten Gattungen auch einen After zeigt und
noch außerdem oft mit einem unabhängigen
Taſt- und Greiforgan, einem bewaffneten Rüſ-
ſel, in indirecter Verbindung ſteht.

Das Gefäßſyſtem iſt überall erkannt,
bietet aber ſo große Unregelmäßigkeiten dar,
daß wir es bei den einzelnen Ordnungen näher
betrachten müſſen. Nirgends kann man ein

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[188/0194] wodurch ſich die Thiere mit äußerſter Hartnäckigkeit an den Organen ihrer Gaſtwirthe feſtklammern können. Bei den Bandwürmern findet man einfache oder doppelte Hakenkränze, die auf einem mehr oder minder bemerkbaren, der Einſtülpung fähigen Fortſatze feſtſitzen und an dem vordern Ende des Kopfes zwiſchen den Saugnäpfen ange- bracht ſind. Jeder der nach rückwärts gekrümmten Haken iſt einzeln für ſich beweglich und bei manchen Gattungen gehen dieſe Haken leicht verloren, ſo daß frühere Beobachter ſie für unbewaffnet hielten. Ein eigenthümlicher Typus der Bandwürmer, welcher wahrſcheinlich nur ein Larvenzuſtand iſt, Vier-Rüßler, Tetrarhynchus, beſitzt vier, oft ſehr lange, in eigene Scheiden zurückziehbare Rüſſel, die in ihrer ganzen Länge mit außerordentlich vielen ſcharfen Hornhäkchen beſetzt ſind und welche die Thiere mit großer Geſchicklichkeit zu benutzen wiſſen, um durch das Körpergewebe ihrer Gaſtwirthe ſich einen Weg zu bahnen. Die Verdauungsorgane der Plattwürmer ſind nach ſehr verſchiedenen Typen angeordnet. Bei den Bandwürmern ſieht man [Abbildung Fig. 189. Zwei Glieder eines Bandwurmes (Taenia solium) vergrößert. Man ſieht die ſeitlichen Darmröhren, durch Queräſte verbunden und die abwechſelnd an den Seiten hervorſtehenden männlichen Begattungsor- gane. Im Gliede a iſt die von dem vollen Eierſtocke ge-] zwei ſeitliche Längsgefäße, welche untereinander durch Queräſte in Verbindung ſtehen, aber überall geſchloſſen ſind, ſo daß weder ein Mund noch ein After vorhanden iſt. Bei den Saug- würmern und den Sohlenwürmern iſt ein Mund vorhanden, aber kein After und bei den erſteren führt dieſer Mund meiſt in zwei ſeitliche blind endende Darmſchläuche, die oft äußerſt verzweigt ſind, während bei den Sohlenwürmern zuweilen die Verzweigung unmittelbar am Munde be- ginnt, der mit einer langen, ſehr beweglichen Schlundröhre verſehen iſt, welche zum Einſchlucken der Nahrung hervorgeſtreckt wird. Bei den Schnurwürmern endlich findet ſich ein meiſt grader Darmkanal, welcher bei den höher ent- wickelten Gattungen auch einen After zeigt und noch außerdem oft mit einem unabhängigen Taſt- und Greiforgan, einem bewaffneten Rüſ- ſel, in indirecter Verbindung ſteht. Das Gefäßſyſtem iſt überall erkannt, bietet aber ſo große Unregelmäßigkeiten dar, daß wir es bei den einzelnen Ordnungen näher betrachten müſſen. Nirgends kann man ein

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/194>, abgerufen am 04.12.2024.