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Vischer, Friedrich Theodor: Aesthetik oder Wissenschaft des Schönen zum Gebrauche für Vorlesungen. Dritter Teil. Zweiter Abschnitt. Die Künste. Fünftes Heft: Die Dichtung (Schluss des ganzen Werkes). Stuttgart, 1857.

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in Versform ein. Von dem Verhältnisse der reifen Kunst der Geschichtschreibung pvi_1469.002
zur Poesie ist in §. 848, Anm. die Rede gewesen.

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3. Andere Formen der didaktischen Dichtung schließen sich dem Lyrischen pvi_1469.004
an und am nächsten der ächten Poesie stehen offenbar die erzählenden lyrischen pvi_1469.005
Formen, die bei unverhülltem Lehrzweck doch den indirecten Weg einschlagen, pvi_1469.006
die Lehre in den Körper des Stoffes, etwa als Ausspruch in den Mund pvi_1469.007
einer handelnden Person zu legen. Welcher Anmuth die didaktische Dichtung pvi_1469.008
fähig ist, wie verkehrt es wäre, ihren Werth zu verkennen, wenn er nur an pvi_1469.009
seinen Ort gestellt ist, zeigen so treffliche lehrende Balladen oder Romanzen, pvi_1469.010
wie Göthe's Schatzgräber, Schiller's Theilung der Erde, Pegasus im Joche. pvi_1469.011
Der Zauberlehrling neigt entfernt zum Didaktischen; es gibt unendliche pvi_1469.012
Uebergänge. Dagegen dehnt sich nun das weite Gebiet des direct Didaktischen, pvi_1469.013
das dem Lyrischen parallel läuft, in dem einfachen, unmittelbaren pvi_1469.014
Aussprechen und Hinstellen ethischer, überhaupt praktischer Wahrheit, wobei pvi_1469.015
das ästhetische Element nur als Gleichniß, Metapher u. s. w. seine dienende pvi_1469.016
Rolle spielt [Annotation]

: es ist das Gnomische, herausgenommen aus seinem Verhältniß pvi_1469.017
als bloßes Moment im Lyrischen (vergl. §. 885, 1.): Spruch, Xenie, oder pvi_1469.018
unter welchen Namen es auftreten mag, der Ausläufer der Lyrik der Betrachtung pvi_1469.019
(vergl. §. 894), in kürzerer Fassung, einfachem Hinstellen einer pvi_1469.020
Wahrheit dem Epigramm, in vollerer, aber an eine Situation geknüpfter pvi_1469.021
Entwicklung der Elegie nachbarlich verwandt, ja mit ihr zusammenfließend. pvi_1469.022
Es ist der reiche Schatz seiner Lebensweisheit, den ein Volk in der Form pvi_1469.023
schöner Gedankenpoesie an den Grenzlinien seiner höheren, rein ästhetischen pvi_1469.024
Dichtung aufhäuft; alle ächten National-Literaturen, vor Allem die hebräische, pvi_1469.025
griechische, deutsche bieten eine Fülle der gediegenen Nahrung für Geist und pvi_1469.026
Charakter, die in diesem einfachen, gesunden Brode liegt. Wir dürfen jene pvi_1469.027
Dichter-Naturen nicht gering anschlagen, die, nachdenklich, wie Walther von pvi_1469.028
der Vogelweide, zwischen der reinen lyrischen Stimmung und der strengen pvi_1469.029
Betrachtung sich bewegen und alle Verhältnisse ihrer Zeit mit dem Salze pvi_1469.030
des ernsten Gedankens durchdringen, noch dürfen wir dem vollen Genius pvi_1469.031
unsere Liebe entziehen, wenn im Alter seine Phantasie nachläßt, sich zersetzt pvi_1469.032
und den Gehalt einer langen Erfahrung und Geistes-Arbeit nach allen pvi_1469.033
Lebens-Beziehungen in sinnvollen Sprüchen widerlegt, wie Göthe in seinen pvi_1469.034
zahmen Xenien. Aber auch in seiner besten Zeit hat er und Schiller zwischen pvi_1469.035
dem scharfen Hagel der satyrischen Xenien die reinsten Goldkörner, ja volle, pvi_1469.036
aus Gold getriebene Kränze gnomischer Poesie ausgestreut. - An diesen pvi_1469.037
Zweig der lehrhaften Kunstpoesie reiht sich als Ausdruck der praktischen pvi_1469.038
Volksweisheit das Sprichwort. Es liegt weiter ab von der Dichtung, pvi_1469.039
es ist gangbare Münze mitten im wirklichen Leben, daher es zwar gern, pvi_1469.040
aber nicht wesentlich und nothwendig rhythmische Kunstform und Reim annimmt. pvi_1469.041
Doch ist es meist (nicht immer, denn es kann auch nackt und

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in Versform ein. Von dem Verhältnisse der reifen Kunst der Geschichtschreibung pvi_1469.002
zur Poesie ist in §. 848, Anm. die Rede gewesen.

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an und am nächsten der ächten Poesie stehen offenbar die erzählenden lyrischen pvi_1469.005
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Der Zauberlehrling neigt entfernt zum Didaktischen; es gibt unendliche pvi_1469.012
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: es ist das Gnomische, herausgenommen aus seinem Verhältniß pvi_1469.017
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schöner Gedankenpoesie an den Grenzlinien seiner höheren, rein ästhetischen pvi_1469.024
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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor: Aesthetik oder Wissenschaft des Schönen zum Gebrauche für Vorlesungen. Dritter Teil. Zweiter Abschnitt. Die Künste. Fünftes Heft: Die Dichtung (Schluss des ganzen Werkes). Stuttgart, 1857, S. 1469. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_poetik_1857/331>, abgerufen am 24.11.2024.