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Vischer, Friedrich Theodor: Aesthetik oder Wissenschaft des Schönen zum Gebrauche für Vorlesungen. Dritter Teil. Zweiter Abschnitt. Die Künste. Fünftes Heft: Die Dichtung (Schluss des ganzen Werkes). Stuttgart, 1857.

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Einschnitte zu der sogenannten lyrischen Unordnung bei, denn unvermittelt pvi_1338.002
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aber in Wahrheit stellt er wie eine wiederkehrende Melodie die pvi_1338.004
Einheit des Grundtones aus den Wechseln und Unterschieden her; zugleich pvi_1338.005
ist er ein Ruhepunct: das Gemüth hält sich an ihm fest in dem bodenlosen pvi_1338.006
Wogen der Empfindung. Allerdings kann er auch aus bloßen Naturlauten, pvi_1338.007
Jnterjectionen bestehen; die Bedeutung eines durchgehenden Bandes pvi_1338.008
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Musik enger verwandter Weise. Das Kinderlied und Handwerkslied spielt pvi_1338.010
gerne mit dieser Form, um eine Körperbewegung auszudrücken, die der pvi_1338.011
Gesang begleitet; die Kunstpoesie wird in Nachbildungen leicht kindisch. - pvi_1338.012
Daß die lyrische Dichtung auf Kürze angewiesen ist, geht aus der Natur pvi_1338.013
des Gefühles hervor, wie wir auf sie dieselbe Forderung schon in der Lehre pvi_1338.014
von der Musik §. 764 begründet haben.

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§. 888.

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Die lyrische Poesie ist durch ihre Bedeutung als Wiederkehr des Standpuncts pvi_1338.017
der empfindenden Phantasie in der dichtenden besonders eng auf die pvi_1338.018
rhythmische Form gewiesen; sie führt ihrer Natur nach zum Strophenbau, pvi_1338.019
bildet ihn kunstreich zu einer Vielfältigkeit verschlungener Gliederungen fort, pvi_1338.020
verbindet Strophen zur Strophengruppe, deren Composition naturgemäß zu pvi_1338.021
einer Gliederung von drei Sätzen neigt, endlich Strophengruppen zu größeren pvi_1338.022
Ganzen. Die Grundforderung aber ist, daß Ton und Gang der Stimmung pvi_1338.023
sich in der äußern Form treu ausspreche, und dieses Verhältniß soll nicht unter pvi_1338.024
allzu viel Kunst leiden. Wesentlich entspricht dem Charakter der lyrischen Dichtung pvi_1338.025
der Reim. Die Verwandtschaft mit der Tonkunst wird in ihr zur wirklichen pvi_1338.026
Verbindung durch musikalischen Vortrag.

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Die lyrische Dichtung ist enger an den Gehörssinn gewiesen, weil sie pvi_1338.028
an das Bewußtsein zwar anknüpft, aber ihren Gefühls-Jnhalt ihm nicht pvi_1338.029
völlig zu erschließen vermag, der Ton und seine Kunstbildung aber eben pvi_1338.030
die Sprache des Gefühls ist. Doch führt dieß nicht unmittelbar auf den pvi_1338.031
eigentlich musikalischen Vortrag; die rhythmische Form in ihrem Unterschiede pvi_1338.032
von der Musik und ihrer tiefen Verwandtschaft mit derselben ist eben der pvi_1338.033
Punct, worin der Antheil des Bewußtseins, durch den jene Kunst dem pvi_1338.034
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geeinigt erscheint. Die verschlungenen, mit Bild und Gedanke durchschossenen pvi_1338.036
Wege und Gänge des Gefühls führen nun naturgemäßer zu kunstreichen pvi_1338.037
rhythmischen Gebilden; es tritt an die Stelle der fortlaufenden epischen pvi_1338.038
Versreihe eine Verbindung von Reihen zu selbständigen kleineren Ganzen,

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Einheit des Grundtones aus den Wechseln und Unterschieden her; zugleich pvi_1338.005
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des Gefühles hervor, wie wir auf sie dieselbe Forderung schon in der Lehre pvi_1338.014
von der Musik §. 764 begründet haben.

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Die lyrische Poesie ist durch ihre Bedeutung als Wiederkehr des Standpuncts pvi_1338.017
der empfindenden Phantasie in der dichtenden besonders eng auf die pvi_1338.018
rhythmische Form gewiesen; sie führt ihrer Natur nach zum Strophenbau, pvi_1338.019
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Verbindung durch musikalischen Vortrag.

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Die lyrische Dichtung ist enger an den Gehörssinn gewiesen, weil sie pvi_1338.028
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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor: Aesthetik oder Wissenschaft des Schönen zum Gebrauche für Vorlesungen. Dritter Teil. Zweiter Abschnitt. Die Künste. Fünftes Heft: Die Dichtung (Schluss des ganzen Werkes). Stuttgart, 1857, S. 1338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_poetik_1857/200>, abgerufen am 24.11.2024.