vermachten Papieren. Es wird wohl gut sein, wenn ich vom Zufall den Rath annehme, gewisse Stücke aus denselben dem Leser vorzuführen, ehe ich zur weiteren Mittheilung übergehe. Sie fielen mir bei vorläufigem Durchblättern in die Augen und sind so närrischen Inhalts, daß ich sie lieber gesondert vom Uebrigen aufdecke, -- nicht daß der Leser erwarten dürfte, im Nachfolgenden ununterbrochenen Ernst zu finden, bunt genug sieht es überall aus in diesem Tagebuche -- wenn man ihm den Namen geben darf, denn es ist keineswegs erzählende Buchführung des Verstorbenen über sein Leben; ein abgebrochenes Hin¬ werfen von Erlebtem, untermischt mit nachdenklichen Reflexionen und wetterleuchtenden Einfällen möchte ich es nennen, und überall, wie man sich denken kann, wechselt Ernst mit Humor oder schimmern beide durch¬ einander. Die Dinge aber, die mir da zuerst ent¬ gegensprangen, sind von der Art, daß ich besorge, sie möchten, wenn ich sie nicht getrennt halte, der Stimmung des Lesers, obwohl sie auf solche Mischung gefaßt ist, denn doch zu viel bieten. Nur unterdrücken glaube ich sie nicht zu dürfen, denn ich soll ein Bild von einem Menschen geben und darf nichts ausscheiden, was be¬ zeichnend ist. So mag denn das vor dem Eintritt abgethan werden.
Zunächst fielen mir zwischen den Blättern gewöhn¬ lichen Formats zwei zusammengelegte Bogen auf, dickes
vermachten Papieren. Es wird wohl gut ſein, wenn ich vom Zufall den Rath annehme, gewiſſe Stücke aus denſelben dem Leſer vorzuführen, ehe ich zur weiteren Mittheilung übergehe. Sie fielen mir bei vorläufigem Durchblättern in die Augen und ſind ſo närriſchen Inhalts, daß ich ſie lieber geſondert vom Uebrigen aufdecke, — nicht daß der Leſer erwarten dürfte, im Nachfolgenden ununterbrochenen Ernſt zu finden, bunt genug ſieht es überall aus in dieſem Tagebuche — wenn man ihm den Namen geben darf, denn es iſt keineswegs erzählende Buchführung des Verſtorbenen über ſein Leben; ein abgebrochenes Hin¬ werfen von Erlebtem, untermiſcht mit nachdenklichen Reflexionen und wetterleuchtenden Einfällen möchte ich es nennen, und überall, wie man ſich denken kann, wechſelt Ernſt mit Humor oder ſchimmern beide durch¬ einander. Die Dinge aber, die mir da zuerſt ent¬ gegenſprangen, ſind von der Art, daß ich beſorge, ſie möchten, wenn ich ſie nicht getrennt halte, der Stimmung des Leſers, obwohl ſie auf ſolche Miſchung gefaßt iſt, denn doch zu viel bieten. Nur unterdrücken glaube ich ſie nicht zu dürfen, denn ich ſoll ein Bild von einem Menſchen geben und darf nichts ausſcheiden, was be¬ zeichnend iſt. So mag denn das vor dem Eintritt abgethan werden.
Zunächſt fielen mir zwiſchen den Blättern gewöhn¬ lichen Formats zwei zuſammengelegte Bogen auf, dickes
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vermachten Papieren. Es wird wohl gut ſein, wenn
ich vom Zufall den Rath annehme, gewiſſe Stücke
aus denſelben dem Leſer vorzuführen, ehe ich zur
weiteren Mittheilung übergehe. Sie fielen mir bei
vorläufigem Durchblättern in die Augen und ſind ſo
närriſchen Inhalts, daß ich ſie lieber geſondert vom
Uebrigen aufdecke, — nicht daß der Leſer erwarten
dürfte, im Nachfolgenden ununterbrochenen Ernſt zu
finden, bunt genug ſieht es überall aus in dieſem
Tagebuche — wenn man ihm den Namen geben darf,
denn es iſt keineswegs erzählende Buchführung des
Verſtorbenen über ſein Leben; ein abgebrochenes Hin¬
werfen von Erlebtem, untermiſcht mit nachdenklichen
Reflexionen und wetterleuchtenden Einfällen möchte ich
es nennen, und überall, wie man ſich denken kann,
wechſelt Ernſt mit Humor oder ſchimmern beide durch¬
einander. Die Dinge aber, die mir da zuerſt ent¬
gegenſprangen, ſind von der Art, daß ich beſorge, ſie
möchten, wenn ich ſie nicht getrennt halte, der Stimmung
des Leſers, obwohl ſie auf ſolche Miſchung gefaßt iſt,
denn doch zu viel bieten. Nur unterdrücken glaube ich
ſie nicht zu dürfen, denn ich ſoll ein Bild von einem
Menſchen geben und darf nichts ausſcheiden, was be¬
zeichnend iſt. So mag denn das vor dem Eintritt
abgethan werden.
Zunächſt fielen mir zwiſchen den Blättern gewöhn¬
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/72>, abgerufen am 27.11.2024.
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