doch Momente. Cum tacita virgine -- begleite mich, Bild der priesterlichen Jungfrau -- mit ihren, ihren Zügen! -- Ueber das Forum hinaus ein Stück in die Campagna, an diesem stillen Abend im Mondschein. Mein Leben wird Vergangenheit, es ist müdes, weiches Verdämmern ohne Empfindungsschwäche. Tiefes Weh nur, wenn ich vergleiche. Trümmer von so Großem -- und mein Dasein niemals mit vollem Band an Großes geknüpft. Schäme mich vor den Geistern, die hier schweben. Horaz kann sich doch wenigstens rühmen, das äolische Versmaß der lateinischen Sprache an¬ geeignet zu haben. Aber die Männer, die Helden! Und ich? Ja, einmal, einmal, da wollte es werden, habe gekämpft für ein Vaterland. Kurzer Traum! Ihr Gewaltigen habt Reiche besiegt, habt die Welt beherrscht.
Wohl seh' ich auch im Geist, wie blondlockige Gothenschaaren dort auf den Palatinus hinauf und in's Kolosseum dringen und die Mauern brechen. Alte Geschichten. Mein Deutschland schläft wieder, nachdem eine Halbheit auf zweifelhaften Wegen zu Stand gekommen. Man muß auch das lernen: hin¬ gehen, ohne ein Vaterland erlebt zu haben. Gefaßt, ganz gefaßt. Und so wird's wieder ruhig in mir, sanft. Ich sauge eure Größe ein in süßem Dieb¬ stahl, ihr Trümmer, athme Heldenluft in großer Stille.
doch Momente. Cum tacita virgine — begleite mich, Bild der prieſterlichen Jungfrau — mit ihren, ihren Zügen! — Ueber das Forum hinaus ein Stück in die Campagna, an dieſem ſtillen Abend im Mondſchein. Mein Leben wird Vergangenheit, es iſt müdes, weiches Verdämmern ohne Empfindungsſchwäche. Tiefes Weh nur, wenn ich vergleiche. Trümmer von ſo Großem — und mein Daſein niemals mit vollem Band an Großes geknüpft. Schäme mich vor den Geiſtern, die hier ſchweben. Horaz kann ſich doch wenigſtens rühmen, das äoliſche Versmaß der lateiniſchen Sprache an¬ geeignet zu haben. Aber die Männer, die Helden! Und ich? Ja, einmal, einmal, da wollte es werden, habe gekämpft für ein Vaterland. Kurzer Traum! Ihr Gewaltigen habt Reiche beſiegt, habt die Welt beherrſcht.
Wohl ſeh' ich auch im Geiſt, wie blondlockige Gothenſchaaren dort auf den Palatinus hinauf und in's Koloſſeum dringen und die Mauern brechen. Alte Geſchichten. Mein Deutſchland ſchläft wieder, nachdem eine Halbheit auf zweifelhaften Wegen zu Stand gekommen. Man muß auch das lernen: hin¬ gehen, ohne ein Vaterland erlebt zu haben. Gefaßt, ganz gefaßt. Und ſo wird's wieder ruhig in mir, ſanft. Ich ſauge eure Größe ein in ſüßem Dieb¬ ſtahl, ihr Trümmer, athme Heldenluft in großer Stille.
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doch Momente. Cum tacita virgine — begleite mich,
Bild der prieſterlichen Jungfrau — mit ihren, ihren
Zügen! — Ueber das Forum hinaus ein Stück in
die Campagna, an dieſem ſtillen Abend im Mondſchein.
Mein Leben wird Vergangenheit, es iſt müdes, weiches
Verdämmern ohne Empfindungsſchwäche. Tiefes Weh
nur, wenn ich vergleiche. Trümmer von ſo Großem —
und mein Daſein niemals mit vollem Band an Großes
geknüpft. Schäme mich vor den Geiſtern, die hier
ſchweben. Horaz kann ſich doch wenigſtens rühmen,
das äoliſche Versmaß der lateiniſchen Sprache an¬
geeignet zu haben. Aber die Männer, die Helden!
Und ich? Ja, einmal, einmal, da wollte es werden,
habe gekämpft für ein Vaterland. Kurzer Traum!
Ihr Gewaltigen habt Reiche beſiegt, habt die Welt
beherrſcht.
Wohl ſeh' ich auch im Geiſt, wie blondlockige
Gothenſchaaren dort auf den Palatinus hinauf und
in's Koloſſeum dringen und die Mauern brechen.
Alte Geſchichten. Mein Deutſchland ſchläft wieder,
nachdem eine Halbheit auf zweifelhaften Wegen zu
Stand gekommen. Man muß auch das lernen: hin¬
gehen, ohne ein Vaterland erlebt zu haben. Gefaßt,
ganz gefaßt. Und ſo wird's wieder ruhig in mir,
ſanft. Ich ſauge eure Größe ein in ſüßem Dieb¬
ſtahl, ihr Trümmer, athme Heldenluft in großer Stille.
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 421. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/434>, abgerufen am 27.11.2024.
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