Wenn man nicht weiß, was nun thun, so thut man vorerst nichts, das heißt, man treibt, was der Tag bringt. Ich bin einmal in Palermo, will mich erst noch weiter umsehen. Ich will doch die Einladung des fremden Herrn annehmen, den ich beim Frühstück getroffen, mit ihm zwei Bilder von Crescenzio zu sehen, einem merkwürdigen Maler des Quatrocento, eines im Hofe des Hospitals, das andere eine Stunde von der Stadt im Kloster S. Maria di Gesu.
Freske im Kreuzgang des Hospitals: eine Art von Todtentanz -- trionfo della morte. Sieht sich fast deutsch an, blonde Köpfe, herb individuelle Formen; Sage von einem flandrischen Meister, doch möglich von Crescenzio unter frühem nordischem Einfluß. Der Tod rennt als Gerippe auf magerem Klepper durch die Luft, Pfeile vom Bogen schießend, Arme und Krüppel, die ihn um Erlösung flehen, übergehend, Hohe und Ueppige ereilend. Links eine heitere Gesellschaft: fest¬ lich gekleidete Mädchen zum Tanz antretend nach dem Klang einer Zither, aber schon von Todesblässe über¬ zogen, dabei ein Paar, das verlobt wird. Ihr verlobt euch gültig, der Tod wird kopuliren. --
Die Fresken im Kloster draußen großentheils ver¬ dorben; monochrom. Erhalten eigentlich nur eines der Seitenbilder: der Leichnam des heiligen Franziskus,
Wenn man nicht weiß, was nun thun, ſo thut man vorerſt nichts, das heißt, man treibt, was der Tag bringt. Ich bin einmal in Palermo, will mich erſt noch weiter umſehen. Ich will doch die Einladung des fremden Herrn annehmen, den ich beim Frühſtück getroffen, mit ihm zwei Bilder von Creſcenzio zu ſehen, einem merkwürdigen Maler des Quatrocento, eines im Hofe des Hoſpitals, das andere eine Stunde von der Stadt im Kloſter S. Maria di Geſu.
Freske im Kreuzgang des Hoſpitals: eine Art von Todtentanz — trionfo della morte. Sieht ſich faſt deutſch an, blonde Köpfe, herb individuelle Formen; Sage von einem flandriſchen Meiſter, doch möglich von Creſcenzio unter frühem nordiſchem Einfluß. Der Tod rennt als Gerippe auf magerem Klepper durch die Luft, Pfeile vom Bogen ſchießend, Arme und Krüppel, die ihn um Erlöſung flehen, übergehend, Hohe und Ueppige ereilend. Links eine heitere Geſellſchaft: feſt¬ lich gekleidete Mädchen zum Tanz antretend nach dem Klang einer Zither, aber ſchon von Todesbläſſe über¬ zogen, dabei ein Paar, das verlobt wird. Ihr verlobt euch gültig, der Tod wird kopuliren. —
Die Fresken im Kloſter draußen großentheils ver¬ dorben; monochrom. Erhalten eigentlich nur eines der Seitenbilder: der Leichnam des heiligen Franziskus,
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Wenn man nicht weiß, was nun thun, ſo thut
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Tag bringt. Ich bin einmal in Palermo, will mich
erſt noch weiter umſehen. Ich will doch die Einladung
des fremden Herrn annehmen, den ich beim Frühſtück
getroffen, mit ihm zwei Bilder von Creſcenzio zu ſehen,
einem merkwürdigen Maler des Quatrocento, eines im
Hofe des Hoſpitals, das andere eine Stunde von der
Stadt im Kloſter S. Maria di Geſu.
Freske im Kreuzgang des Hoſpitals: eine Art von
Todtentanz — trionfo della morte. Sieht ſich faſt
deutſch an, blonde Köpfe, herb individuelle Formen;
Sage von einem flandriſchen Meiſter, doch möglich von
Creſcenzio unter frühem nordiſchem Einfluß. Der Tod
rennt als Gerippe auf magerem Klepper durch die
Luft, Pfeile vom Bogen ſchießend, Arme und Krüppel,
die ihn um Erlöſung flehen, übergehend, Hohe und
Ueppige ereilend. Links eine heitere Geſellſchaft: feſt¬
lich gekleidete Mädchen zum Tanz antretend nach dem
Klang einer Zither, aber ſchon von Todesbläſſe über¬
zogen, dabei ein Paar, das verlobt wird. Ihr verlobt
euch gültig, der Tod wird kopuliren. —
Die Fresken im Kloſter draußen großentheils ver¬
dorben; monochrom. Erhalten eigentlich nur eines
der Seitenbilder: der Leichnam des heiligen Franziskus,
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/429>, abgerufen am 27.11.2024.
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