hob sie langsam den Arm, bot mir die schneeweiße Hand und sagte: "Reiche die deine, das kühle Lichtblau hat Alles, Alles abgewaschen." Zitternd hob ich die Hand und faßte die ihre. Sie war kalt, aber nie im Leben hat der Druck einer warmen, lebendigen Hand einen Menschennerv und ein Menschenherz so selig durchzittert, wie mich die Berührung dieser weichen, zarten Finger, die wie aus Schnee gerundet schienen. Ich hielt sie fest und flüsterte: "Ewig." -- "Ja, ewig," hauchte sie.
Ich glaubte sie noch zu halten, als ich erwachte. Dieß Erwachen! Hinweggespült aus meiner hämmern¬ den Brust ist der Krampf und Brand des Lebens, sanft geht mein Puls. Ich bin frei.
Aus Wust und Wuth, Aus Schwefelglut, Aus athemloser Schwüle Hinab in Meeresgrund, hinab in's Kühle.
Da ruh' ich aus Im Felsenhaus Von all' dem Angstgewühle, Gebadet in der sanften, reinen Kühle.
hob ſie langſam den Arm, bot mir die ſchneeweiße Hand und ſagte: „Reiche die deine, das kühle Lichtblau hat Alles, Alles abgewaſchen.“ Zitternd hob ich die Hand und faßte die ihre. Sie war kalt, aber nie im Leben hat der Druck einer warmen, lebendigen Hand einen Menſchennerv und ein Menſchenherz ſo ſelig durchzittert, wie mich die Berührung dieſer weichen, zarten Finger, die wie aus Schnee gerundet ſchienen. Ich hielt ſie feſt und flüſterte: „Ewig.“ — „Ja, ewig,“ hauchte ſie.
Ich glaubte ſie noch zu halten, als ich erwachte. Dieß Erwachen! Hinweggeſpült aus meiner hämmern¬ den Bruſt iſt der Krampf und Brand des Lebens, ſanft geht mein Puls. Ich bin frei.
Aus Wuſt und Wuth, Aus Schwefelglut, Aus athemloſer Schwüle Hinab in Meeresgrund, hinab in's Kühle.
Da ruh’ ich aus Im Felſenhaus Von all’ dem Angſtgewühle, Gebadet in der ſanften, reinen Kühle.
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hob ſie langſam den Arm, bot mir die ſchneeweiße
Hand und ſagte: „Reiche die deine, das kühle Lichtblau
hat Alles, Alles abgewaſchen.“ Zitternd hob ich die
Hand und faßte die ihre. Sie war kalt, aber nie
im Leben hat der Druck einer warmen, lebendigen
Hand einen Menſchennerv und ein Menſchenherz ſo
ſelig durchzittert, wie mich die Berührung dieſer weichen,
zarten Finger, die wie aus Schnee gerundet ſchienen.
Ich hielt ſie feſt und flüſterte: „Ewig.“ — „Ja,
ewig,“ hauchte ſie.
Ich glaubte ſie noch zu halten, als ich erwachte.
Dieß Erwachen! Hinweggeſpült aus meiner hämmern¬
den Bruſt iſt der Krampf und Brand des Lebens,
ſanft geht mein Puls. Ich bin frei.
Aus Wuſt und Wuth,
Aus Schwefelglut,
Aus athemloſer Schwüle
Hinab in Meeresgrund, hinab in's Kühle.
Da ruh’ ich aus
Im Felſenhaus
Von all’ dem Angſtgewühle,
Gebadet in der ſanften, reinen Kühle.
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/427>, abgerufen am 23.11.2024.
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