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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879.

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zu Ehren gelangt, und ich will mit Manneskraft die
Angst abschütteln, daß der traurige Ansatz sittlicher
Fäulniß in ihr fortfresse; ein Volk, dem zu Ehren der
Weltgeist den Tag von Sedan eingeleitet hat, kann
nicht so bald verlottern! -- Ach, daß ich nicht mitthun
konnte, -- bringt Wein!' Ich sah den Arzt an, er
nickte; es wurde Rheinwein gebracht, Jedem ein Glas
gefüllt, er hob das seine, stieß an und trank es kräftig
aus. Dann fiel er in solche Ermattung, daß wir den
letzten Augenblick gekommen glaubten; er begann aber
noch einmal zu phantasieren, er schien sich träumend
in der Schlacht zu befinden und in heißer Bedrängniß
Befehle zu geben, die Stimme war aber zu schwach
zum Ruftone, man vernahm nur gepreßte Laute; die
Worte: Signal -- Front -- Feuer -- Bajonet --
Klumpen bilden! -- sind mir, wie fremd auch einem
weiblichen Ohr, im Gedächtniß geblieben, -- die Lippen
bewegten sich lautlos noch kurze Zeit, das Haupt sank
zurück, doch nach einer Viertelstunde etwa erwachte er
noch einmal, da unversehens der kleine Hund, der
Schnauz, winselnd auf sein Bett sprang, während
Tyras daneben saß und kein Auge von seinem Herrn
verwandte. Er reichte mir matt die Rechte und sprach:
,Ich danke Ihnen für alle Treue; droben im Schreib¬
tisch, mittleres Fach, liegt mein letzter Wille.' Mit
der Linken streichelte er dann zuerst den kleinen, dann
den großen Hund, zu dem er noch kaum hörbar

zu Ehren gelangt, und ich will mit Manneskraft die
Angſt abſchütteln, daß der traurige Anſatz ſittlicher
Fäulniß in ihr fortfreſſe; ein Volk, dem zu Ehren der
Weltgeiſt den Tag von Sedan eingeleitet hat, kann
nicht ſo bald verlottern! — Ach, daß ich nicht mitthun
konnte, — bringt Wein!' Ich ſah den Arzt an, er
nickte; es wurde Rheinwein gebracht, Jedem ein Glas
gefüllt, er hob das ſeine, ſtieß an und trank es kräftig
aus. Dann fiel er in ſolche Ermattung, daß wir den
letzten Augenblick gekommen glaubten; er begann aber
noch einmal zu phantaſieren, er ſchien ſich träumend
in der Schlacht zu befinden und in heißer Bedrängniß
Befehle zu geben, die Stimme war aber zu ſchwach
zum Ruftone, man vernahm nur gepreßte Laute; die
Worte: Signal — Front — Feuer — Bajonet —
Klumpen bilden! — ſind mir, wie fremd auch einem
weiblichen Ohr, im Gedächtniß geblieben, — die Lippen
bewegten ſich lautlos noch kurze Zeit, das Haupt ſank
zurück, doch nach einer Viertelſtunde etwa erwachte er
noch einmal, da unverſehens der kleine Hund, der
Schnauz, winſelnd auf ſein Bett ſprang, während
Tyras daneben ſaß und kein Auge von ſeinem Herrn
verwandte. Er reichte mir matt die Rechte und ſprach:
‚Ich danke Ihnen für alle Treue; droben im Schreib¬
tiſch, mittleres Fach, liegt mein letzter Wille.' Mit
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den großen Hund, zu dem er noch kaum hörbar

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[25/0038] zu Ehren gelangt, und ich will mit Manneskraft die Angſt abſchütteln, daß der traurige Anſatz ſittlicher Fäulniß in ihr fortfreſſe; ein Volk, dem zu Ehren der Weltgeiſt den Tag von Sedan eingeleitet hat, kann nicht ſo bald verlottern! — Ach, daß ich nicht mitthun konnte, — bringt Wein!' Ich ſah den Arzt an, er nickte; es wurde Rheinwein gebracht, Jedem ein Glas gefüllt, er hob das ſeine, ſtieß an und trank es kräftig aus. Dann fiel er in ſolche Ermattung, daß wir den letzten Augenblick gekommen glaubten; er begann aber noch einmal zu phantaſieren, er ſchien ſich träumend in der Schlacht zu befinden und in heißer Bedrängniß Befehle zu geben, die Stimme war aber zu ſchwach zum Ruftone, man vernahm nur gepreßte Laute; die Worte: Signal — Front — Feuer — Bajonet — Klumpen bilden! — ſind mir, wie fremd auch einem weiblichen Ohr, im Gedächtniß geblieben, — die Lippen bewegten ſich lautlos noch kurze Zeit, das Haupt ſank zurück, doch nach einer Viertelſtunde etwa erwachte er noch einmal, da unverſehens der kleine Hund, der Schnauz, winſelnd auf ſein Bett ſprang, während Tyras daneben ſaß und kein Auge von ſeinem Herrn verwandte. Er reichte mir matt die Rechte und ſprach: ‚Ich danke Ihnen für alle Treue; droben im Schreib¬ tiſch, mittleres Fach, liegt mein letzter Wille.' Mit der Linken ſtreichelte er dann zuerſt den kleinen, dann den großen Hund, zu dem er noch kaum hörbar

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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/38>, abgerufen am 21.11.2024.