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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879.

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der Mitwelt, versäume so oft schuldige Aufmerksamkeit
und bin so zerstreut gegen Formen: wie es eben allen
Verliebten zu gehen pflegt. Es ist stolz gesprochen,
ach, zu stolz, denn was habe ich gethan, meine Schöne
zu erobern? Mein Wirken? -- Lächerlich geendet!
Da die Pfahlnovelle? Dichterruhm? Pah!


Wie ich das wieder lese -- unselige Vergleichung!
-- Vier Worte, Laute hab' ich ihr geschrieben:
"O Gott! o Gott!" -- Mehr nicht? Muß sie nicht
einen inhaltvollen Brief erwarten? Wohl zehnmal ver¬
sucht, verbrannt! Und es wäre doch so natürlich,
wäre Pflicht. Ja, aber daß in jeden Brief etwas
hinein will, -- was doch nicht darf, nicht soll --
davon darf kein Hauch -- Sie wird wohl errathen,
aber -- o Knäuel von Verflechtung!


Arbeit will nicht gehen. Fehlt mir doch gar sehr
Dienst, Pflichtzwang der Stunde. Daher auch die
Teufel wieder in Legionen. Merken wohl meine Ab¬
sicht, wollen mich vorher aufreiben. Zwei Tage ein
entzündetes Auge. Fliegt mir just eine Mücke in's
rechte, worein mir kurz vorher ein Funke Brennstoff
von einem Zündhölzchen gefahren.


der Mitwelt, verſäume ſo oft ſchuldige Aufmerkſamkeit
und bin ſo zerſtreut gegen Formen: wie es eben allen
Verliebten zu gehen pflegt. Es iſt ſtolz geſprochen,
ach, zu ſtolz, denn was habe ich gethan, meine Schöne
zu erobern? Mein Wirken? — Lächerlich geendet!
Da die Pfahlnovelle? Dichterruhm? Pah!


Wie ich das wieder leſe — unſelige Vergleichung!
— Vier Worte, Laute hab' ich ihr geſchrieben:
„O Gott! o Gott!“ — Mehr nicht? Muß ſie nicht
einen inhaltvollen Brief erwarten? Wohl zehnmal ver¬
ſucht, verbrannt! Und es wäre doch ſo natürlich,
wäre Pflicht. Ja, aber daß in jeden Brief etwas
hinein will, — was doch nicht darf, nicht ſoll —
davon darf kein Hauch — Sie wird wohl errathen,
aber — o Knäuel von Verflechtung!


Arbeit will nicht gehen. Fehlt mir doch gar ſehr
Dienſt, Pflichtzwang der Stunde. Daher auch die
Teufel wieder in Legionen. Merken wohl meine Ab¬
ſicht, wollen mich vorher aufreiben. Zwei Tage ein
entzündetes Auge. Fliegt mir juſt eine Mücke in's
rechte, worein mir kurz vorher ein Funke Brennſtoff
von einem Zündhölzchen gefahren.


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[314/0327] der Mitwelt, verſäume ſo oft ſchuldige Aufmerkſamkeit und bin ſo zerſtreut gegen Formen: wie es eben allen Verliebten zu gehen pflegt. Es iſt ſtolz geſprochen, ach, zu ſtolz, denn was habe ich gethan, meine Schöne zu erobern? Mein Wirken? — Lächerlich geendet! Da die Pfahlnovelle? Dichterruhm? Pah! Wie ich das wieder leſe — unſelige Vergleichung! — Vier Worte, Laute hab' ich ihr geſchrieben: „O Gott! o Gott!“ — Mehr nicht? Muß ſie nicht einen inhaltvollen Brief erwarten? Wohl zehnmal ver¬ ſucht, verbrannt! Und es wäre doch ſo natürlich, wäre Pflicht. Ja, aber daß in jeden Brief etwas hinein will, — was doch nicht darf, nicht ſoll — davon darf kein Hauch — Sie wird wohl errathen, aber — o Knäuel von Verflechtung! Arbeit will nicht gehen. Fehlt mir doch gar ſehr Dienſt, Pflichtzwang der Stunde. Daher auch die Teufel wieder in Legionen. Merken wohl meine Ab¬ ſicht, wollen mich vorher aufreiben. Zwei Tage ein entzündetes Auge. Fliegt mir juſt eine Mücke in's rechte, worein mir kurz vorher ein Funke Brennſtoff von einem Zündhölzchen gefahren.

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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/327>, abgerufen am 24.11.2024.