Grundton seiner Worte immer noch Obertöne. Daher, mag er pfeffern so stark er will, es ist nie so schlimm, als es scheint, läßt Luft, Spielraum, hat etwas Un¬ maßgebliches, etwas Flüssiges, etwas Strahlenstreuendes. Und das verstehen dann die guten Leute nicht, wissen nichts von Hintergrund in der Malerei. Ja, unrechte Nebenbeziehungen suppliren, das können sie, das thun sie gern. So ist auch ihr eigenes Reden entweder ohne allen Oberton oder mit dem falschen der List. -- Das führt auch wieder auf die Parteien in allen Streitfragen. Kein Mensch von schwingendem Gehirn hängt niet- und nagelfest an der Hälfte einer ganzen oder der einen Seite einer zweiseitigen Wahrheit.
Fordert es aber Zweck und ernster Augenblick und exakte Bestimmung, so wird kein rechter Kerl die Kraft der Einseitigkeit scheuen.
Noch etwas bereitet mir viel Noth. Wenn ich mich für einen Satz, irgend eine Vorstellung erwärme im Gespräch, so schwebt mir oft ein imaginativer Gegner vor, gegen den ich hitzig werde, mich heftig ereifere, während der wirkliche Mensch, mit dem ich rede, ganz mit mir einverstanden ist, oder, wenn nicht oder nicht ganz, mich dach mit keinem Worte gereizt hat. Das pflegt nun der nicht zu verstehen, bezieht es auf sich, und so -- wie oft bin ich mißverstanden worden, wie oft
Grundton ſeiner Worte immer noch Obertöne. Daher, mag er pfeffern ſo ſtark er will, es iſt nie ſo ſchlimm, als es ſcheint, läßt Luft, Spielraum, hat etwas Un¬ maßgebliches, etwas Flüſſiges, etwas Strahlenſtreuendes. Und das verſtehen dann die guten Leute nicht, wiſſen nichts von Hintergrund in der Malerei. Ja, unrechte Nebenbeziehungen ſuppliren, das können ſie, das thun ſie gern. So iſt auch ihr eigenes Reden entweder ohne allen Oberton oder mit dem falſchen der Liſt. — Das führt auch wieder auf die Parteien in allen Streitfragen. Kein Menſch von ſchwingendem Gehirn hängt niet- und nagelfeſt an der Hälfte einer ganzen oder der einen Seite einer zweiſeitigen Wahrheit.
Fordert es aber Zweck und ernſter Augenblick und exakte Beſtimmung, ſo wird kein rechter Kerl die Kraft der Einſeitigkeit ſcheuen.
Noch etwas bereitet mir viel Noth. Wenn ich mich für einen Satz, irgend eine Vorſtellung erwärme im Geſpräch, ſo ſchwebt mir oft ein imaginativer Gegner vor, gegen den ich hitzig werde, mich heftig ereifere, während der wirkliche Menſch, mit dem ich rede, ganz mit mir einverſtanden iſt, oder, wenn nicht oder nicht ganz, mich dach mit keinem Worte gereizt hat. Das pflegt nun der nicht zu verſtehen, bezieht es auf ſich, und ſo — wie oft bin ich mißverſtanden worden, wie oft
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Grundton ſeiner Worte immer noch Obertöne. Daher,
mag er pfeffern ſo ſtark er will, es iſt nie ſo ſchlimm,
als es ſcheint, läßt Luft, Spielraum, hat etwas Un¬
maßgebliches, etwas Flüſſiges, etwas Strahlenſtreuendes.
Und das verſtehen dann die guten Leute nicht, wiſſen
nichts von Hintergrund in der Malerei. Ja, unrechte
Nebenbeziehungen ſuppliren, das können ſie, das thun
ſie gern. So iſt auch ihr eigenes Reden entweder
ohne allen Oberton oder mit dem falſchen der Liſt. —
Das führt auch wieder auf die Parteien in allen
Streitfragen. Kein Menſch von ſchwingendem Gehirn
hängt niet- und nagelfeſt an der Hälfte einer ganzen
oder der einen Seite einer zweiſeitigen Wahrheit.
Fordert es aber Zweck und ernſter Augenblick und
exakte Beſtimmung, ſo wird kein rechter Kerl die Kraft
der Einſeitigkeit ſcheuen.
Noch etwas bereitet mir viel Noth. Wenn ich mich
für einen Satz, irgend eine Vorſtellung erwärme im
Geſpräch, ſo ſchwebt mir oft ein imaginativer Gegner
vor, gegen den ich hitzig werde, mich heftig ereifere,
während der wirkliche Menſch, mit dem ich rede, ganz
mit mir einverſtanden iſt, oder, wenn nicht oder nicht
ganz, mich dach mit keinem Worte gereizt hat. Das
pflegt nun der nicht zu verſtehen, bezieht es auf ſich,
und ſo — wie oft bin ich mißverſtanden worden, wie oft
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/242>, abgerufen am 24.11.2024.
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