Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879.

Bild:
<< vorherige Seite

wo er noch Peruginesk, in -- gewiß sehr unzuläng¬
lichem -- Stich, -- welche keusche Holdseligkeit muß
im Originale sein! -- o diese umbrischen Köpfe! Ich
muß doch hin.


Die Alten haben vom Ich, von dem Gespenste des
Ich eigentlich noch nichts gewußt. Die Italiener
werden auch nicht darüber grübeln. Man wird das
also los werden dort? Doch ja nicht so ganz! In dieser
Krankheit ist auch Wahrheit! -- Fast allgemein unver¬
standen ist doch J. Paul's Schoppe geblieben, wie ihn
das Brüten über das Ich wahnsinnig macht! Es ist
eines der tiefsten poetischen Motive dieses Dichters.
Nur fehlt in diesem Brüten eine Unterscheidung. Wenn
ich so Nachts im Bett vor dem Einschlafen über das
Ich nachdenke, fühle ich immer gar gut, wie man
darüber wahnsinnig werden kann. Doch nicht eigent¬
lich, daß Ich ist, ist so seltsam, daß es verrückt machen
könnte, darüber nachzudenken. Die Natur mußte auf
der Spitze ihrer Bildungen den Sprung über sich
hinaus machen, daß sie Wesen schuf, in denen sie sich
selbst erfaßt, in denen also der Zirkel besteht, daß
Erfassender und Erfaßter Eines ist. Aber dieser Ich!
Daß es da Einen gibt, der A. E. heißt, der infolge
Geburt von diesen Eltern, infolge Vererbung aus
unendlicher Ahnenreihe, auf Grund unzählbarer Um¬

wo er noch Peruginesk, in — gewiß ſehr unzuläng¬
lichem — Stich, — welche keuſche Holdſeligkeit muß
im Originale ſein! — o dieſe umbriſchen Köpfe! Ich
muß doch hin.


Die Alten haben vom Ich, von dem Geſpenſte des
Ich eigentlich noch nichts gewußt. Die Italiener
werden auch nicht darüber grübeln. Man wird das
alſo los werden dort? Doch ja nicht ſo ganz! In dieſer
Krankheit iſt auch Wahrheit! — Faſt allgemein unver¬
ſtanden iſt doch J. Paul's Schoppe geblieben, wie ihn
das Brüten über das Ich wahnſinnig macht! Es iſt
eines der tiefſten poetiſchen Motive dieſes Dichters.
Nur fehlt in dieſem Brüten eine Unterſcheidung. Wenn
ich ſo Nachts im Bett vor dem Einſchlafen über das
Ich nachdenke, fühle ich immer gar gut, wie man
darüber wahnſinnig werden kann. Doch nicht eigent¬
lich, daß Ich iſt, iſt ſo ſeltſam, daß es verrückt machen
könnte, darüber nachzudenken. Die Natur mußte auf
der Spitze ihrer Bildungen den Sprung über ſich
hinaus machen, daß ſie Weſen ſchuf, in denen ſie ſich
ſelbſt erfaßt, in denen alſo der Zirkel beſteht, daß
Erfaſſender und Erfaßter Eines iſt. Aber dieſer Ich!
Daß es da Einen gibt, der A. E. heißt, der infolge
Geburt von dieſen Eltern, infolge Vererbung aus
unendlicher Ahnenreihe, auf Grund unzählbarer Um¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0240" n="227"/>
wo er noch Peruginesk, in &#x2014; gewiß &#x017F;ehr unzuläng¬<lb/>
lichem &#x2014; Stich, &#x2014; welche keu&#x017F;che Hold&#x017F;eligkeit muß<lb/>
im Originale &#x017F;ein! &#x2014; o die&#x017F;e umbri&#x017F;chen Köpfe! Ich<lb/>
muß doch hin.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p>Die Alten haben vom Ich, von dem Ge&#x017F;pen&#x017F;te des<lb/><hi rendition="#g">Ich</hi> eigentlich noch nichts gewußt. Die Italiener<lb/>
werden auch nicht darüber grübeln. Man wird das<lb/>
al&#x017F;o los werden dort? Doch ja nicht &#x017F;o ganz! In die&#x017F;er<lb/>
Krankheit i&#x017F;t auch Wahrheit! &#x2014; Fa&#x017F;t allgemein unver¬<lb/>
&#x017F;tanden i&#x017F;t doch J. Paul's Schoppe geblieben, wie ihn<lb/>
das Brüten über das Ich wahn&#x017F;innig macht! Es i&#x017F;t<lb/>
eines der tief&#x017F;ten poeti&#x017F;chen Motive die&#x017F;es Dichters.<lb/>
Nur fehlt in die&#x017F;em Brüten eine Unter&#x017F;cheidung. Wenn<lb/>
ich &#x017F;o Nachts im Bett vor dem Ein&#x017F;chlafen über das<lb/>
Ich nachdenke, fühle ich immer gar gut, wie man<lb/>
darüber wahn&#x017F;innig werden kann. Doch nicht eigent¬<lb/>
lich, daß Ich i&#x017F;t, i&#x017F;t &#x017F;o &#x017F;elt&#x017F;am, daß es verrückt machen<lb/>
könnte, darüber nachzudenken. Die Natur mußte auf<lb/>
der Spitze ihrer Bildungen den Sprung über &#x017F;ich<lb/>
hinaus machen, daß &#x017F;ie We&#x017F;en &#x017F;chuf, in denen &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t erfaßt, in denen al&#x017F;o der Zirkel be&#x017F;teht, daß<lb/>
Erfa&#x017F;&#x017F;ender und Erfaßter Eines i&#x017F;t. Aber <hi rendition="#g">die&#x017F;er</hi> Ich!<lb/>
Daß es da Einen gibt, der A. E. heißt, der infolge<lb/>
Geburt von die&#x017F;en Eltern, infolge Vererbung aus<lb/>
unendlicher Ahnenreihe, auf Grund unzählbarer Um¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[227/0240] wo er noch Peruginesk, in — gewiß ſehr unzuläng¬ lichem — Stich, — welche keuſche Holdſeligkeit muß im Originale ſein! — o dieſe umbriſchen Köpfe! Ich muß doch hin. Die Alten haben vom Ich, von dem Geſpenſte des Ich eigentlich noch nichts gewußt. Die Italiener werden auch nicht darüber grübeln. Man wird das alſo los werden dort? Doch ja nicht ſo ganz! In dieſer Krankheit iſt auch Wahrheit! — Faſt allgemein unver¬ ſtanden iſt doch J. Paul's Schoppe geblieben, wie ihn das Brüten über das Ich wahnſinnig macht! Es iſt eines der tiefſten poetiſchen Motive dieſes Dichters. Nur fehlt in dieſem Brüten eine Unterſcheidung. Wenn ich ſo Nachts im Bett vor dem Einſchlafen über das Ich nachdenke, fühle ich immer gar gut, wie man darüber wahnſinnig werden kann. Doch nicht eigent¬ lich, daß Ich iſt, iſt ſo ſeltſam, daß es verrückt machen könnte, darüber nachzudenken. Die Natur mußte auf der Spitze ihrer Bildungen den Sprung über ſich hinaus machen, daß ſie Weſen ſchuf, in denen ſie ſich ſelbſt erfaßt, in denen alſo der Zirkel beſteht, daß Erfaſſender und Erfaßter Eines iſt. Aber dieſer Ich! Daß es da Einen gibt, der A. E. heißt, der infolge Geburt von dieſen Eltern, infolge Vererbung aus unendlicher Ahnenreihe, auf Grund unzählbarer Um¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/240
Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/240>, abgerufen am 24.11.2024.