der Bindehaut über den Sternen sichtbar. Das glüht! Wie die Augen der Juno auf pompejanischem Wandbild.
Truggespenster um mich! -- Treibt sich da seit Wochen eine Figur um mit glattem Elfenbeingesicht und so einem Strich, einem Pli über die Augen herunter, als hätte der Mensch als Magnetiseur sein eigen Gesicht mit der Hand gebügelt; man hält das Ding für einen Jesuiten. Find' ich in der Dämmerung den Arnhelm in vertieftem Gespräch mit dem Gespenst, dort in der Nygaardsallee. Höre im Vorbeigehen die Worte: "Heilige Symbolik -- Mariendienst --" Sollte das Bürschchen gar ein Krypto -- nun, es wird eben ästhetische Leckerei sein!
Stachelschweinrauschen! -- Sie wird mir immer unheimlicher. Gehe wieder hin, erzähle ihr die Be¬ obachtung, rede vom Proselytenthum jener widerlichen Seelen, die sich vom Schimmer des Katholizismus fangen ließen, Schönheit und Wahrheit verwechselten, predige ihr vom Ernste protestantischer Bildung, zu dem sie gehöre und einfach halten solle -- ach, wie man ja immer der Thor ist, bessern zu wollen, wenn man unwürdig liebt! Sie spricht von Pedanterie -- eine predilection artistique sei noch nicht blutiger
der Bindehaut über den Sternen ſichtbar. Das glüht! Wie die Augen der Juno auf pompejaniſchem Wandbild.
Truggeſpenſter um mich! — Treibt ſich da ſeit Wochen eine Figur um mit glattem Elfenbeingeſicht und ſo einem Strich, einem Pli über die Augen herunter, als hätte der Menſch als Magnetiſeur ſein eigen Geſicht mit der Hand gebügelt; man hält das Ding für einen Jeſuiten. Find' ich in der Dämmerung den Arnhelm in vertieftem Geſpräch mit dem Geſpenſt, dort in der Nygaardsallee. Höre im Vorbeigehen die Worte: „Heilige Symbolik — Mariendienſt —“ Sollte das Bürſchchen gar ein Krypto — nun, es wird eben äſthetiſche Leckerei ſein!
Stachelſchweinrauſchen! — Sie wird mir immer unheimlicher. Gehe wieder hin, erzähle ihr die Be¬ obachtung, rede vom Proſelytenthum jener widerlichen Seelen, die ſich vom Schimmer des Katholizismus fangen ließen, Schönheit und Wahrheit verwechſelten, predige ihr vom Ernſte proteſtantiſcher Bildung, zu dem ſie gehöre und einfach halten ſolle — ach, wie man ja immer der Thor iſt, beſſern zu wollen, wenn man unwürdig liebt! Sie ſpricht von Pedanterie — eine prédilection artistique ſei noch nicht blutiger
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der Bindehaut über den Sternen ſichtbar. Das glüht!
Wie die Augen der Juno auf pompejaniſchem Wandbild.
Truggeſpenſter um mich! — Treibt ſich da ſeit
Wochen eine Figur um mit glattem Elfenbeingeſicht
und ſo einem Strich, einem Pli über die Augen herunter,
als hätte der Menſch als Magnetiſeur ſein eigen Geſicht
mit der Hand gebügelt; man hält das Ding für einen
Jeſuiten. Find' ich in der Dämmerung den Arnhelm
in vertieftem Geſpräch mit dem Geſpenſt, dort in der
Nygaardsallee. Höre im Vorbeigehen die Worte:
„Heilige Symbolik — Mariendienſt —“ Sollte das
Bürſchchen gar ein Krypto — nun, es wird eben
äſthetiſche Leckerei ſein!
Stachelſchweinrauſchen! — Sie wird mir immer
unheimlicher. Gehe wieder hin, erzähle ihr die Be¬
obachtung, rede vom Proſelytenthum jener widerlichen
Seelen, die ſich vom Schimmer des Katholizismus
fangen ließen, Schönheit und Wahrheit verwechſelten,
predige ihr vom Ernſte proteſtantiſcher Bildung, zu
dem ſie gehöre und einfach halten ſolle — ach, wie
man ja immer der Thor iſt, beſſern zu wollen, wenn
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/183>, abgerufen am 22.11.2024.
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