Natur zusammenwirken wunderbar, mystisch, die be¬ kannten unumstößlichen Grenzen, Gesetze durchbrechend, überfliegend. Sie kann Wunderwesen erscheinen lassen, wie es ihr dient; ihr einziges Gesetz ist das Band des Zusammenhangs. Ob es außerhalb der Dichtung Solches gibt -- mit dieser Frage verhält es sich so: es werden wohl Fälle berichtet von mystischen Hinüber¬ wirkungen, die gut bezeugt scheinen. Aber was sollen wir damit anfangen? All' unser Thun und Denken ruht unverbrüchlich auf dem Grunde der festen Natur¬ gesetze. Soll ich glauben, die Natur sei bloß ein fadenscheiniger Vorhang, hinter welchem ein Geister¬ reich laure, um hervorzubrechen, Niemand weiß, wann? so wird Alles ungewiß und schwankend; ich weiß nicht, ob dieser Tisch, dieser Stuhl, dieser Vogel nicht sich in einen Geist verwandelt oder sein Träger wird; ich lebe wie im Rausche, die Konsequenzen, wenn ich sie vollzöge, müßten mich verrückt machen. Es folgt, daß man sich mit diesen Dingen nicht befassen kann, nicht befassen soll. Ich sag' allemal, wenn man mir Derlei bringt: "Mir ist's, als wenn man einem Hund einen Apfel gäbe: er riecht für ihn nicht, er hat keine Be¬ ziehung zu ihm, er kann einfach damit nichts anfangen." Nun aber erst der Poet! Uebel, übel, wenn er an¬ fängt, sich in hölzernem Ernst doktrinell, dogmatisch mit diesen Dingen zu beschäftigen! So viel er sich damit abgibt, so viel ist es Abbruch an seiner Poesie.
Natur zuſammenwirken wunderbar, myſtiſch, die be¬ kannten unumſtößlichen Grenzen, Geſetze durchbrechend, überfliegend. Sie kann Wunderweſen erſcheinen laſſen, wie es ihr dient; ihr einziges Geſetz iſt das Band des Zuſammenhangs. Ob es außerhalb der Dichtung Solches gibt — mit dieſer Frage verhält es ſich ſo: es werden wohl Fälle berichtet von myſtiſchen Hinüber¬ wirkungen, die gut bezeugt ſcheinen. Aber was ſollen wir damit anfangen? All' unſer Thun und Denken ruht unverbrüchlich auf dem Grunde der feſten Natur¬ geſetze. Soll ich glauben, die Natur ſei bloß ein fadenſcheiniger Vorhang, hinter welchem ein Geiſter¬ reich laure, um hervorzubrechen, Niemand weiß, wann? ſo wird Alles ungewiß und ſchwankend; ich weiß nicht, ob dieſer Tiſch, dieſer Stuhl, dieſer Vogel nicht ſich in einen Geiſt verwandelt oder ſein Träger wird; ich lebe wie im Rauſche, die Konſequenzen, wenn ich ſie vollzöge, müßten mich verrückt machen. Es folgt, daß man ſich mit dieſen Dingen nicht befaſſen kann, nicht befaſſen ſoll. Ich ſag' allemal, wenn man mir Derlei bringt: „Mir iſt's, als wenn man einem Hund einen Apfel gäbe: er riecht für ihn nicht, er hat keine Be¬ ziehung zu ihm, er kann einfach damit nichts anfangen.“ Nun aber erſt der Poet! Uebel, übel, wenn er an¬ fängt, ſich in hölzernem Ernſt doktrinell, dogmatiſch mit dieſen Dingen zu beſchäftigen! So viel er ſich damit abgibt, ſo viel iſt es Abbruch an ſeiner Poeſie.
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Natur zuſammenwirken wunderbar, myſtiſch, die be¬
kannten unumſtößlichen Grenzen, Geſetze durchbrechend,
überfliegend. Sie kann Wunderweſen erſcheinen laſſen,
wie es ihr dient; ihr einziges Geſetz iſt das Band des
Zuſammenhangs. Ob es außerhalb der Dichtung
Solches gibt — mit dieſer Frage verhält es ſich ſo:
es werden wohl Fälle berichtet von myſtiſchen Hinüber¬
wirkungen, die gut bezeugt ſcheinen. Aber was ſollen
wir damit anfangen? All' unſer Thun und Denken
ruht unverbrüchlich auf dem Grunde der feſten Natur¬
geſetze. Soll ich glauben, die Natur ſei bloß ein
fadenſcheiniger Vorhang, hinter welchem ein Geiſter¬
reich laure, um hervorzubrechen, Niemand weiß, wann?
ſo wird Alles ungewiß und ſchwankend; ich weiß nicht,
ob dieſer Tiſch, dieſer Stuhl, dieſer Vogel nicht ſich
in einen Geiſt verwandelt oder ſein Träger wird; ich
lebe wie im Rauſche, die Konſequenzen, wenn ich ſie
vollzöge, müßten mich verrückt machen. Es folgt, daß
man ſich mit dieſen Dingen nicht befaſſen kann, nicht
befaſſen ſoll. Ich ſag' allemal, wenn man mir Derlei
bringt: „Mir iſt's, als wenn man einem Hund einen
Apfel gäbe: er riecht für ihn nicht, er hat keine Be¬
ziehung zu ihm, er kann einfach damit nichts anfangen.“
Nun aber erſt der Poet! Uebel, übel, wenn er an¬
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mit dieſen Dingen zu beſchäftigen! So viel er ſich
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/137>, abgerufen am 24.11.2024.
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